1999: Dreißigjähriger Krieg

Der Raum Westernkotten im Dreißigjährigen Krieg

Von Wolfgang Marcus, Bad Westernkotten

[Erstabdruck: Marcus, Wolfgang, Westernkotten im Dreißigjährigen Krieg; in: Heimatblätter 79. Jg. (1999), S.65-74]

Vorbemerkungen

Kaum ein Ereignis hat den Menschen in unserer Region in den letzten Jahrhunderten so nachhaltig Schaden zugefügt wie der Dreißigjährige Krieg von 1618-1648, der „Krieg der Kriege“, wie Friedrich Schiller formulierte. Die Feiern zum 350jährigen Friedensschluß von Münster und Osnabrück im Jahre 1998 und ein Vortrag des Heimatforschers Ulrich Grun aus Rüthen in einer Versammlung der Heimatfreunde Bad Westernkotten am 5.2.99 waren der Anlaß, mich der Thematik auch für unseren Raum nochmals genauer anzunehmen, bisher schon Bekanntes im Lichte neuerer Forschungsergebnisse darzulegen und die lokalen Ereignisse stärker als bisher erfolgt in die größeren Zusammenhänge der regionalen und nationalen Geschichte einzuordnen.

1. Jahrzehnte der Gewalt vor dem 30jährigen Krieg (1582-1618)

1.1.               Politische Zersplitterung des Hellweggebietes

Der größte Teil des Gebietes des heutigen Kreises Soest gehörte im 16./17.Jahrhundert zum kurkölnischen Herzogtum Westfalen (1180-1803), das Gebiet nördlich der Lippe überwiegend zum Fürstentum Münster. Die Städte Lippstadt und Soest mit der Soester Börde gehörten seit der Soester Fehde 1444 zur Grafschaft Mark. Die Stadtherrschaft in Lippstadt übten der Graf von der Mark und der Graf zur Lippe gemeinsam aus (Samtherrschaft 1445-1850). Eine Übersicht gibt die abgedruckte Karte.                                                                  [Abb.1]

Die vielen Grenzen und die damit zusammenhängende politische Zersplitterung erschwerten eine wirkungsvolle Verteidigung des Hellweggebietes. Außer den Stadtmauern und Stadtbefestigungen boten vor allem Landwehren, ein System von langen, mit dichtem Gestrüpp bepflanzten und von Wassergräben begleiteten Wällen einen gewissen Schutz. „Durch Kundschafter und Boten hoffte man rechtzeitig auf durchziehende Truppen vorbereitet zu sein. Angeworbene Soldaten verstärkten die Bürgerwehren und Schützenkompanien. Die Möglichkeiten, sich gegen die gut ausgebildeten und erfahrenen Söldner der Kriegsparteien zu behaupten, waren aber gering. Wenig Schutz versprachen die Salvagardien, Schutzbriefe, die für teures Geld bei den Militärführern gekauft wurden, aber im Ernstfall nicht viel nützten.“[Teske 1997, S.11/12]

1.2.               Die Truchsessischen Wirren und der „Kölner Krieg“1582-84

Schon lange vor Beginn des 30jährigen Krieges hatte der Hellwegraum eine Welle der Gewalt erlebt, die nahtlos in das Kriegsgeschehen ab 1618 überging. Ausgelöst wurde sie durch die Heirat und den Übertritt des Kölner Kurfürsten Gebhard Truchseß von Waldburg, einem schwäbischen Grafen, im Dezember 1582 zum Protestantismus [vgl. zum Folgenden: Bruns 1987]. Gleichzeitig gab er seine Absicht bekannt, das Erzbistum Köln beizubehalten. Das konnte die katholische Seite im Reich nicht dulden, weil die Protestanten dadurch im Kurfürstenkolleg die Mehrheit erlangten. Die Wahl eine evangelischen Kaisers rückte dann in nächste Nähe.[Kohl 1980, S.71] Die Mehrheit des Domkapitels sagte sich deshalb von Truchseß los. Der Papst hatte keine andere Wahl, als ihn für abgesetzt zu erklären. Nachdem die rheinischen Stände schnell erklärten, bei der katholischen Religion bleiben zu wollen, versuchte Truchseß bei einem im März 1583 in Arnsberg abgehaltenen Landtag die Zustimmung der westfälischen Ritterschaft zu seinem Übertritt zu erlangen. Jedoch besonders die Ritter der Pfarrei Erwitte, vornehmlich Adrian von Ense aus Westernkotten und Johannes von Drosten, widersetzten sich dem Ansinnen. Plündernde Truppen drangen auch in die Soester Börde vor. Truchseß versuchte auch, die Ritter ‚bey vollem Truncke mit süßen Worten oder mit herben Ausdrücken und Bedräuungen der Gefängniß, Verbrennung der Häuser, Wegreißung der Güter‘ zur Aufgabe des katholischen Glaubens zu bewegen. Truchseß zog sogar von Rüthen nach Erwitte, um die Ritter Ludolf von Landsberg, Göddert und Rembert von Schorlemer, Johann Drosten und Adrian von Ense zur Aufgabe ihres Glaubens zu zwingen, jedoch ohne Erfolg.[vgl. Dalhoff, S.98]

[Abb. II und III]

Am 23. Mai 1583 ging der Wittelsbacher Errnst von Bayern aus der Neuwahl für das Amt des Kölner Fürstbischofs als Sieger hervor. Gebhard Truchseß aber gab sich nicht geschlagen. Er rief die niederländen Calvinisten unter Wilhelm von Oranien um Hilfe an, während Ernst die auf katholischer Seite dominierenden Spanier um Unterstützung bat. So griff der seit 15 Jahren tobende Freiheitskampf der Niederländer auf die Rheinlande und Westfalen über [vgl. Kapitel 1.3.]

