1994: Die räumlichen Auswirkungen der Saline Westernkotten im 19. Jh.

[1994 als Manuskript für ein geplantes Salzbuch zu Westernkotten verfasst, tlw. noch lückenhaft; bisher unveröffentlicht]

Von Wolfgang Marcus, Bad Westernkotten

Die Saline Westernkotten hat nicht nur wirtschaftlich, sondern auch in Bezug auf das Ortsbild das Dorf Westernkotten im 19. Jahrhundert stark geprägt.

Einen ersten Eindruck verschafft die Skizze des Paderborner Zeichenlehrers F.J. Brand [vgl. Heimatbuch von 1987, S. 173]

Die Zeichnung zeigt Westernkotten etwa um das Jahr 1840 von Erwitte aus. Im Vordergrund wahrscheinlich die heutige Friedhofslinde. Mindestens drei Gradierwerke lassen sich ausmachen, die schon durch ihre Höhe das Ortsbild dominieren: ganz links wahrscheinlich das sog. Große Gradierhaus entlang der Weringhauser Straße, dann weiter rechts ein Gradierhaus, das gegenüber dem heutigen Kurhaus stand, sodann noch rechts des Kirchturms die Bredenollsche Saline.

Detaillierte Angaben vermittelt das 1829 angelegte preußische Urkataster. Die nachfolgende Abbildung stellt eine Reinzeichnung der Ortsmitte von Westernkotten dar:

Im einzelnen bedeuten die Signaturen folgendes:

A = Kappler Brunnen

B = Mittelbrunnen

C = Windmühlenbrunnen

I  = Das sog. Großes Gradierhaus, von Landsberg gehörend

II = Die sog. Neue Gradierung, von Landsberg gehörend

III = Das sog. Kleine Gradierhaus, von Landsberg gehörend

IV = Ein weiteres Gradierhaus südlich von III, ebenfalls von Landsberg

V  = Jessesches Gradierwerk

VI =

VII =

VIII= Großes von Papen’sches Gradierhaus

IX  = Kleines von Papen’sches Gradierhaus

X  = Löper’sches Gradierhaus

XI = Bredenollsches Gradierhaus

1, 2 und 3 = von Landsbergische Siedehütten

4 = Brexelsche Hütte (von Landsberg angepachtet)

5 = von Papensche Hütte

6 = Jessesche Hütte

7 = Bredenollsche Hütte

8 = Löpersche Hütte

9 = Königliche Hütte

Holzplätze

Kohleplätze und Kohlehütten, dazwischen „Röhrenfahrt“

Die Gebäudestatistik 1861 zählt für Westernkotten 328 private und 5 öffentliche Gebäude (Kirche, 2 Schulen, je ein Gebäude der Staats- und der Ortsverwaltung). Die 328 Privatgebäude teilen sich wie folgt auf (in Klammern die Vergleichszahlen von Lippstadt):

223 (653) Wohnhäuser

 28 (18) Fabrikgebäude, Mühlen und Magazine

 77 (380) Ställe, Scheunen, Schuppen.

Mit 28 Salinen, Gradierhütten usw. hat Westernkotten zusammen mit Geseke die höchste Zahl von „Fabrikgebäuden“ im ganzen Kreisgebiet.

7. Die Gradierwerke, Hütten und Brunnen im einzelnen

Im folgenden soll der Versuch gemacht werden, alle Dornengradierwerke, die in Bad Westernkotten gestanden haben und wovon zwei heute noch stehen, sowie alle Salzhütten und Brunnen vorzustellen.

Wichtigste Grundlage dafür ist das 1829 angelegte Urkataster sowie die „Beschreibung der Saline Westernkotten“, die Rentmeister Köhler etwa 1840 anfertigte [vgl. den entspr. Beitrag in diesem Buch].

