Von Wolfgang Marcus
[Erstabdruck: Vertell mui watt; Nr. 7/8 Mai 1995]
Die Generalversammlung vom 13.6.1859 sprach sich nach Aussage des Protokolls mit 20 gegen 16 Stimmen für die Feier des Schützenfestes aus. Wegen einer Mobilmachung wurde der Beschluss dann aber aufgehoben und kein Schützenfest gefeiert.
Von 1860 -1864 fand dann regelmäßig ein Schützenfest statt, das Protokoll nennt aber nur die in jedem Jahr gewählten Offiziere.
Für 1864 sind noch einige weitere Details angegeben: So wurde die Musikkapelle eines Adam Gottbehüte für 48 Thaler vom Vorstand engagiert, das Zelt aus Overhagen geordert; Festwirt sollte aber „wie bisher“ Anton Dietz sein.
1865 und 1866 fand kein Schützentest statt, Gründe sind im Protokollbuch nicht benannt. Es ist aber zu vermuten, dass der Krieg zwischen Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in Deutschland sowie die entsprechende Mobilmachung der wesentliche Grund gewesen ist. Die größte Schlacht des 19. Jahrhunderts fand am 3. Juli 1866 bei Königgrätz in Nordböhmen statt. Bereits am Abend war die vernichtende Niederlage der Österreicher besiegelt.
1867 wird zum 1. Mal im Protokollbuch die Beschaffung des Schützenkuchens genannt und der Brauch des Auswürfelns erwähnt. Interessant auch der (erstmalige) Hinweis, dass nicht nur auf den Adler, sondern auch auf einen Stern(!) geschossen wurde.
Der Gemeinderat beschäftigte sich am 23.3.1867 mit der Verpachtung des Schützenplatzes. Daraus wird deutlich, dass dieser wohl eine Wiese oder Weide war, die abgesehen von den Schützenfesttagen und der Lobetagsprozession landwirtschaftlich genutzt wurde. [Stadtarchiv Erwitte, Protokollbücher der Gemeindevertretung Westernkotten]
1868 wurde das Schützenfest bereits am zweiten Wochenende im Juli gefeiert. Gründe für diese Terminverschiebung werden nicht genannt. Die Generalversammlung vom 11.6. beschloss, dass die silbernen Insignien des Vereins beim Major aufbewahrt werden sollten.
1869 fand kein Schützenfest statt; im Protokollbuch findet sich zumindest keine Eintragung für dieses Jahr.
Aus dem Jahre 1870 liegt erstmals ein Vertrag mit einer Musikkapelle vor [Stadtarchiv Erwitte, Bestand B 2, vor. Nr. 28]. Damals verpflichtete der Vorstand den Musikus Georg Wenzel aus Langenfeld bei Salzungen mit 11 Musikern für 70 Reichstaler. Wenzel musste davon auch die Beköstigung und Wohnung für seine Mannschaft bezahlen. An Getränken sagte der Vorstand an jedem der drei Schützenfesttage pro Mann 6 Seidel Bier zu. Folgeverträge liegen für 1872, 1876 und 1877 vor. Die spendierte Biermenge 1877 betrug „täglich ein Acker“.
Das Schützenfest 1870 fand am 10., 11. und 12. Juli statt, noch wenige Tage, bevor Bismarck am 19. Juli in Berlin die französische Kriegserklärung überreicht wurde. Mit dem Krieg gegen Frankreich gelang es Bismarck dann, das Nationalgefühl in Deutschland deutlicher zu wecken und die deutschen Staaten zu einem weitgehenden Zusammenschluss zu bringen. Am 18. Januar 1871 wurde im Spiegelsaal von Versailles, weniger Kilometer vom Belagerungsring und Paris entfernt, das „Deutsche Reich“ proklamiert und der preußische König Wilhelm I. zum deutschen Kaiser ausgerufen.