Mit überlegenen militärischen und finanziellen Mitteln konnte Ernst von Bayern Truchseß aus dem rheinischen Teil seines Erzstifts vertreiben. Nachdem Gebhard am 31. März 1584 an der niederländischen Grenze vernichtend geschlagen und Werl von den Truppen Ernsts besetzt worden war, erkannte ein in Geseke einberufener Landtag Ernst als neuen Kurfürsten und Landesherren an. Nun setzte durch ihn und seinen Neffen und Nachfolger Ferdinand von Bayern, der von 1612 bis 1650 regierte, die Rekatholisierung ein. Der Protestantismus im Herzogtum wurde so völlig zurückgedrängt.

[Abb. IV: Kurfürst Ferdinand von Bayern]

1.3.               Der Freiheitskampf der Niederlande

In den heutigen Niederlanden, die aus 17 Provinzen bestanden und  zum spanischen Reich gehörten, wehrten sich die vorwiegend calvinistischen Bewohner gegen die Machtausdehnung der spanischen Könige Karl I. (1516-1656) und seinen Sohn Philipp II. (1556-1598). Im Jahre 1579 bilden die 7 nördlichen Provinzen zu Utrecht einen Bund. Unter Wilhelm von Nassau-Oranien sagen sie sich 1581 von Spanien los und bilden die „Generalstaaten“. Die südlichen Niederlande, das heutige Belgien, die in Brüssel seit 1596 von Erzherzog Albrecht und nach seinem Tod von seiner Frau Isabella, der Tochter König Philipps von Spanien regiert wurden, blieben spanisch.

Ein Teil der Truppen Wilhelm von Oraniens war schon vor dem Beginn der Kämpfe mit den Spaniern – aus dem Siegerland kommend – durch die Soester Börde gezogen. Als dann im Kölner Krieg die beiden Parteien ihre Konfessionsverwandten um Unterstützung baten, kamen immer wieder niederländische – sog. staatische – und spanische Truppen in unseren Raum, wo sie vor allem im Winter mit Plünderungen die Bevölkerung heimsuchten. So erpreßten niederländische Truppen am 11. Dezember 1590 die Gemeinden Erwitte und Westernkotten um 3000 Reichstaler und nahmen Ludolf von Landsberg als Geisel. Nach anderen Quellen erpreßten sie sogar 7000 Reichstaler [Wand S. 284]. Auch 1606 konnten die Westernkötter und Erwitter 12 niederländische Reiterkompanien nur durch die Zahlung von 600 Reichstalern zum Abzug bewegen. Und nochmals 1607 forderten wieder 12 Kompanien 650 Reichstaler.[vgl. Dalhoff, S. 99]

1.4.               Der Klevische Erbfolgekrieg

Am 9. Mai 1609 starb kinderlos Johann Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg, Graf von der Mark und Ravensberg. Auf die Erbschaft, den größten weltlichen Güterbesitz in Rheinland und Westfalen, erhoben mehrere Seiten und sogar der Kaiser Anspruch. Um allen anderen Ansprüchen zuvorzukommen, vereinbarten die beiden aussichtsreichsten Kandidaten auf das klevische Erbe, der Pfalzgraf von Neuburg und der Kurfürst von Brandenburg, noch 1609 im Düsseldorfer Vergleich, als sog. „Possidierende“ die Herrschaft zunächst gemeinsam auszuüben, um kein Machtvakuum entstehen zu lassen. Die Einigkeit war aber bereits 1613 zu Ende, als 1613 Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg zum Calvinismus übertrat und Wolfgang Wilhelm, der Sohn des Pfalzgrafen, zum katholischen Glauben konvertierte. Mit Hilfe von Truppen aus dem katholischen Spanien und den calvinistischen Niederlanden versuchten nun beide, auf dem Schlachtfeld die ganze Erbschaft an sich zu bringen. Ungeachtet verschiedener Übereinkommen suchten Spanien und die Niederlande ihre strategische Position im Gebiet der beiden „Possidierenden“ auszubauen.

1.5.               Spanische Truppen besetzen Lippstadt; Streit an der Grenze zu Westernkotten

Im Namen des Pfalzgrafen nahmen spanische Truppen 1616 Soest und Lippstadt, das seit dem 29. März belagert wurde, ein. In der Kapitulationsurkunde von Lippstadt vom 11. April wird vereinbart, dass die Bürger bei ihrer evangelischen Religion, ihrem Gewissen und ihren Kirchenbräuchen bleiben dürfen und sie daran durch das Kriegsvolk (etwa 240 Soldaten) nicht gehindert werden sollen.[Remling S. 325; StA Detmold L 36; C IV, 3b, Bl.27-28]]

Diese Bestimmungen wurden in den 6 Jahren der pfalz-neuburgischen bzw. spanischen Besetzung durchaus eingehalten. [Remling, S. 326] Dennoch bedeutete die Eroberung der Stadt durch katholische Truppen natürlich eine Stärkung des katholischen Bürgertums der Stadt.

Aber auch das unmittelbar südlich angrenzende Westernkotten und Erwitte, zum Herzogtum Westfalen gehörend, bekamen durch die Stärkung der katholischen Position in diesem Raum ein wachsendes Selbstbewußtsein: So beklagt sich 1616 der Magistrat der Stadt Lippstadt beim Landesherren, Simon, Graf zur Lippe, darüber, dass Westernkotten weiter befestigt wird. [Kreis Soest, S. 31].

Einen Hinweis auf diese weitere Befestigung der Westernkötter Landwehr finden wir auf einer Steintafel über den Ursprung Westernkottens aus dem Jahre 1630, die in das sog. Westerntor eingebaut worden war und sich heute noch in der katholischen Pfarrkirche befindet. Darin heißt es: „Als aber wieder Stürme des Kriegs sie bedrängten, die Habe wieder vertilgt ward, errichtete man mit Fürst Ferdinands Hilfe bergende Wälle und schloß auf Befehl die schützenden Tore. Im Jahre 1630.“ Mit Fürst Ferdinand kann nur der Kölner Erzbischof Ferdinand von Bayern (1612-1650) gemeint sein. Damit wird deutlich, dass die heutige Landwehr von Westernkotten zwar wie bisher schon bekannt 1506 errichtet wurde, zwischen 1616 und 1630 aber deutlich ausgebaut und verstärkt wurde.

