In: Heimatkalender des Kreises Soest 1992, S. 57ff.
Ein beliebtes Erholungsgebiet, das an Sonn- und Feiertagen von Scharen von Wanderern aufgesucht wird, ist das Muckenbruch östlich von Bad Westernkotten. Es stellt neben dem Stockheimer Bruch bei Geseke von Natur aus das einzige Niedermoorgebiet des Altkreises Lippstadt dar. Neben diesen beiden Flächen gibt es im gesamten Kreis Soest nur noch ein weiteres Niedermoorgebiet, die Wösteniederung bei Ostinghausen.
Lange Zeit waren diese Niedermoore so stark vernässt, dass stellenweise nicht einmal eine Wiesennutzung möglich war und sich deshalb eine Fülle naturnaher Strukturen bzw. Biotope (z.B. Nasswiesen, Röhrichte, Weidengebüsche, Hecken und Baumreihen) entwickeln konnte.
Noch Anfang der 70er Jahre wurde praktisch die gesamte Muckenbruchniederung als Grünland genutzt, das von zahlreichen Hecken und Kopfbaumreihen durchgliedert wurde. Etwa 1974 setzte in großem Umfang die Abholzung von Kopfbaumreihen ein, der bis heute zwei Drittel des Bestandes zum Opfer gefallen sind. Gleichzeitig begann allmählich die Umwandlung von Grün- in Ackerland, die sich noch 1978 auf Einzelflächen beschränkte. 1980 erfolgte dann eine großangelegte Dränung des unmittelbar an die Moorflächen angrenzenden Grünlandes. Heute sind etwa 75% aller landwirtschaftlich genutzten Flächen Ackerland.
Die Bemühungen zum Schutz des Muckenbruchs reichen bis in das Jahr 1976 zurück, als durch die ARBEITSGEMEINSCHAFT BIOLOGISCHER UMWELTSCHUTZ (ABU) erstmalig die Unterschutzstellung des Niedermoores gefordert wurde. Das Muckenbruch wurde deshalb 1981 vom Regierungspräsidenten Arnsberg einstweilig als Landschaftsschutzgebiet sichergestellt. Leider wurde dieser Schutzstatus im Rahmen der Abstimmung zum Landschaftsplan Soest | wieder aufgehoben, so dass die wertvollsten Teile des Gebietes zurzeit noch ohne jeden Schutz sind. In Kenntnis dieser bedrohlichen Entwicklung hat der Kreis Soest daher beschlossen, das Muckenbruch im Rahmen des jetzt anlaufenden Änderungsverfahrens zum Landschaftsplan Soest I als Naturschutzgebiet (NSG) auszuweisen.
Das Muckenbruch gehört politisch zur Stadt Erwitte. Die nördliche und östliche Begrenzung des Muckenbruchs werden durch Gieseler und/bzw. Pöppelsche vorgegeben, während die südliche Grenze von einem Entwässerungsgraben (Flachsröte) gestellt wird. Im Westen orientiert sich die Abgrenzung an den bebauten Grenzen von Bad Westernkotten. Das Gebiet hat eine Größe von ca. 65 ha.
Aufgrund der Beeinträchtigungen des Gebietes (s.u.), ist es aber mit einer Ausweisung zum Naturschutzgebiet nicht getan. Vielmehr hat der Kreis Soest das Büro des Autors in Geseke mit der Erstellung eines sogenannten Pflege- und Entwicklungsplanes beauftragt. Dieser Plan liegt jetzt vor und zeigt u.a. auf, welche Maßnahmen zur Erhaltung und Wiederherstellung des Gebietes erforderlich sind.
Das Gebiet gehört naturräumlich zu den Lößbereichen der Geseker Unterbörde, die von flachmuldigen Bachauen und Niederungen durchgliedert werden. Nur dort, wo diese Bachauen besonders breit sind, ist auf den niedrigsten Stellen Niedermoortorf entstanden.
Der tiefste Punkt des Plangebietes liegt bei ca. 86 m ü. NN, der Kernbereich des Niedermoores etwa zwischen 87 und 90 m ü. NN.
Die Schledden – periodisch wasserführende Trockentäler – setzen sich, vom Haarstrang kommend, nördlich der B 1 als ständig wasserführende Bäche fort. Die im Norden an das Muckenbruch angrenzende Gieseler ist nichts anderes als die nördliche Fortsetzung des Pöppelsche-Trockentales im Süden. Das Flachmuldental der Gieseler erreicht bei Bad Westernkotten eine Breite von bis zu 1300 m. Aufgrund seiner Entstehung ist das Muckenbruch als Versumpfungsniedermoor zu bezeichnen.
Eine starke Entwässerungswirkung übt das dichte Netz oberirdischer Entwässerungsgräben aus. Die Gieseler im Norden ist als gehölzbestandener, naturnaher Flachlandbach zu bezeichnen, wenngleich sie mitunter naturferne Ufersteinschüttungen und starke Vertiefungen aufweist. Sie besitzt die Güteklasse Il-Ill (alpha-betamesosaprob).