Das Schützenfest 1871 wird sicherlich im Zeichen dieses Sieges und der nationalen Einigung gestanden haben, aber auch die Schatten des Krieges waren spürbar: Sieben Soldaten aus Westernkotten, Peter Bals, Theodor Buse, Heinrich Göke, Josef Kramer, Anton Lüning, Josef Lüning und Franz Neite waren aus dem Krieg nicht zurückgekommen. Das 1929 errichtete Ehrenmal am Kirchplatz bewahrt sie inmitten der heutigen Gemeinde in ehrenvolle Erinnerung. Auch belegt das Protokoll, das sechs Wochen vor dem Schützenfest die Wahl der Offiziere nicht durchgeführt werden konnte, da sie zum Teil vom Militär noch nicht zurückgekommen waren.
1872 und 1873 waren die beiden letzten Jahre mit Gemeindevorsteher und Oberst Reinhard Jesse an der Spitze des Vereins. Mehr als 15 Jahre hatte er dem Verein vorgestanden; bereits als 25-jähriger war es ihm 1858 gelungen, als Gemeindevorsteher die damals bestehenden drei Schützenvereine zu vereinen. Jetzt, mit 50 Jahren, wollte er anscheinend die Verantwortung für den Schützenverein in jüngere Hände legen.
Aber zunächst einmal scheint der Übergang reichlich missglückt zu sein, denn weder 1874 noch 1875 ist dein Schützenfest nachzuweisen. Es findet sich überhaupt keine Eintragung für diese Jahr im Protokollbuch, keine Anzeige im „Patriot“ und keine Königsorden für diese zwei Jahre.
Erst 1876 gelang es unter den neuen Oberst Theodor Hollenbeck und dem Adjutanten Wilhelm Gutermann, das Vereinsleben zu aktivieren und wieder ein Schützenfest zu feiern. Für dieses Jahr ist auch zum ersten Mal eine Herbst-Generalversammlung nachzuweisen, die bis heute als wichtigste Punkte die Rechnungslegung und den Rückblick auf das vergangene Schützenfest umfasst.
Aus dem Jahr 1877 ist nur die Rechnungslegung protokollarisch belegt.
Bereits 1878 wurde ein neuer Oberst gewählt, Franz Hollenbeck. Er stand dem Verein bis 1888 vor. Für das Jahr 1878 wird als Schützenwirt Josef Besting erwähnt.
Für die Jahre 1879 bis 1883 fehlt wieder jeglicher Hinweis auf Aktivitäten des Vereins. Warum in diesen Jahren kein Schützenfest gefeiert wurde, konnte nicht exakt ergründet werden. Allerdings lässt sich aus der Tatsache, dass 1883, zur besten Schützenfestzeit, ein Kriegerfest stattfand, schließen, dass sich die Vereinsaktivitäten der Westernkötter Männer in dieser Zeit mehr auf den Kriegerverein konzentrierten.
Ab 1884 bis 1903 hat dann aber wieder regelmäßig jedes Jahr ein Schützenfest stattgefunden. Einige Detailangaben aus dem Protokollbuch im Telegrammstil:
1884 wurde aus dem Schützenfest ein Überschuss von 154,48 Mark (inzwischen 1871/73 war überall in Deutschland die Mark zu 100 Pfennigen eingeführt!) erzielt, welches bei der Sparkasse Erwitte „zinsmäßig angelegt“ wurde.
Aus dem Jahr 1885 liegt ein umfangreicher Schriftverkehr vor [Stadtarchiv Erwitte B2 vorl. Nummer 28]. Dabei ging es um die Vergabe der Wirtschaft an einen Nicht-Gastwirt, den Schreinermeister Joseph Schäfermeier, der gleichzeitig Mitglied der Vergabekommission war. Heftige Auseinandersetzungen gab es vor allem mit dem Wirt Besting. Die anderen Wirte, genannt werden Ferdinand Bürger, Engelbert Kemper, Friedrich Carl Wiese, Anton Dietz und Schrage, hatten offensichtlich kein Interesse an der Übernahme der Schützenfestwirtschaft.
1885 wurde der Schützenkuchen von Bäckermeister Siegfried aus Lippstadt geliefert, das Stück zu neun Pfund für 3 Mark. Das Tanzzelt kam aus Wiedenbrück.
1886 wurden neue Statuten beschlossen, die 21 Paragraphen umfassten. Nur in einem Protokoll taucht als Vereinsführer „Major Wilhelm Spiekermann“ auf, danach ist wieder Franz Hollenbeck genannt.