Am 10. Februar 1616 beklagt sich Simon, Graf zur Lippe, beim Kölner Kufürsten auch über die Befestigung von Erwitte. [ebd.]

2.        Die Kriegsjahre 1618-1624 (Böhmisch-pfälzischer Krieg)

2.1.               Der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges

Schon lange schwelte der Kampf zwischen katholischen und protestantischen Reichstständen um die Vorherrschaft in Europa. 1608 war ein protestantisches Militärbündnis, die Union, gegründet worden, 1609 folgte die katholische Liga.

Dann brach 1618 im Südosten mit dem Aufstand der Böhmen („Prager Fenstersturz“) der Krieg aus: Die Böhmen hatten ihren König, den katholischen Habsburger Ferdinand, den späteren Kaiser Ferdindand II. (1619-1637), Vetter des spanischen Königs, abgesetzt und an seine Stelle den Führer der protestantischen Union, Friedrich V. von der Pfalz zum König gewählt.

„Der Dreißigjährige Krieg, der überwiegend auf dem Boden des Deutschen Reiches geführt wurde, war zugleich ein Kampf zwischen Protestantismus und Katholizismus, zwischen dem Kaisertum und den Fürsten, zwischen den böhmischen Ständen und dem Kaiser, zwischen der Krone Frankreichs und dem Gesamthause Habsburg sowie ein Kampf Dänemarks und Schwedens um ihre Machtstellung in Norddeutschland und an der Ostsee“[Lahrkamp S.75].

Innerhalb kurzer Zeit gelang es Ferdinand mit Hilfe der katholischen Liga sowie spanischer Truppen, den böhmischen Aufstand niederzuschlagen und den als „Winterkönig“ verspotteten Friedrich von der Pfalz zu vertreiben. In der Schlacht am Weißen Berg vor Prag im Jahre 1620 kämpften auch Truppen, die im Herzogtum Westfalen angeworben worden waren, mit. Ihr Kommandant war der Graf Johann Jakob von Anholt.

Der Krieg war mit der Niederlage der Union aber nicht zu Ende: Für den entthronten Böhmenkönig nahmen Söldnerführer Partei, die nun auch Westfalen in den Krieg einbezogen, darunter vor allem Christian von Braunschweig [vgl. dazu Kapitel 2.4.].

2.2.               Grenzstreitigkeiten zwischen Westernkotten und Lippstadt

Die Besetzung der Stadt Lippstadt durch spanische, also katholische Truppen, hat anscheinend den kölnischen Landdrosten im Gogericht Erwitte ermutigt, die strategische Stellung gegenüber der weiterhin überwiegend protestantischen Stadt Lippstadt auszubauen. So werfen kölnische Arbeiter nördlich von Wsternkotten und südlich der Stadtmauern von Lippstadt, aber innerhalb der Lippstädter Landwehr (von Gieseler und Weihe gebildet) und somit auf Lippstädter Hoheitsgebiet, eine Schanze auf. [StA Detmold, vgl. Kreis Soest S. 38] Es ist zu vermuten, dass sich diese im Bereich des heutigen Schanzenweges – eine Wegeverbindung am Südrand der heutigen Gewerbegebiete „Schanzenweg“ und „Am Wasserturm“ – befand. Dieser Versuch einer neuen Grenzziehung der sich im übrigen schon im 16. Jahrhundert nachweisen läßt[vgl. Dalhoff S. 93-95],  ist vor allem damit zu begründen, dass dadurch das Haus zum Rade und die Reste der Siedlung Swiek, beide südlich des Schanzenweges, zu Westernkotten gekommen wären und für das kölnische Gogericht weitere Steuereinnahmen gebracht hätten.

[Karte Abb. V]

Auch im Kriegsjahr 1621 kam es hier wieder zu Auseinandersetzungen: So klagt mit Schreiben vom 18.6.1621 der Magistrat von Lippstadt beim Landesherrn, dem Grafen Simon zur Lippe, über die Westernkötter, die bei Nacht die Landwehren der Stadt verwüsten, das Getreide verschleifen und allerhand Unfug treiben.[vgl. Kreis Soest, S. 39]. Vom 4. Juli 1621 liegt ein Schreiben des kölnischen Landdrosten an den Grafen Simon vor. Darin heißt es: Die Bürger Lippstadts hätten die Landwehren weiter als erlaubt ausgedehnt und die zum Gogericht Erwitte gehörenden Dörfer zur Stadt gezogen. In diesem kölnischen Distrikt der Landwehr hätten die Kölnischen Bürger Lippstadts arrestiert, also nicht innerhalb der lippischen Hoheit. Die Liebfrauenpfarrei mache die Grenze aus. [Die letzte Angabe ist mir nicht ganz verständlich. Wohl gibt es am Bökenförder Brünneken einen Liebfrauenweg; und in einer Feldmarkkarte aus dem Jahre 1655 – vgl. Junk/Wenger S. 1031 – ist ein solcher Weg nordöstlich der Erwitter Warte eingezeichnet. Aber die zugehörige Pfarrei bleibt unklar].

Am 4. Juli 1621 führt wiederum der Lippstädter Magistrat Klage beim Grafen Simon zur Lippe, wie die gefangenen Lippstädter Bürger von den Kölnischen behandelt würden. An den Wachtürmen der Warten stünde das klevische und lippische Wappen. Die Stadt verschließe die Schlagbäume. Mithin sei alles, was die Landwehr umschlösse, lippische Gesamthoheit.[Kreis Soest, S. 39]

Dieser Grenzstreit zwischen Westernkotten und Lippstadt hat sich übrigens bis ins 18. Jahrhundert hingezogen. [Dalhoff, S. 95]

2.3.               Rekrutierung von Soldaten

Bereits zu Beginn des 30jährigen Krieges muß es in unserem Raum zur Rekrutierung von Soldaten, wahrscheinlich für den Böhmischen Krieg, gekommen sein. Dazu findet sich ein Hinweis in den Rüthener Kämmerei-Registern [solche mit Bezügen zu Westernkotten wurden mir dankenswerter Weise von Herrn Franz Jungmann zur Verfügung gestellt]. Dies ist ein Ausgabenverzeichnis der Rüthener Stadtkasse. Darin heißt es für 1618/19: „Botenlohn: Einem Studenten, der die Verzeichnisse der ausgenommenen Soldaten nach dem Westernkotten an Henrich von Caßell gebracht …4 Schilling.“

2.4.               Christian von Braunschweig

Als die Protestanten 1620 in Böhmen vernichtend geschlagen wurden, setzten Söldnerführer für den vertriebenen Böhmenkönig fort. Unter ihnen der junge Christian von Braunschweig, Bruder des in Wolfenbüttel regierenden Herzogs, allgemein bekannt unter dem Namen „Der tolle Christian“.

