1998: Der Kirchturm von Bad Westernkotten

von Wolfgang Marcus, Bad Westernkotten

Erstabdruck: Heimatblätter 1998, S. 108ff.

Vorbemerkungen

Der Turm der Pfarrkirche Sankt Johannes/Evangelist war für die Menschen in Bad Westernkotten immer von besonderer Bedeutung  und ist es heute noch. Nicht nur von der Höhe ist er der Mittelpunkt des Ortes. In seinem Schatten befinden sich wichtige Zentren, so die katholische Kirche Sankt Johannes Evangelist, das evangelische Paul-Gerhardt-Haus – bis vor 25 Jahren noch Volksschule – gegenüber das Ehrenmal mit den eingemeißelten Namen der Gefallenen und Vermißten der Weltkriege.

Und der Kirchturm hält bis heute über die Glocken den Kontakt zu allen Bewohnern des Ortes. Wird auch nicht mehr wie früher der „Engel des Herrn“ im Feld gebetet, wenn es zwölf Uhr mittags ist, so erzählen die Glocken doch auch heute noch viel aus dem Leben der Gemeinde: Gottesdienste, aber auch Taufen, Eheschließungen und Todesfälle werden durch die Glocken „verkündet“.  So war und ist der Turm Bindeglied zwischen den Menschen unseres Ortes und treuer Begleiter in Freud und Leid.

Zur Baugeschichte

Eindrucksvoll empfängt der 26 Meter hohe Turm der alten Dorfkirche den Besucher des Kirchplatzes in Bad Westernkotten. Die dazugehörige ehemalige Kirche in Westernkotten, eine Renaissancekirche mit Übergang zum Barock, erbaut zwischen 1508 und 1532, stammte aus der 1444 zerstörten Siedlung Ussen, die etwa im Bereich der Bökenförder Warte gestanden hatte.

Diese alte Kirche wurde 1976 abgerissen und mußte der neuen Kirche weichen. Einzig der Turm ist stehengeblieben.

Der Turm hat wahrscheinlich Ende des 17. Jahrhunderts seine heutige Form bekommen, denn am 3. August 1691 brach in Westernkotten ein großer Brand aus, mehr als 100 Häuser und Salzhütten fielen den Flammen zum Opfer. Mit ziemlicher Sicherheit ist damals auch die erste Westernkötter Kirche mit dem ursprünglichen Turm bis auf die Grundmauern abgebrannt; denn nach den als Zahlen ausgebildeten Ankern an der Westseite des Kirchturms ist dieser im Jahre 1699 neu errichtet.

Als 1882/83 die Kirche vergrößert wurde, errichtete man an der Nord- und Südseite des Turms auch Anbauten mit Pultdächern. Diese Anbauten sind 1976 beim Abriß der alten Kirche und der anschließenden Renovierung des Turms wieder entfernt worden.

Das barocke Turmportal an der Westseite des Turms ist rundbogig mit Pfeilereinfassung. Es ist im Jahre 1913 genau nach dem alten Vorbild erneuert worden.

Die Inschrift über dem Portal lautet: „In honoreM DIVI IoannIs eVangeLIstae patronI VVesterkottenses pIe eXtrVI feCerVnt = Zu Ehren den heiligen Evangelisten Johannes, des Kirchenpatrons, haben die Westernkötter diese Kirche in Demut errichtet.“ Das Chronistikon (Summe der als lateinische Zahlen ausgewiesenen Großbuchstaben) weist ebenfalls auf das Baujahr 1699 hin.

Über dem Portal steht in einer Figurennische in einer Muschel das in Sandstein gehauene Bild des Kirchenpatrons, des Evangelisten Johannes, in wallendem Gewand mit einem Kelch in den Händen. Der Schlußstein des eigentlichen Portals zeigt einen Engelskopf, darunter ein Wappen. Ursprünglich als Wolfsangel gedeutet ist man sich heute sicher, daß es sich um einen Sälzer-

oder Pfannenhaken handelt, einen Haken, mit dem einst die Salzpfannen über dem offenen Feuer aufgehängt waren. Dieser Pfannenhaken wurde auch im Salinensiegel geführt. Da die Sälzer die großen Gönner der Kirche waren, ist es nachvollziehbar, daß ihr Wappen in das Portal der Kirche eingearbeitet wurde.