1887 wählte man eine Kommission, die für die erste und zweite Kompanie neue Fahnen besorgen sollte.
1888 erhielt der Adjutant gemäß der neuen Satzung zum ersten Mal eine Vergütung, und zwar 2 % der Einnahmen. Die Musik beim Schützenfest wurde vom 4. Bataillon des Niederrheinischen Füsilier-Regiments Nummer 39 aus Lippstadt ausgeführt. Aus diesem Jahr liegt die erste polizeiliche Genehmigung, hier durch den Landrat ausgesprochen, vor.
1889 wählte die Versammlung Franz Hense zum Major und Vereinsvorsitzenden. 1890 taucht zum ersten Mal ein Stempelabdruck des Schützenvereins auf. 1891 erging der eindeutige Hinweis an die Vorbereitungs-Kommission, Verträge erst nach Erhalt der polizeilichen zeitlichen Genehmigung für das Schützenfest abzuschließen. Ob man vorher mit den Behörden schlechte Erfahrung gemacht hatte?
Beim Schützenfest 1892 wurde die Musik von K. Drus und 12 weiteren Musikern für 164 Mark und freie Station ausgeführt. Das Fest schloss mit einem Überschuss von 113,61 Mark.
1893 wurde Josef Gudermann, der Großvater des derzeitigen Schützenoberst Josef Gudermann, Schützenstraße, König. Königin war seine Frau, die er erst im selben Jahr geheiratet hat. Er schoss 1895 zum zweiten Mal den Vogel ab. Als Vater von drei kleinen Kindern starb er bereits im Jahre 1898. [Mündliche Mitteilung von Josef Gudermann 2/93]
1894 feierte der Verein sein 200-jähriges Bestehen. Hier wird sehr deutlich, dass bereits vor 100 Jahren die in den silbernen Schützenvogel eingravierte Jahreszahl 1694 als Gründungsjahr des Bad Westernkötter Schützenvereins angesehen wurde. Außer zwei gleich aussehenden Anzeigen findet sich aber auch zu dem Jubelfest kein redaktioneller Beitrag bzw. Beleg im Patriot.
Aus dem Jahr 1895 datiert das älteste Ersuchen um die polizeiliche Genehmigung zu einem Böllern beim Schützenfest: „Westernkotten, den 24 Juni 1895: Gesuch des Schützenvorstandes von Westernkotten um Genehmigung eines Erlaubnisscheines zum Böllern aus Anlass des am 20., 21. und 22. Juli stattfindenden Schützenfestes
- Schießplatz: Schützenplatz
- Bedienung der Böller: Fabrikarbeiter Rudolf Köhne
- Die Böller sind von G. Behrenberg in Lippstadt; über Brauchbarkeit und Güte liegt Bescheinigung als Anlage bei.
- Am ersten Tag 30 Schuss, zweiten Tage 50 Schuss und am dritten Tag 50 Schuss sollen abgefeuert werden.“
Das Schützenfest schloss für den Verein mit einem Reingewinn von 210 Mark. Zuvor waren noch 16 neue Degen für 160 Mark angeschafft worden.
1896 wurde beschlossen, dem jeweiligen König eine Prämie von 30 Mark zukommen zu lassen. Die Offiziere sollten – statt wie bisher jährlich – nun jeweils für drei Jahre gewählt werden; dafür musste allerdings erst die Satzung geändert werden. Des Weiteren findet sich der Hinweis: „Eine neue Vogelstange wurde angeschafft 1896. Für die Vogelstange war der Preis mit Zutaten 164 Mark und 20 Pfennig.“
1897 wurde einem Ausschuss der Auftrag erteilt, eine Satzungsänderung, vor allem im Hinblick auf die Wahl der Offiziere, vorzubereiten.
1898 wurde Bernhard Flöer als neuer Rendant in sein Amt eingeführt.
1899 diskutierte die Versammlung über ein eigenes Schützenzelt. Einstimmig wurde beschlossen, ein solches anzuschaffen. Eine Kommission sollte das weitere vorbereiten.