Mit holländischen Hilfsgeldern rekrutierte er in Niedersachsen eine Armee, der er versprach, sie durch die Ausplünderung der geistlichen Gebiete reichlich zu entlohnen nach dem Motto: Der Krieg ernährt den Krieg.

Am 30. Dezember 1621 fielen Christians zuchtlose Scharen mit 2000 Reitern und 800 Mann Fußtruppen [Fahlbusch S. 462] in das Paderborner Hochstift, die Warburger Börde, ein. Am 2. Januar 1622, mit der Hauptarmee genau am 4. Januar, besetzten sie Lippstadt, das dem Söldnerführer wohl freiwillig die Tore geöffnet hatte. „Christians folgende Politik war darauf gerichtet, von dieser strategisch günstig in die Bistümer Paderborn und Münster sowie in das kurkölnische Westfalen zielenden Stadt aus weitere Truppen zu werben, besonders aber aus dem Land möglichst hohe Summen für die Kriegsführung des nächsten Frühjahrs zu erpressen.“ [Fahlbusch S. 462]

Drei Wochen später besetzten die Truppen Soest, wo der dorthin transportierte Paderborner Domschatz in ihre Hände fiel. Auch Paderborn fiel in die Hände Christians, den Dom beraubte er aller Kostbarkeiten, der Silberschrein mit den Reliquien des Diözesanpatrons, des heiligen Liborius, wurde zu Talern umgeschmolzen, die die Aufschrift trugen: Gottes Freundt, der Pfaffen Feindt.

[Abb.VI und VII: Christian von Braunschweig]

Zur Vertreibung des tollen Christian hatte Kurfürst Ferdinand von Köln Truppen der Liga unter dem Kommando des Grafen von Anholt zur Hilfe gerufen, die ab März in unserem Raum im Einsatz waren, aber zunächst nicht den offenen Kampf wagten und selbst nicht vor Plünderungen zurückschreckten. Ein Teilerfolg gelang ihnen, als Geseke unter Leitung des Unterführers Dietrich Othmar von Erwitte zurückerobert wurde und vom 6.-12. April vier Sturmangriffe der Truppen Christians abwehrte.

Enttäuscht über diese Niederlage ließ Christian Westernkotten, Erwitte, Altengeseke, Altenrüthen und Overhagen plündern und anzünden. In einem zeitgenössischen Bericht dazu heißt es: „Und was selbigen Tags nicht verbrannt, verderbt oder verheert werden konnen, ist in eilf [elf] continue nacheinander folgenden Tagen binnen der Lippstadt, Erwitte und Westernkotten gelegenen Reuterei bis solange dieselben beiden Dörfer gleichfalls angezündet und die ganze Reuterei nachher den Lippstadt, Soest, Salzkotten und Paderborn abgefudert worden, ohn einig intervallum nachgeholet, geraubt und weggeführt.“ [Dalhoff, S.144] Westernkotten hatte zu dieser Zeit schätzungsweise etwa 800 Einwohner in etwa 150 Hausstätten [aus den Schatzungsregistern von 1563 und 1685 ermittelt; 1648 läßt die Gemeinde den Kurfürst wissen, daß „unssere Gemeinde zimblich volckreich ist und die in Erwitte übertrifft“; zitiert nach Dalhoff S. 145].

Im Mai 1622 zog Christian mit seinen Truppen in Richtung Süden ab, und mit der Niederlage des Braunschweigers gegen die Ligatruppen unter ihrem Oberbefehlshaber Johann Graf von Tilly am 6. August 1623 bei Stadtlohn war der sog. Böhmische Krieg zu Ende.

In unserem Raum kehrten weithin die früheren Verhältnisse zurück. Nur in Lippstadt hielt sich noch bis ins folgende Jahr eine niederländische Garnison, die erst am 2. November 1623 nach fast zweimonatiger Belagerung und Beschießung durch spanische Truppen unter dem Grafen Johann von Ostfriesland-Rietberg abzogen [Teske S. 14; Fahlbusch S. 463-464].

Wahrscheinlich marodierten in dieser Zeit aber auch spanische Ligatruppen in unserem Raum. So heißt es in den Rüthener Kämmereiakten für 1622/23: „An die gefangenen spanischen Soldaten, und die sie wieder abgeholt, aufgewendet: Johan Brummer, daß er ihr Gewehr nach dem Kotten gefahren…1 Reichsthaler.“

In Zusammenhang mit der Rückeroberung Lippstadts wird auch noch einmal Westernkotten genannt. So schreibt der Kapitän Hermann von Spieß, der an der Belagerung Lippstadts beteiligt war, am 13. November 1623 an die Stadt Soest, er sei mit dem Kriegsvolk in Westernkotten angelangt und werde mit Mevens Kompanie wieder in Soest in Garnison liegen, weil hier – also wohl in Westernkotten und vor Lippstadt –  große Unannehmlichkeiten mit den Kranken aus anderen Kompanien seien. Er wünsche, dass die Stadt Soest einige Abgeordnete zu ihm schicke, um Verpflegung und Unterkunft zu besprechen [Kreis Soest, S. 139].