  • Die Gradierwerke

Wahrscheinlich wurden erstmals kurz nach 1700 Dornenzweige des Schwarzdorns (lat. Prunus spinosa), den meisten als Schlehe bekannt, in einem Gradierwerk verwendet, und zwar in Sulza in Thüringen, in der Nähe von Weimar [Walter, Manuskript eines Vortrages in Salzkotten 1997, S. 10] Über die weitere Ausweitung dieser Technik besonders in unserem Raum gibt die nachfolgende Tabelle Auskunft:

Beispiele zur Einführung der Dorngradierung

Saline                             Jahr           

Sulza bei Weimar            nach 1700

Nauheim                         1716

Allendorf                       1720

Unna                             1738

Salzkotten                       nach 1740

Westernkotten                1765-1780

[nach Walter 1989, S. 11 u.a.; die Berechnung für Westernkotten erfolgte nach Seetzen; vgl. dazu den Beitrag in diesem Buch]

I. Das älteste Gradierwerk, die sog. Kleine Gradierung (ca. 1765-1858)

Dieses in Nord-Süd-Richtung erbaute Gradierwerk, das von Landsberg gehörte, stand an der Weringhauser Straße gegenüber dem früheren Badehaus. Es war eine einfache Flächengradierung mit 2 Wänden, die ein Breite von 12 Metern (einschließlich dem dazugehörenden Sole-Reservoir), eine Höhe von 12,50 Meter und eine Länge von 25,10 Meter hatte. „Dieses älteste Gradierwerk ist 1858 abgebrochen.“[HB 1958, S.181] Es wurde [nach Berechnungen im Anschluß an Seetzen] zwischen 1765 und 1780 erbaut.

Östlich dieses Gradierwerkes stand das Sole-Reservoir für die von Landsberg’schen Siedehäuser. Es war ursprünglich einstöckig. Nach 1858 wurde ein zweites Stockwerk mit dem noch brauchbaren Holz aus dem Abbruch des genannten Gradierwerkes daraufgebaut. Die Abbildung zeigt eine Konstruktionszeichnung des von Landsberg’schen Verwalters Bruns aus dem Jahre 1832 (?).[Bestand Landsberg-Velen, Karten 133 und 136, A 9109]

Nördlich dieses Gradierwerkes befanden sich 2 sog. Roßkünste, also Pferdegöpel, von denen eins zur Belegung der Gradierung mit Sole, das andere zur Hebung der gesättigten Sole in den Siedesolkasten diente.

Neben diesem Gradierhause stand 1840 noch eine sog. Sonnengradierung, auch Flächen- oder Pritschengradierung genannt, auf der die Sole auf schräggestellten Bretterwänden, die mit Schrägleisten versehen waren, herunterfloß. Diese schräggestellten Bretterwände sahen von der Seite wie ein Zelt aus, das ganze Werk war 31,40 Meter lang und 7,50 Meter breit, nach Osten 0,62 Meter und nach Westen 1,90 Meter hoch.[HB 1958, S.181]

  1. Das kleinste Gradierwerk (ca. 1780 – nach 1930)

Es stand nördlich des unter I. genannten, also gegenüber dem heutigen Kurhauseingang, auch in Nord-Süd-Richtung, gehörte ebenfalls von Landsberg und war 4,50 Meter breit, 20 Meter lang und 12 Meter hoch. Das Foto entstammt einer alten Ansichtskarte:

  1. Das Große von Landsberg’sche Gradierhaus (ca. 1780 – 1954)

Es stand an der heutigen Weringhauser Straße (Kurpromenade) etwa dort, wo sich heute das Park-Café befindet. Es hatte ursprünglich eine Höhe von 12,56 Meter und eine Länge von 94,20 Meter und war eine Vierflächengradierung. Es soll seinerzeit das höchste Gradierwerk in Westfalen gewesen sein.

Am 9. November 1800 ist dieses Leckhaus bei einem großen Sturm eingestürzt. Mit dem Wiederaufbau ist bald begonnen worden, so daß 1803 die Gradierung wieder aufgenommen werden konnte. Dieses Leckhaus, in Ost-West-Richtung erbaut, hatte nach Angaben von Köhler eine Höhe von 40 Fuß, eine Breite von 20 Fuß und eine Länge von 300 Fuß und bestand aus einer einfachen Flächengradierung mit zwei Wänden.

Die Abbildungen zeigen das Gradierwerk in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus verschiedenen Perspektiven.

An der nördlichen Seite hatte es ein Pferdegöpel, das mit Einführung einer Dampfmaschine 1836 [vgl. dazu den Beitrag von Maron] nur noch beim Ausfall der Maschine zum Einsatz kam. Die Dampfmaschine stand in einem westlich an das Gradierhaus angebauten Gebäude von 26 Fuß Länge, 24 Fuß Breite und 10 Fuß Höhe. Fotos zeigen den Maschinenraum und die Dampfmaschine.