Der Pfannenhaken war seit 1936 auch Wappen der Gemeinde und ist seit der kommunalen Neuordnung Teil des Wappens der Stadt Erwitte. In der Genehmigungsurkunde ist das Wappen wie folgt beschrieben:“Das Wappen zeigt in Rot ein goldenes, hausmarkenähnliches Zeichen in der Form eines schwebenden Schräglinksbalkens, der in der Mitte mit einem kurzen Querbalken belegt ist und dessen Enden (oben nach links, unten nach rechts) im spitzen Winkel umgebogen sind.“

Auf der anderen Seite des Turmes, der Ostseite, sieht man den zugemauerten Bogen, der von der Orgelempore aus das alte Kirchenschiff umfaßte. Diese alte Kirche reichte mit ihrem Chorraum bis an das heutige Pfarrhaus, das den Ostrand des Kirchengeländes markiert.

Die neue katholische Pfarrkirche Sankt Johannes/Evangelist entstand in den Jahren 1974-76 nach Entwürfen des Warsteiner Architekten Heinrich Stiegemann. Es ist eine dreischiffige Hallenkirche mit einer rechtwinklig angebrachten Seitenkapelle, aus Stahlbeton erbaut und mit Anröchter Dolomitbossen verkleidet.

Eine grundlegende Renovierung des Bad Westernkötter Kirchturms fand im Jahre 1997 statt. Zum Turmfest am 25. Mai 1997 war das ganze Gebäude bereits eingerüstet. Für ca. 100 000 DM wurde der Dachstuhl erneuert, eine neue Schieferverkleidung angebracht sowie der Glockenstuhl saniert. Der Hahn auf der Spitze wurde wetterfest gemacht und fand am 4. August 1997 vergoldet wieder seinen Platz auf der Turmspitze.

Die Marienkapelle im Kirchturm

Das Innere des Kirchturms gestaltete die Pfarrgemeinde 1979 zu einer Mutter-Gottes-Kapelle um. Dort steht eine wertvolle Pietá von 1780. Die Fenster im Turm, von dem Essener Künstler Nikolaus Bette gestaltet, zeigen: Mariä Verkündigung, Mariä Heimsuchung, die Geburt Jesu und die Verehrung Jesu und seiner Mutter durch die Heiligen Drei Könige.

Eine grundlegende Renovierung der Marienkapelle soll um die Jahreswende 1997/1998 erfolgen. Nach einem Ortstermin am 17.9.1997, an dem unter anderem  Dr. Ruhnau vom Erzbischöflichen Generalvikariat und Herr Farnsworth von der oberen Denkmalbehörde in Münster teilnahmen, wurde diverse Einzelmaßnahmen beschlossen. So muß die Pieta dringend renoviert und neu ausgeleuchtet werden. 2 neue Bänke sollen in den Seitenbereichen untergebracht werden, so dass die Pieta besser in den Blick kommt. Ein neuer Innenanstrich sowie Verbesserungen im Türschwellen- und Fußbodenbereich sind ebenfalls vorgesehen.

Möglich geworden ist diese Maßnahme durch eine äußerst großzügige Spende des Lippstädter Verlegers und Herausgebers der „Heimatblätter“, Herrn Reinhard Laumanns senior. Ein ganz herzliches Dankeschön auch von dieser Stelle!