Die Ligatruppen mußten in dieser Zeit auch verpflegt werden. Zur Eintreibung der Kontributionen saß ein Kommissar auch in Westernkotten. So heißt es in den Rüthener Kämmereiakten für 1624/25: „Johan Craeßis und Thonis von Collen [Köln], den Commissario zu den Kotten, das Korn geliefert, verzehrt …2 ½ Reichsthaler.“

3.        Die Kriegsjahre 1625-1630 (Dänisch-Niedersächsischer Krieg)

3.1. Ruhigere Zeiten

In den folgenden Jahren wurde unser Raum wie das gesamte Westfalen zum Nebenschauplatz des Krieges. Durch den Beginn des sog. Dänischen Krieges – Dänemark trat 1625 in den großen Krieg ein – verlagerte sich das Kriegsgeschehen hauptsächlich nach Niedersachsen.

„Die Hauptbelastung durch den Krieg bestand in wiederholten Einquartierungen kaiserlich-ligistischer Truppen. Die Bürger mußten die Soldaten aus verschiedenen Ländern Europas in ihren Häusern aufnehmen und sie mit dem sog. Servis, d.h. Unterkunft, Bett, Licht, Salz und Feuer, versorgen. Dabei führten viele Soldaten Frau, Kinder und Gesinde mit sich. Da die Söldner aufgrund rückständiger Soldzahlungen meistens nicht in der Lage waren, den Lebensunterhalt zu kaufen, regelten sog. Ordonnanzen die weitere Leistung an Naturalien und Geld. Trotz solcher Maßregeln blieben aber Übergriffe und Spannungen nicht aus. Zusätzlich wurden immer wieder aus benachbarten Garnisonen oder von durchziehenden Verbänden Kontributionen gefordert.[Teske S. 14] Auch veranstalteten die durchziehenden Truppen immer wieder Werbungen. Vor allem Knechte und ausgeplünderte Bauern folgten solchen Aufrufen zur aktiven Kriegsteilnahme.

3.2. Dr. Horn als Verbannter in Westernkotten

Nach der Eroberung Paderborns setzte Christian von Braunschweig den Dr. jur. Heinrich Horn als leitenden Verwaltungsbeamten ein. Horn war somit auch für die Gewalttätigkeiten der Truppen Christians gegen die katholischen Bürger verantwortlich. Nach Rückeroberung wurde Dr. Horn verhaftet und zum Tode verurteilt; vom Kurfürst begnadigt, aber verbannt, ließ er sich 1624 in Westernkotten nieder, wo er sich als Advokat betätigte. Westernkotten hat er wahrscheinlich als Verbannungsort gewählt, weil er schon vorher persönliche Beziehungen zum dortigen Paderborner Amtsgericht hatte [vgl. ausführlicher Dalhoff, S. 144, dort auch weitere Literaturangaben].

3.3. Erneuerung des kath. Glaubens in Westernkotten und Beginn des Kampfes um Loslösung von der Mutterpfarrei Erwitte

Die ruhigeren Kriegsjahre boten auch Gelegenheit, die Festigung des katholischen Glaubens in Westernkotten voranzutreiben. „Dass die Reformation in Erwitte und Westernkotten einen großen Einfluß gehabt haben muß, besagt ein Visitationsprotokoll aus dem Jahre 1612, welches vermerkt, ‚dass alle Adligen, mit Ausnahme von Landsberg und Ense, sich der heiligen Kommunion enthalten.‘ Und als ‚Häretiker‘ bezeichnet 1619 Pastor Jodocus Voget die beiden Doctores juris Heinrich, Conrad Borchardts und Petreius, ferner Adrian Borchardts, Dorfrichter in Westernkotten, Andreas Kerckhoff, Franz Bangh, Rembert Hense, Fritz Bredenol…‘ Des Irrglaubens verdächtig ist ‚der Adlige Ense mit seiner Dienerin Christine.‘ Auch die im Jahre 1627 in Westernkotten durch den Paderborner Offizial Eilingh unternommene Visitation der Westernkötter Kapelle diente wohl der Erneuerung und Festigung des katholischen Glaubens. Einen Eindruck von den konfessionellen Auseinandersetzungen in Westernkotten spiegelt eine im Jahre 1630 abgefaßte Erklärung wieder, in der die Westernkötter bemerken, dass wegen ihr vielfachen Handelsbeziehungen zu dem nahen Lippstadt ihre Einwohner vielfach auf den Sonn- und Feiertagen nach Lippstadt gingen und dadurch religiös gefährdet würden, da sie leicht zu verleiten seien. Sie weisen besonders darauf hin, dass ‚in vorigen Jahren‘, als die ‚Ketzerey schier die Oberhand gehabt hätte‘, ihre Dorfschaft ‚mehrenteils‘ von dem benachbarten und ganz nahe gelegenem Lippstadt ‚inficyret‘ worden sei. Mit nicht geringer Mühe und mit vielem Fleiß seien die eingesessenen Westernkötter zur katholischen Lehre zurückgekehrt.“ [Dalhoff, S. 99]

Die Westerkötter Kapelle war im übrigen eine Eigenkirche des Paderborner Bischofs. Sie stand auf Paderborner Grund und Boden, während die Pfarrei Erwitte zum Bistum Köln gehörte. So wurden 1613 und 1628 kölnischen Visitatoren die Rechnungen der Westernkötter Kapelle nicht vorgelegt [Wand, S. 282]. In die Zeit des Dänisch-Niedersächsischen Krieges fällt sodann der Beginn des Kampfes der Westernkötter um ihre Unabhängigkeit von der Mutterpfarrei Erwitte. Dieser Kampf, der erst 1902 mit der Errichtung der Pfarrei Westernkotten seinen Abschluß fand, beginnt mit einer Eingabe der Eingesessenen von Westernkotten vom 29.1.1630 an den Kölner Erzbischof, in der sie unter anderem auf die Stärkung des katholischen Elements und die Verhinderung protestantischer ‚Infizierung‘ durch einen eigenen Vikar für Westernkotten hinweisen [vgl. dazu und zum weiteren Verlauf: Wand, S. 283ff.].