  1. Das von Papen’sche Gradierwerk (… – nach 1930)

Es lag entlang der heutigen Leckhausstraße und hatte nach Ausweis des Urkatasters eine Länge von         . Westlich davon lag eine Roßpumpe, also ein Pferdegöpel zur Hebung der Sole auf das Gradierwerk.

Das Foto zeigt das Gradierwerk während der Abbrucharbeiten. Das Holz wurde fast komplett in das 1934 gebaute hintere Gradierwerk des heutigen Kurparks eingebaut [HB von 1958, S. 181/182].

…evtl. noch 2. von von Papen östlich davon???

  • Das Jesse’sche Gradierwerk

Es lag an der heutigen Salzstraße etwa im Bereich des heutigen Kurhausparkplatzes und hatte eine West-Ost-Erstreckung. Es hatte nach Ausweis des Urkatasters 1829 eine Länge von        . Nördlich der Westspitze lag die Roßkunst, wiederum einige Meter nördlich direkt an er heutigen Salzstraße das Jesse’sche Salzhaus.

Die Soleförderung auf das Gradierwerk wurde bereits vor dem ersten Weltkrieg eingestellt [HB 1987, S. 80].Wann abgerissen?

  • Das Bredenollsche Gradierwerk (…- ca. 1918)

Aus dem Urkataster von 1829 ist die Lage des Bredenollschen Gradierhauses gut zu ermitteln. Es lag nördlich der Schützenstraße im Winkel mit der Bredenollgasse, also auch in der unmittelbaren Nähe des Bredenollschen Wohnhauses, und verlief in West-Ost-Richtung. Es hatte eine Länge von….

Nördlich des Gradierwerkes lag das Bredenollsche Siedehaus., zwischen beiden das Göpelwerk.

Der Betrieb der Bredenollschen Saline wurde vor dem 1. Weltkrieg eingestellt. Im Herbst 1917 [das HB 1987, S.480, nennt 1916] stürzte das Bredenollsche Gradierwerk „nach einem starken Novembersturm sonntags vor der Frühmesse“ [ebd.] teilweise ein [R. Steimann; Zur Geschichte der Familie Bredenoll-Steimann-Hille, a.a.O. S.31]. Die Giebelfront, die zur Bredenollgasse zeigte, stürzte auf das Dach des gegenüberliegenden Hauses der Eheleute Franz Schulte und Elisabeth geb. Wucherpfennig. Die Tochter Sofia, später verheiratet mit Franz Lüning, hatte zu diesem Zeitpunkt gerade ihr Zimmer in der oberen Etage verlassen und kam so mit dem Schrecken davon. Aus diesem Grund errichteten die Eheleute Schulte nach dem Erwerb des Salinengrundstückes ein Wegkreuz, das allerdings nicht mehr steht.

  • Das Löper’sche Gradierwerk (… – ca. 1921)

erst im Dorf gelegen

später Neubau Ecke Nordstraße/Antoniusstraße

Der Betrieb auf der Löper’schen Saline wurde schon vor dem 1. Weltkrieg eingestellt.

vgl. Beitrag von Löper

  • Das große Gradierwerk im heutigen Kurpark (1835-heute)

Dieses Gradierwerk, eine einwändige kubische Gradierung, ließ der Graf von Landsberg 1835 etwas mehr als 50 Meter nördlich seines großen Gradierhauses (sieh III.) errichten (HB 1958, S. 181). Es hatte zunächst nur eine Länge von etwa 43 Metern, eine Breite einschließlich des darunter liegenden Sole-Reservoirs von 40 Fuß (= 12 Meter) und eine Höhe von 12,25 Meter. Es wurde auch von der 1836 errichteten Dampfmaschine beschickt.

Die Konstruktionszeichnungen für den Bau fertigte der damalige Salinenverwalter Bruns [Dep. Landsberg-Velen, Kartensammlung, A 9116]:

1857/58, also einige Jahre nach der Erbohrung der Solequelle „Westernkötter Warte“ im heutigen Kurpark, erweiterte man das Gradierwerk um mehr als 50 Meter nach Norden und 1858/59 nochmals nach Süden.

