„Ein hartes Urteil“ und „Der Leibhaftige bei den Schafhürden“
Aus dem Nachlaß von Wilhelm Probst, +1957, Bad Westernkotten
[Erstabdruck: Probst, Wilhelm, Ein hartes Urteil und Der Leibhaftige bei den Schafhürden, in: Vertell mui watt, Ausgabe 61 (1998)]
Ein alter Pater, der wohl bisher geglaubt hatte, die Westernkötter gut zu kennen, da er schon lange Zeit hier mehrfach im Jahr mit ihnen zu tun gehabt hatte, erzählte mir etwas, das zu denken gibt. – Man soll ja nicht biblische Geschichten, die doch den Heilsplan Gottes und vor allem Christi Leben und seine Lehre verkünden, nach Gutdünken umformen. Das hat nun der Herr Pater auch nicht gewollt oder gar getan. Aber er hat mit seiner Geschichte sagen wollen, … Na, er soll erst mal erzählen:
„Am 1. Fastensonntag wird in der Kirche das Evangelium von der Versuchung Jesu vorgelesen. Wissen Sie auch, wo der Berg der Versuchung liegt? Das ist die Spitze Warte bei Rüthen. Von da kann man weit ins Land schauen, über die weite Lippeebene bis tief ins Münsterland hinein, auf die bewaldeten Bergrücken und -kuppen des Arnsberger Waldes und die Briloner Höhe, und überall Orte und Einzelsiedlungen. Auch Steinhausen, Suttrop und Westernkotten sind zu sehen.
In der dritten Versuchung hat der Teufel den Heiland auf die Spitze Warte gebracht und ihm die Dörfer Steinhausen, Suttrop und Westernkotten gezeigt und zu ihm gesagt: Diese will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.“-
Das war ja nun ein „starkes Stück“ von dem Pater. Aber er wollte mit seiner Erzählung ja nur sagen, daß es in diesen drei Dörfern nicht so ist, wie es nach Gottes Willen sein müßte und daß es oft recht schwer sei, am Seelenheil zu wirken.
[Anmerkung: Ich vermute, daß die Kritik dieses Paters etwa 1924 geäußert wurde und wohl im Zusammenhang damit steht, daß trotz entsprechender Predigten zahlreiche Westernkötter bei den Reichstagswahlen die KPD gewählt hatten. W. Marcus]
Der Leibhaftige bei den Schafhürden
Aus dem Nachlaß von Wilhelm Probst, + 1957, Bad Westernkotten
Ein Werler Pater, der auf dem Wege war, um auswärts eine Messe zu lesen, kam nachts auf den Hof von Schulte-Lohne. Er fragte nach dem Hofschäfer, über den ihm manches zu Ohren gekommen war. Dieser war schon zu Bett gegangen. Der Pater ließ ihn wecken und forderte ihn auf, mit zu den Schafen zu gehen, die im Felde in den Hürden lagen. –
Von dem Schäfer hieß es, daß er die geheime Macht besitze, jeden, der in böser Absicht zu seinen Schafen ging, durch einen Bannspruch festzumachen. Der Genannte mußte dann auf den Schafhürden sitzen bleiben, bis der Schäfer ihn „lossprach“. Geschah dies nicht vor Sonnenaufgang, so mußte der Übeltäter am selben Tage sterben. –
Der Schäfer wollte wissen, warum er mit zu den Schafen solle. Der Pater aber schwieg auf die Frage, schaute jedoch den Schäfer ernst und zwingend an. So gingen dieser mit. Untewegs wurde kein Wort gesprochen.
Bei den Schafen angekommen ließ der Pater den Schäfer über seine linke Schulter nach den Schafen schauen. Dann fragt er ihn: „Na, siehst du ihn jetzt?“ Der Schäfer erschrak. Es war der Leibhaftige, den er sah! „Ja, der ist es, der deine Schafe bewacht,“ fuhr der Pater fort. „Und nicht Petrus und Paulus tun es, die du anrufst!“
Der Pater ermahnte dann den Schäfer, nie mehr Petrus und Paulus als Helfer beim Festmachen von Schafdieben anzurufen. Die beiden Heiligen solle er anrufen in Todesnot oder wenn seine Mutter oder sein Vater in Gefahr seien.
Seit diesem Vorkommnis kam kein Schfdieb mehr nachts zu den Lohner Schafen. Der Teufel aber zog mißmutig weiter und versuchte woanders sein Glück.
[Anmerkung: Da der Text nur fragmentarisch vorliegt, habe ich ihn geringfügig ergänzt. W. Marcus]