3.4. Hexenwahn in Westernkotten

Die allgemeinen Kriegswirren, die verhältnismäßig ruhige Zeit in der 2. Hälfte der 1620er Jahre, wirtschaftliche Mißstände, die Suche nach Sündenböcken und der religiöse Eifer gerade vieler Juristen waren entscheidende Voraussetzung für die schlimmste Welle von Hexenverfolgung, die das Herzogtum Westfalen je erlebte. Für das kurkölnische Sauerland, das damals nur wenig mehr als 100 000 Eiwohner hatte, werden mindestens 650 Hinrichtungen geschätzt [vgl. die diversen Arbeiten von Rainer Decker; u.a. in: Westf. Schieferbergbaumuseum 1998, S. 65-68].

In Westernkotten wurde 1629 Hermann Gusties wegen Zauberei zum Tode verurteilt und hingerichtet, im Dezember 1630 der Erwitter Pfarrer Jodocus in Lippstadt wegen Zauberei auf dem Scheiterhaufen verbrannt [vgl. dazu Decker 1981/82, S.368]. Allein in Lippstadt sind innerhalb von drei Monaten im Jahre 1630 29 Personen wegen Hexerei und Zauberei öffentlich hingerichtet worden [Dalhoff, S. 142; Fahlbusch S. 464]. Eine besondere Bedeutung als sog. Hexentanzplatz hatte in dieser Zeit die Flur zwischen Lippstadt und Westernkotten „Auf der Suke“.

Erst Eingriffe der Obrigkeit oder kriegerische Ereignisse, die vor allem das Justizwesen lahmlegten, sowie das Auftreten des großen westfälischen Kämpfers gegen den Hexenwahn, Friedrich Spee von Langenfeld, machten diesem schrecklichen Unwesen ein Ende.

4.        Die Kriegsjahre 1630-1648 (Schwedischer und Schwedisch-französischer Krieg)

4.1.               Schweden tritt in den Krieg ein; Hessen im Hellwegraum

Die vollständige Niederlage des Dänenkönigs Christian im Dänischen Krieg, das Vordringen der Ligatruppen bis an die Ostsee und die Bestrebungen Kaiser Ferdinands II. zur Rekatholisierung riefen den Schwedenkönig Gustav Adolf ins Reich, der am 6. Juli 1630 am Südufer der Ostsee landete. Einem seiner Verbündeten, Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, wies er 1631 das östliche Westfalen als Quartiergebiet zu. Im Laufe des Jahres 1632 ging Wilhelm daran, seine Stellungen nach Westfalen vorzuschieben. Als wichtigen Stützpunkt hatte er Lippstadt im Auge, dass aufgrund von Neutralitätsvereinbarungen seit April 1631 truppenfrei war. So heißt es in einem Schreiben des Lippstädter Magistrats an Graf Simon zur Lippe vom 11. August 1632, dass der hessische Obrist Jacob Mercier Lippstadt mit 200 Mann belegen will und Erwitte und Westernkotten in Brand stecken will.[Kreis Soest, S. 57] Dieser hessische Obrist, von den Einheimischen allgemein „Kleiner Jacob“ genannt, muß tatsächlich in Erwitte und Westernkotten in übelster Weise sein Unwesen getrieben haben. So heißt es über die Kriegszerstörungen in Erwitte in einer Eingabe von 1648: „Wie sollte bei einer solchen Absonderung [gemeint ist die gewünschte Loslösung der Westernkötter von der Mutterpfarrei Erwitte] der so gewaltige Tempel [Sankt Laurentius in Erwitte], der schon lange durch feindliches Feuer abgebrannt ist und so furchtbar verwüstet ist, daß er zur Zeit ‚Kleiner Jacob‘ genannt wird, reparirt werden…?…Wer wird dem so jammervoll verwüsteten Gotteshause eine neue Monstranz geben, da keine vorhanden ist, sondern von dem ‚Kleinen Jacob‘ alles weggeschafft ist?“ [Wand, S. 286]

An diese schlimme Zeit unter den hessischen Invasoren erinnert in Westernkotten ein altes Lied, das in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch die Westernkötter Jungen beim Schnitzen von Flöten aus Weidenzweigen sangen:

Sippe, sappe, säune,

Vater is in de Näone [=Mittagsruhe],

Kättken sprang opet Mühlenrad,

fratt sick Sup und Siupen satt.

Kam de lange Hesse,

met en schapen Messe,

schnitt dat Kättken’t Ohr aff,

Boart aff,

Stump fuirt Staetken hiär.

[Peters, S. 452; etwas anderer Text: vgl. Westf. Schieferbergbaumuseum, S.176]]

Ende 1633 – das Hochstift Paderborn mit seiner Hauptstadt war erobert, Geseke und Rüthen sowie Werl, Unna, Dortmund, Haltern; Dülmen, Coesfeld und Dorsten eingenommen – schloß Lippstadt einen Vertrag mit dem hessischen Landgraf, der in Lipperode Quartier bezogen hatte, und die Stadt nahm eine hessische Besatzung auf [Fahlbusch S. 466]. Sofort danach ergaben sich auch Lünen, Soest und Hamm. Lippstadt wurde aufgrund seiner strategisch günstigen Lage zu einem der wichtigsten Stützpunkte der Hessen in Westfalen, die Stadtbefestigungen ausgeweitet. Landgraf Wilhelm und seine Frau Amalie Elisabeth nahmen mehrmals für längere Zeit ihren Aufenthalt in Lippstadt. Insgesamt waren in Westfalen wohl ca. 3200 Mann hessische Kavalerie und ca. 5600 Mann Fußtruppen.

Die südlicher gelegenen Städte wie Rüthen beobachteten aufmerksam das Treiben der Hessen. In den Rüthener Kämmereiakten heißt es 1633/34: „Herman Kleinschmidt hat von dem Kotten [Westernkotten] vom hessischen Kriegsvolk Kundschaft gebracht, an Geld, Essen und Trinken verehrt worden…14 Schilling 2 Pfennig.“

Dann bekamen die Kaiserlichen wieder Oberwasser. Der Zug des kaiserlichen Heeres unter dem Grafen Götz im Sommer 1636 entlang des Hellwegs brachte die Hessen in kurzer Zeit um den Besitz ihrer meisten Stützpunkte. Lediglich das Festungsdreieck Lippstadt, Dorsten und Coesfeld konnte gehalten werden. [Fahlbusch S. 466]

•4.2.               Die Pest in Westernkotten

Den Höhepunkt der Leiden im 30jährigen Krieg bildete  1635/36 eine schwere Pestepidemie, die vermutlich von Soldaten eingeschleppt worden war.