Als potentielle natürliche Vegetation basenreicher Niedermoore in der Westfälischen Bucht gilt der Erlenbruchwald, dessen natürliche Standorte in der Westfälischen Bucht fast durchweg umgewandelt sind. Die Waldgesellschaft gehört in Nordrhein-Westfalen zu den stark gefährdeten Biotopen. Für das Gebiet wurde eine Vegetationskarte erstellt. Danach kommen im Muckenbruch folgende Biotoptypen bzw. Pflanzengesellschaften vor:
- Erlenbruchwald und Forstflächen
- Quellen
- Teichboden- bzw. Schlammflur-Gesellschaften
- Wasserpflanzengesellschaften
- Zwergbinsengesellschaften
- Gifthahnenfuß-Flur
- Schilf-Röhricht
- Wasserpflanzengesellschaften der Teiche
- Hochstaudenfluren und Brachflächen
- Wirtschaftswiesen und -weiden
- Weidengebüsche
- Einzelbäume und Hecken
Insgesamt wurden bisher neun Pflanzenarten der Roten Liste von Nordrhein-Westfalen (LÖLF 1986) nachgewiesen wie z.B. Schuppenfrüchtige Gelb-Segge, Einspelzige Sumpfsimse, Berchtolds Laichkraut und Schild-Ehrenpreis. Die Amphibienfauna ist mit fünf Arten vertreten und zwar mit Gelbbauchunke, Grasfrosch, Erdkröte, Teich- und Bergmolch.
Im Gebiet konnten insgesamt 70 Brutvogelarten nachgewiesen werden, davon befinden sich zwölf Arten auf der Roten Liste der in Nordrhein-Westfalen gefährdeten Vogelarten. Dazu gehören z.B. Rebhuhn, Wachtel, Steinkauz, Eisvogel, Dorngrasmücke, Gartenrotschwanz und Nachtigall.
Folgende Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes sind im Muckenbruch festzustellen:
— Entwässerung
— Intensivierung der landschaftlichen Nutzung
— Beeinträchtigung von Quellen
— Umbruch von Grün- in Ackerland
— Abholzung von Kopfbäumen und Hecken
— Forstwirtschaftliche Nutzung
— Intensive Erholung
— Begradigung der Gieseler.
Bei dem geplanten NSG Muckenbruch handelt es sich um ein schutzwürdiges Niedermoor. Nach der Unterschutzstellung, die wohl im Lauf der nächsten zwei Jahre erfolgen soll, muss es darum gehen, die Lebensbedingungen für Tier- und Pflanzenarten zu verbessern. Hierzu wurden im Zuge der Erarbeitung des Pflege- und Entwicklungsplanes zahlreiche Vorschläge erarbeitet:
So sollen durch Naturschutzgebietsschilder und Informationstafeln auf den Schutzstatus des Gebietes hingewiesen werden. Das Wegenetz innerhalb des NSG sollte aus Sicht des Artenschutzes auf keinen Fall ausgebaut oder erweitert werden. Um die ursprünglich großen zusammenhängenden Grünflächen wieder herzustellen, sollen die vorhandenen Ackerflächen langfristig in Grünland umgewandelt werden. Im Muckenbruch befinden sich Flächen, die derzeit mit nicht bodenständigen Gehölzen (Hybrid-Pappeln, Kiefern, Lärchen, Fichten) aufgeforstet sind. Sie sollen durch Anpflanzung oder natürliche Sukzession langfristig in bodenständige Waldgesellschaften (Erlenbruchwald, Eschen-Auenwald, Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald) umgewandelt werden.
Es ist ferner beabsichtigt, ein Netz kleinerer Teich- und Schilfröhrichte einzubringen und —- wo möglich — große Flächen mit Schilfbeständen zu entwickeln. Eine ökologische Optimierung der Gieseler würde die Standortvielfalt des gesamten Gebietes erhöhen.
Für die Gieseler wird daher eine ausgeprägte Mäandrierung mit naturnaher Querschnittsausbildung (keine Uferbefestigungen!) vorgeschlagen. Ferner müssen die vorhandenen Staustufen so weit wie möglich aufgenommen werden, um die Durchgängigkeit für. Die Fisch- und Benthosfauna zu ermöglichen Insbesondere zur weiteren Förderung von Amphibien und Wasserinsekten ist die Anlage von einigen Kleingewässern geplant. An drei Stellen ist die Anlage von Blänken mit Flach- und Tiefwasserzonen vorgesehen.
Ein zentraler Punkt zur Erhaltung des Muckenbruches ist neben einer extensivierten Bewirtschaftung die Anhebung des Grundwasserstandes auf seinen natürlichen Stand. Der natürliche Grundwasserstand beträgt im Kernbereich des Niedermoores 0,00 bis 0,40 m unter Geländeoberfläche. In Verbindung mit vorhandenen Geländeunebenheiten führt die Wiederherstellung des natürlichen Grundwasserstandes in Teilbereichen zu einem kleinflächigen Mosaik von nassen, feuchten und frischen Stellen, welches den Lebensraumansprüchen einer Erlenbruchwald- und Feuchtwiesenlebensgemeinschaft gerecht wird. U.a. sind hierzu Maßnahmen am Dränagehauptsammler und an den Stauanlagen in den Gräben erforderlich. Insbesondere an der Gieseler ist stellenweise die gezielte Einbringung von Weidengebüschen geplant.
Da in weiten Teilen des Gebietes keine Hecken und Kopfbäume mehr vorhanden sind, sind umfangreiche Neuanpflanzungen geplant. Gleiches gilt für die Anlage von Streuobstwiesen und Baumgruppen.
Neben diesen Entwicklungsmaßnahmen sind auch Pflegemaßnahmen vorgesehen. Hierzu gehört z.B. die extensive Beweidung, die Mähwiesen- oder Streuwiesennutzung. Weitere Maßnahmen sind z.B. die Mahd von Hochstaudenfluren und Schilfbeständen. Art und Umfang der Pflegemaßnahmen werden aber stark von der betriebswirtschaftlichen Struktur der ortsansässigen Landwirtschaft abhängen. Es bleibt abschließend zu hoffen, dass bald mit einer konkreten Durchführung von Maßnahmen (z.B. Wiedervernässung, Anpflanzungen) begonnen werden kann. Hierzu wird es einer engen Abstimmung mit allen Beteiligten Kreis-, Stadt- und Kurverwaltung, Parteien, Landwirte, Forstamt sowie interessierte Bürger bedürfen.