Die Glocken

Die Westernkötter Kapelle mit dem Glockenturm hatte im 30jährigen Krieg sehr gelitten. Mit ziemlicher Sicherheit ist in den Kriegswirren auch die ursprüngliche Glocke der Kapelle zerstört oder geraubt worden. Denn am 11. Juli 1647 weihte der Paderborner Weihbischof Bernard Frick eine neue Glocke für die Westernkötter Kapelle auf dem Kirchhof in Erwitte [Heimatbuch von 1987, S. 282]. Es war eine Bronzeglocke, die dem Kirchenpatron, dem Evangelisten Johannes, geweiht war.

Diese Glocke wurde im August 1767 von dem Saarburger Glockengießer Stocky eingeschmolzen und neu gegossen. Die lateinische Inschrift dieser Glocke lautete in der Übersetzung: „Die zu neuem Leben erwachte Glocke möge dem Evangelisten Johannes, unserem alten Patron, ein Übermttler sein und ohne Ende tönen, ferner einen langen Frieden uns schenken.“[ebd. S.290]

Ob schon zu dieser Zeit weitere Glocken im Kirchturm ihren Dienst taten, ist nicht genau zu ermitteln. Auf jeden Fall zählt ein Inventarverzeichnis der politischen Gemeinde aus dem Jahre 1835 „3 Glocken auf dem Kirchturm“ auf [ebd. S.165].

1841 wurde unter Vikar Johann Helle eine Glocke durch eine neue ersetzt, die Maria geweiht war und von den bekannten Glockengießern „Petit und Edelbrock“ in Gescher gegossen worden war [ebd. S.293]. Die Inschrift lautete: „Sancta Maria, ora pro nobis. Petit und Frt. [=Brüder] Edelbrock me fecerunt 1841.“

Am Lobetagsfest 1870 zersprang  die andere kleine Glocke. Der Gemeinderat von Westernkotten beschloß am 30.3.1871 mit „Petit und Edelhoff“ in Kontakt zu treten. Die von dieser Firma gelieferte Glocke hat dann im Ton aber zuerst nicht zu den anderen gepaßt. Nach dem Gemeinderatsprotokoll vom 6.11.1871 hat die Firma sie aber wenig später anstandslos ausgetauscht und 25 Taler Entschädigung gezahlt [ebd. S. 174/175] Sie trug die Inschrift: „Gegossen für die Gemeinde Westernkotten von Petit und Edelbrock 1872“ sowie das Dorfwappen.

So hatte unser Kirchturm zu Beginn unseres Jahrhunderts drei Glocken:

– die älteste und größte von 1767, dem Kirchenpatron geweiht

– die Marienglocke von 1841

– die kleinste Glocke aus dem Jahre 1872.

Die beiden jüngeren Glocken mußten im 1. Weltkrieg abgeliefert werden, die älteste blieb ihres Alters wegen von diesem Schicksal verschont.[Heimatbuch von 1958, S. 111]

Nach dem Krieg bemühte sich die politische Gemeinde um Ersatz. Dazu heißt es in der Pfarrchronik von 1920: „15. August, Maria Himmelfahrt erklangen zum ersten Male die 3 neuen vom Bochumer Verein gelieferten Gußstahlglocken. 2 Glocken hatten während des Krieges abgeliefert werden müssen, die dritte übernahm der Bochumer Verein und lieferte 3 neue aus Gußstahl, da die Bezahlung neuer Bronzeglocken zu kostspielig gewesen wäre. Die politische Gemeinde trug die Kosten der Neubeschaffung. Der Glockenstuhl wurde, um mehr Raum zu gewinnen, nun aus Eisen angefertigt. Die 3 Glocken, von denen eine Christus, die zweite der Mutter Gottes, die dritte dem Kirchenpatron geweiht ist, haben einen schönen Klang, der umso angenehmer wirkt, je weiter entfernt man ihn wahrnimmt. Die Kosten der Beschaffung einschl. Glockenstuhl betrugen rund 15 000 M.“ Diese Glocken befinden sich auch heute noch im Turm. Die größte hat einen Durchmesser von 1170mm und trägt die Inschrift „1920 Evangelico Johanni Ecclesiae Patrono Sono Semper“ (= Glocke des Evangelisten Johannes, des Kirchenpatrons, töne immer). Die zweite hat einen Durchmesser von 960 mm und trägt die Inschrift: „O Mater, duc tuos Westernkottenes“ (= O Mutter, schütze deine Westernkötter). Die dritte, 890 mm im Durchmesser, trägt die Inschrift: „A Lue, Fame, Bellico Furore Igne tuere nos, Domine Jesu Christe“ (= Vor Pest, Hunger, Krieg und Feuer beschütze uns, Herr Jesus Christ).[Angaben nach handschriftlichen Notizen aus dem Nachlaß Wilhelm Probst]