Die Pest wurde 1347 vom Orient aus in die Mittelmeerhäfen eingeschleppt und gelangte durch den Fernhandel bereits 1350 auch Westfalen. Von da an hat sie in immer wiederkehrenden Epidemien bis ins 17. Jahrhundert hinein Tod und Verderben über das Land gebracht.

Die Menschen konnten damals nicht ahnen, dass die Ratten in den Häusern, die wie selbstverständlich über den Geitreideboden huschten, im Strohdach oder im Lehmfachwerk einnisteten, die Überträger des Pesterregers, des Bakteriums „Yersina pestis“ waren. Die Ratten trugen Flöhe mit sich herum. Wenn diese das Blut eines erkrankten Tieres saugten, nahmen sie damit den aggressiven Pesterreger mit auf. Mit ihrem ersten Biß bei einem Menschen übertrugen sie die tödliche Infektion.

Durch die Flohbisse wurden Schwellungen der Lymphknoten an den Leisten-, Achsel- und Halsdrüsen hervorgerufen, die sog. Beulenpest. Die Menschen spürten zwei bis fünf Tage nach der Ansteckung Schmerzen und es bildeten sich Beulen, aus denen dunkler Eiter floß. Daher auch der Name „Schwarzer Tod“ für diese Pest. Wenn das Blut dann mit Pestbakterien überschwemmt war, kam es zur Erkrankung der Lunge und zur sog. Lungenpest. Diese konnte dann durch Tröpfcheninfektion leicht von Mensch zu Mensch übertragen werden [vgl. Heinemann].

[Abb VIII: Pestbeulen]

Die Pest in Westernkotten 1635 ist vielfach beschrieben und erläutert worden [vgl. u.a. Dalhoff 1987]. Erinnert sei nur an den eigenen Pestfriedhof südlich der Josefslinde, den Peststein im Muckenbruch und natürlich das bis heute jährlich wieder begangene Lobetagsfest zur Erinnerung an die Errettung aus der Pest 1635.[Eine darüber hinausgehende detailliertere Darstellung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.]

Hinzuweisen ist aber noch darauf, dass sich die Pest in Westernkotten 1635 in eine regelrechte Epidemie in den Jahren 1635/36, die weite Teile Deutschlands erfaßte, einreihen läßt. So für unseren Raum etwa in Soest 1635 [vgl. Heinemann, S. 33/34] und in Geseke, wo sie im Juni 1635 begann und 600 Menschenleben kostete [vgl. Bruns S.169; in: Westf. Schieferbergbaumuseum 1998]

In den Rüthener Kämmerei-Registern finden sich zwei Einträge, die mittelbar mit der Pest in Westernkotten in Verbindung stehen könnten. So heißt es 1635/36: „Brüchte [Strafgeld]: Jost Fricke von den Westernkotten, ein Reiter, hat sich einer eigentätlichen Pfandung in der Stadt unterstanden, bestraft ad …1 Reichsthaler.“ Und „Botenlohn: Johann Henke mit Dr. Happe und Henniche Rhamm nach dem Westernkotten gewesen … 6 Schilling.“ Es ist denkbar, dass der Jost Fricke vor der Pest fliehen und sich in Rüthen ansässig machen wollte. Ebenso ist zu vermuten, dass der Dr. Happe in Westernkotten bei der Pestbekämpfung helfen wollte oder sollte.

[Abb. IX]

•4.3.               Die letzten Kriegsjahre

Die zweite Hälfte der 30er Jahre war nach dem Scheitern Wilhelms und seinem frühen Tod 1637 von Verhandlungen und Waffenstillständen geprägt, bis Wilhelms Witwe Amalie im Bündnis mit Frankreich und mit Unterstützung der Schweden den Kampf wieder aufnahm. So wurde 1640/41 Westfalen noch einmal stärker in das Kriegstreiben einbezogen, in den Jahren danach geriet es aber wieder zu einem Nebenschauplatz.

So begann sich die Lage ein Stück weit zu normalisieren, wenngleich immer noch Kontributionen und Ehrengeschenke, die Militärführer milde stimmen sollten, zu zahlen waren. So heißt es in den Rüthener Kämmerei-Registern 1636/37 unter anderem: „Wittib [Witwe] Jost Bungeners ein Ohm Wein nach dem Cotten gefahren… 27 Schilling.“ Dabei mußten sich die Städte und Dörfer oft Geld leihen und hoch verschulden.

Im Jahre 1638 liehen sich die Eikeloher bei Adrian Gott gt. Krüggel aus Westernkotten 250 Reichstaler [Schulte Beerbühl S. 42]. Bereits am 6.12. 1636 hatten sie 3 Morgen pacht- und zehntfreies Land an denselben für 70 Reichstaler verkauft.                                                            [Abb. X und XI]

Die Westernkötter selbst mußten sich am 17. Mai 1646 vom hessischen (!) Rittmeister Rembert Roßkamp in Lippstadt 100 Reichstaler leihen, um eine schwedische Salvagardia [=Schutzwache] sowie eine laufende Kontribution abzuzahlen [Dalhoff, S. 146]. Die Darlehensurkunde ist von den Westernköttern Seebant, Johannes Buchholtz, Johan Hensen, Fritze Bredenolt und Johan Rige unterschrieben.

