Westernkötter Salz- Anlass zum Schmuggeln in Versmold
von Wolfgang Marcus, Bad Westernkotten
[in: Heimatblätter Lippstadt 1997, S. 35f]
Die Geschichte des Salzes ist für (Bad) Westernkotten immer noch nicht zufriedenstellend aufgearbeitet worden. Hier ist der Heimatverein gefordert, eventuell über eine ABM-Kraft in näherer Zukunft Abhilfe zu schaffen.
Umso erfreulicher ist es, wenn wenigstens kleinere Hinweise zur Salzgeschichte gegeben werden können. Ich bin deshalb Herrn August Böers aus der Spielplatzstraße dankbar, dass er mich auf das neue Heimatbuch „Versmold. Eine Stadt auf dem Weg ins 20. Jahrhundert“ von Rolf Westheider, Bielefeld 1994, aufmerksam gemacht hat; denn in diesem Buch finden sich im Kapitel „Zollgrenze und Schmuggel“ auch Hinweise auf das Westernkötter Salz sowie weitere Angaben zur Salzgeschichte.
Im folgenden möchte ich die wichtigsten Aussagen zusammenfassend wiedergeben:
Versmold liegt etwa 70 Kilometer nördlich von Bad Westernkotten, 25 Kilometer westlich von Bielefeld, 25 Kilometer südlich von Osnabrück und südlich des Teutoburger Waldes an der Landersgrenze Nordrhein-Westfalens zu Niedersachsen. Versmold ist heute vor allem durch Fleischhandel und -produktion bekannt.
Versmold gehörte im Mittelalter zur Grafschaft Ravensberg, die aber bereits 1609 preußisch wurde. Versmold hatte seit alters her eine Grenzlage: Westlicher und südlicher Nachbar war das Bistum Münster, das erst Anfang des 19. Jahrhunderts zu Preußen kam. Nördlicher Nachbar war das Bistum Osnabrück, das erst nach der Annexion des Königreiches Hannover im Jahre 1866 preußisch wurde.
Die Grenzlage, aber auch die Armut weiter Kreise der Bevölkerung, machten den Schmuggel zu einem einträglichen Geschäft. Dabei spielte der Schmuggel von Salz eine besondere Rolle.
Unmittelbar nördlich von Versmold, aber im Bistum Osnabrück, lag Rothenfelde, wo seit 1728 Salz aus Sole gewonnen wurde. Dieses Salz war bei weitem preiswerter als das Salz in den preußischen Ländern, vor allem deshalb, weil die Sole in Rothenfelde einen sehr hohen Salzgehalt hat und zum anderen bis Versmold nur recht geringe Transportkosten anfielen.
In der Theorie waren also die Handelsbedingungen zwischen Rothenfelde und Versmold, wo man viel Pökelsalz vor allem für die Buttereinsalzung und Fleischkonservierung benötigte, günstig. Die Praxis war aber eine andere.
„In Preußen waren die Marktregeln außer Kraft gesetzt.Hier herrschten hinsichtlich des Salzes völlig andere Bedingungen als in Hannover, das … 1834 dem Deutschen Zollverein ferngeblieben war und sich damit einer Angleichung der Steuer- und Zolltarife versperrt hatte. Der Salzhandel unterlag keinerlei Reglementierungen, und die Preise waren marktgerecht niedrig, weil die Lüneburger und verstärkt auch die Rothenfelder Salinen einen hohen Ausstoß aufwiesen. Dagegen hatte das Kurfürstentum Brandenburg schon 1582 ein staatliches Salzmonopol eingeführt, das, vom Staat als lebhaft sprudelnde Einnahmequelle geschätzt, 1652 durch Preußen erneuert wurde und forthin in Kraft blieb. Das Salz der preußischen Salinen [und damit auch aus Westernkotten; Anm. d. V.] war durch die staatliche Hochpreispolitik annähernd dreimal so teuer wie das Hannoversche, unter dem sich auch das aus Rothenfelde befand.“[Westheider, aaO, S.196]
Das Salz mußte in eigens dafür angelegten Verkaufsstellen, den Sellereien oder Faktoreien, bezogen werden. Aber nicht nur der Handel, sondern auch der Verbrauch war durch Preußen geregelt. Jeder Privatverbaucher mußte eine Mindestmenge an Salz pro Jahr kaufen. Dieses „Obligo-Quantum“ betrug für einen Erwachsenen etwa 12 Pfund pro Jahr. Jeder Haushalt war gehalten, ein Salzverbrauchsbuch zu führen. Wer das nicht tat, wurde als Steuerhinterzieher eingestuft und entsprechend zur Kasse gebeten. Wenn Privatverbraucher ihren Abnahmepflichten nicht nachkamen, mußten in der Regel die Gemeinden die entsprechenden Mengen abnehmen und bezahlen.