Das Gradierwerk ist mehrmals erneuert worden, letztmalig nach einem Teileinsturz vom 26.6.1983, und dient heute der Freiluftinhalation. Mit Wirkung vom 18.12.1984 ist es in die Denkmalliste der Stadt Erwitte aufgenommen.

  1. Das kleine Gradierwerk im heutigen Kurpark (1934-heute)

Noch 1934 ließ der Graf von Landsberg auf der sog. Isernen Schute ein neues Gradierwerk bauen. Der Unterbau wurde aus neuem Buchenholz errichtet, der obere Teil fast ganz aus dem alten von Papen’schen Gradierhaus an der Leckhausstraße entnommen.[HB 1958, S. 182]. Es verläuft von Nordwest nach Südost und ist 58 Meter lang und 13 Meter hoch. Eine Gesamtrestaurierung des Werks fand in den Jahren 1995/96 für 1,35 Mio. DM statt. Die Dornenwand besteht aus 24 Feldern mit einer Breite von je 2,15 Metern, daneben befindet sich ein Treppenturm mit einer Breite von 2 Metern.

7.2. Die Salzhütten

Die folgende Übersicht listet die Salzhütten für die Jahre 1775, 1840 und 1893 auf:

1775 [nach Köhler]1840 [nach Köhler]1893 [nach Stellmacher]
10 Hütten mit insges. 15 Pfannen9 Hütten mit 9 Pfannen7 Hütten mit 7 Pfannen
von Landsberg  
Brexels H. (1Pfanne)BrexelsHütten Nr.
Bredenolls (2) Korffs (1) Bücks (1)                              Bredenolls Craes Bücks1 3 7  
von Schade Craes-Hütte (2) Benninghauser (2) Bredenoll Becks Hütte (2) Hense/Jesse Captains Hütte (1) Löper Doktors Hütte (2) Kloster Liesborn Liesborner Hütte(1)von Papen   von Papen’sche H.   Bredenollsche H.   Jesse’sche Hütte   Löpers Hütte Königreich Preußen Fiskalische Hütte (Nr.4)    Von Papen (Nr.5)   Bredenoll (Nr. 8)   Jesse (Nr. 2)   Löper (Nr. 6)    
   

Zwischen 1775 und 1840 fiel die Korff’sche Hütte weg und die Craes-Hütte kam an von Landsberg; die Liesborner Hütte gelangte an den Fiskus; in fast allen Hütten wurde die Kohlenfeuerung eingeführt und in jeder Hütte auf eine einzige, größere Pfanne umgestellt. Die Grundfläche aller Pfannen betrug im Jahre 1834 606 Quadratmeter [HB 1958, S.184]

Zwischen 1840 und 1893 fiel eine von Landsberg’sche Hütte weg; 1868 dann noch die fiskalische.

Noch 1938 nahm Graf von Landsberg eine neue Hütte an der Lippstädter Straße (B 55) in Betrieb.

Über die einzelnen Hütten konnte folgendes in Erfahrung gebracht werden [nach Angaben des Urkatasters usw.] Abbildungen u.a. Konstruktionszeichnungen aus dem Dep. Von Landsberg]

Hütte Nr.1 (von Landberg)

Hütte Nr. 2 (Jesse)

Hütte Nr. 3 (von Landsberg)

Hütte Nr. 4 (Fiskus)

Hütte Nr. 5 (von Papen)

Hütte Nr. 6 (Löper)

Hütte Nr. 7 (von Landberg)

Hütte Nr. 8 (Bredenoll)

Die neue von Landsberg’sche Hütte

Dieses Siedehaus hatte zwei Pfannen, eine große und eine kleinere. Die große Pfanne lieferte täglich 6 bis 7 Tonnen Salz, die kleinere anderthalb Tonnen. Am 1. Dezember 1943 ging die Landsberg’sche Saline durch Kauf an den Prinzen Christian Friedrich von Sachsen, Markgraf von Meissen, über. Dieser hat das Siedehaus am 9.9.1949 an die Firma Huth, Westfälische Bekleidungsindustrie GmbH, verkauft. Derzeit befindet sich in dem Gebäude ein Autohandel.

7.3. Die Brunnen und Tiefbohrungen