Am 3.5.1956 beschloß der Gemeinderat von Westernkotten, zu neuen elektrischen Motoren für die Kirchenglocken, die Elektromeister Franz Mintert liefern sollte, einen etwa 60prozentigen Zuschuß zu erteilen.[Protokollbuch der politischen Gemeinde 1952-58, S. 255]

Der Glockenantrieb ist seit dem Bau der neuen Kirche 1974-76 von der neuen Sakristei zu steuern.

Die Turmuhr

Die bisher älteste Erwähnung einer „Thurmuhr“ findet sich in dem oben genannten Verzeichnis von 1835 [HB von 1987, S.165].

In den Kriegsjahren 1943 (13.5.) und 1945 (4.8.) behandelte der Gemeinderat das Thema ‘Anschaffung einer neuen Turmuhr’, die aber erst 4 Jahre später installiert wurde. „Am 24.März 1949 wurde durch die Firma Vortmann in Recklinghausen eine neue Turmuhr für unsere Kirche geliefert. Die Uhr hat freischwingendes Pendel und Voll- und Viertelschlag. Die alte, handgeschmiedete Uhr mit Spindelgang ist dem Kreisheimatmuseum übergeben worden.“ [Heimatbuch v. 1958, S. 112]

Mit der Errichtung der neuen Kirche 1974-76 ist auch die Schaltung und Steuerung der Turmuhr erneuert und in die neue Sakristei verlagert worden. Eine Renovierung fand im Herbst 1997 statt.

Als 1949 die heutige Turmuhr installiert wurde, hat der damalige Hauptlehrer Wilhelm Probst die nachfolgende Erzählung zu Papier gebracht, mit dem meine Ausführungen ihr Ende finden sollen:

…..Text von Probst ergänzen ……

Bildunterschriften für die Bilder im Original (laufende Nummern siehe Rückseite der Bilder/Fotos/Dias)

  1. Kirchturm von Norden aus, aufgenommen 1996. (Aufnahme: Dieter Tuschen) [Dia]
  2. Das Barockportal an der Westseite des Turmes (Aufnahme: Dieter Tuschen) [Dia]
  3. Die 1979 geschaffene Marienkapelle im Inneren des Turmes (Aufnahme: Dieter Tuschen) [Dia]
  4. Die alte Pfarrkirche mit dem Kirchturm von Süden aus. Die Aufnahme entstand 1912. Im Vordergrund der Garten des ehemaligen Hauses Bredenoll, links im Bild das ehemalige Haus Kessing. Hinter der Kirche ist noch das Fachwerk des 1824 errichteten Schulgebäudes zu sehen.
  5. Der Kirchturm von Südosten. Im Vordergrund die 1974-76 errichtete neue Pfarrkirche. Der einzeln stehende Turm scheint auf diesem Bild direkt an der neuen Kirche zu stehen. (Aufnahme aus einem Kran vom Schützenplatz aus: Hubert Kerkhoff)
  6. Die katholische Pfarrkirche mit dem Kirchturm, links daneben die alte Volksschule, heute evangelische Paul-Gerhardt-Haus. Hinter der Turmspitze ist noch der Königssood zu sehen. (Aufnahme: Hubert Kerkhoff)