Vor diesem nur kurz skizzierten Hintergrund blühte natürlich der Salzschmuggel und war immer wieder Anlaß für Polizeieinsätze und Gerichtsverfahren.
Der nachfolgende Fall aus den Akten des Staatsarchivs Detmold steht beispielhaft dafür. Interessant für unseren Raum ist die Tatsache, dass darin nicht nur allgemein vom Preußischen Salz die Rede ist, sondern ganz konkret von den „Westernkottener Salzen“, die in Versmold abgenommen werden mußten.
„Am 20. October (1856) fanden der Steuer-Aufseher Papenmeyer, der Amtsdiener Wilhelm Prange aus Versmold und der Polizeidiener Friedrich Overbeck aus Bockhorst bei dem Heuerling Köhn Gemeinde Bockhorst eine Quantität Salz von ungefähr 1 Pfund, welches die Beamten als ausländisches erkannten, und welches derselbe von dem Heuerling Heinrich Krack in der Bauerschaft Hesselteich geliehen haben wollte. (!) Die in Folge dessen bei letzterm angestellte Haussuchung ergab, daß derselbe außer dem gewöhnlichen Vorrathe, bestehend in Westernkottener Salze, auch einen Topf mit anscheinend ausländischem Salze von brutto 8 Pfund besaß, welches in einem Schranke stand. In Bezug auf die Qualität dieses Salzes, welches die Beamten sofort als ausländisches erkannten, stimmt das sachverständige auf chemischer Untersuchung gründende Gutachten des Apothekers Wünnenberg (aus Warendorf), da sich in den angeschlossenen Prozeßacten (…..) befindet in soweit überein, daß demselben seine Abstammung von der (preußischen) Saline Westernkotten mit Bestimmtheit abgesprochen wird. Da nun die Sellerei zu Hesselteich, an welche Krack mit seinem Salzbezuge ausschließlich verwiesen ist, nur Salz aus jener Saline debitirt, ist nicht zu beweifeln, daß das fragliche Salz aus dem benachbarten Auslande, wo der Preis desselben sehr gering ist, hereingeführt worden ist.“
Mit diesen Hinweisen haben wir auch einen konkreten Hinweis, bis in welche Regionen das Westernkötter Salz transportiert wurde.
Abschließend sei noch bemerkt, dass der Salzschmuggel im Versmolder Raum erst 1851 nach dem Beitritt des Nachbarlandes Hannover in den Zollverein abebbte; 1866 annektierte dann Preußen das Königreich Hannover, so dass die Grenzen auch zwischen Rothenfelde und Versmold fielen.
Schon einige Jahre zuvor waren große Steinsalzvorkommen bei Staßfurt in Sachsen-Anhalt entdeckt worden, „durch die das einstige weiße Gold zu einer für alle erschwinglichen Massenware wurde.“[ebd. S. 205]
Im Jahre 1868 löste Preußen deshalb das staatliche Salzmonopol auf und überließ den Salzmarkt dem freien Wettbewerb. Damit begann auch der langsame, aber letztlich unaufhaltsame Niedergang der Westernkötter Salzindustrie, die 1949 an ihr endgültiges Ende kam.