•5.        Westernkotten nach Beendigung des 30jährigen Krieges

•5.1.               Auswirkungen des Friedens von Münster und Osnabrück

Im Sommer 1643 begann in Münster und Osnabrück der Westfälische Friedenskongress. Am 24. Oktober 1648 wurden endlich die Friedensverträge von Münster unterzeichnet. Von den Vereinbarungen betreffen vor allem drei den Hellwegraum:

  • a) Die Hessen mußten sich gegen eine Entschädigung von immerhin 600 000 Rtl. aus allen Gebieten Westfalens bis 1650 zurückziehen
  • b) Den schwedischen Truppen wurde eine Entschädigungssumme von 5 Mio. Rtl. zugesprochen, die aber auf fast das ganze Reich umgelegt wurde.
  • c) Die konfessionellen Besitzstände wurden auf den Zustand am 1. Januar 1624, dem sog. Normaljahr, festgeschrieben.

Es gelang im hiesigen Raum unter schweren Mühen, die vereinbarten Gelder aufzubringen, so dass der Truppenrückzug einigermaßen geordnet und ohne größere Übergriffe entlassener Soldaten vollzogen werden konnte. Die letzten hessischen Truppen zogen allerdings erst 1652 aus Lippstadt ab [Teske S. 18].

Der klevische Erbfolgestreit [vgl.1.4.] endete erst 1666: Im Vertrag von Kleve trat Brandenburg die Rechtsnachfolge in der Grafschaft an und wurde so neben dem Grafen von der Lippe auch zweiter Landesherr von Lippstadt. Lippstadt wurde fortan zur stärksten Festung Westfalens ausgebaut.

5.2.Verschuldung des Gogerichts Erwitte

Im Jahre 1650 war das Gogericht Erwitte, zu dem Westernkotten gehörte, so verschuldet, dass Pacht- und Steuerzahlungen nicht mehr pünktlich entrichtet werden konnten, „sinthemalen die armen Leute an platz verhoffter Linderungh dermaßen beschwert werden, daß auch hiesigem Gogericht von den in Rüden [=Rüthen] liegenden Schwedischen fast alle Monath 1000 Reichsthaler Executionsgelder aufgetrieben worden…“[Dalhoff S. 146].

Auch im Jahr 1651 mußte man den Hessen noch erhebliche Summen zahlen; 1000 Reichstaler mußte sich das Gogericht bei der Witwe Rotgers von Hörde leihen [ebd.]. Teilweise hat sich die Rückzahlung der Schulden bis ins 19. Jahrhundert hingezogen.

Quellen und Literatur:

  • – Bruns, Alfred (Bearbeiter), Tagebuch der truchsessischen Wirren im Herzogtum Westfalen 1583/84; Landeskundliche Schriftenreihe für das kurkölnische Sauerland 7, 1987
  • – Decker, Rainer, Die Hexenverfolgung im Herzogtum Westfalen; in: Westfl. Zeitschrift 131/132 (1981/82), S. 339-386]
  • – Ehbrecht, Wilfried, Lippstadt. Beiträge zur Stadtgeschichte, Lippstadt 1985; darin die Aufsätze von Remling, Junk/Wenger und Fahlbusch
  • – Friedrich-Verlag (Hg.) Geschichte lernen: 1648; Heft 65, September 1998
  • – Heinemann, Klaus, Der schwarze, unheimliche Gast. Im mittelalterlichen Soest forderte die Pest hohe Opfer; in: Heimatblätter für Geschichte, Kultur und Brauchtum im Kreise Soest; Jahrbuch 4, Soest 1990, S.30-34
  • – Kämmerei-Register im Stadtarchiv Rüthen [Freundliche Mitteilungen von Herrn Ulrich Grun; zusammengestellt von Franz Jungmann]
  • – Kreis Soest (Hg.): Der Dreißigjährige Krieg im Kreis Soest, Soest 1997
  • – Marcus, Wolfgang u.a. (Hg.] Bad Westernkotten. Altes Sälzerdorf am Hellweg. Lippstadt 1987, darin die Aufsätze von Dalhoff, Wand und Peters
  • – Westf. Schieferbergbau- und Heimatmuseum Schmallenberg-Holthausen (Hg.), Dreißigjähriger Krieg im Herzogtum Westfalen, Balve 1998; darin unter anderem Aufsätze von Decker und Bruns
  • – Schulte Beerbühl, Hubert, Eikeloh. Ein Dorf am Hellweg 836-1986,, Münster 1986
  • – Teske, Gunnar, Historische Einführung; in: Kreis Soest (Hg.) Der Dreißigjährige Krieg im Kreis Soest, Soest 1997, S. 11-18
  • – Westfälisches Landesmuseum (Hg.); Köln-Westfalen 1180-1980, Lengerich 1980; darin die Aufsätze von Kohl und Lahrkamp

Text zu den Abbildungen:

  • I. Politische Zersplitterung des Hellweg-Raumes im 30jährigen Krieg.
  • II. Gebhard Truchseß von Waldenburg, Kölner Fürstbischof, Kupferstich
  • III. Fürstbischof Ernst von Bayern, Landesherr des Herzogtums Westfalen von 1583-1612; zeitgenössischer Kupferstich
  • IV. Fürstbischof Ferdinand von Bayern, Landesherr des Herzogtums Westfalen von 1612-1650; unter ihm wurde Westernkotten weiter befestigt
  • V. Grenzraum zwischen Lippstadt und Bad Westernkotten (am südlichen Kartenrand). Der Schanzenweg verläuft heute durch das gleichnamige Industriegebiet
  • VI. Herzog Christian von Braunschweig (1599-1626). Er zerstörte 1622 Westernkotten aus Rache für seine Niederlage vor Geseke; zeitgenössisches Gemälde
  • VII. Christian von Braunschweig in seinen letzten Lebensjahren, zeitgenössischer Kupferstich
  • VIII. Zur Linderung von Schmerzen wurden Pestbeulen im 30jährigen Krieg aufgeschnitten
  • IX. Die Schrecken des Krieges zeigen anschaulich die Radierungen von Hans Ulrich Franck (1603-1675); dieses Bild trägt den Titel: Der nächtliche Überfall
  • X. H. U. Franck: Die beiden Landsknechte erobern das Dorf; Radierung von 1643
  • XI. H.U. Franck: Der geharnischte Reiter; Radierung 1643