Von Wolfgang Marcus; in: Aus Kuotten… 1993, Nr. 54
I. Viehbestand
Ergebnisse von Viehzählungen spiegeln die landwirtschaftliche Geprägtheit eines Ortes sowie eine Vielzahl von wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gegebenheiten wider. Das reicht vom Einfluss von Kriegs- und Notzeiten auf die Höhe des Viehbestandes bis hin zu Rahmenbedingungen, die durch die EG-Agrarpolitik gesetzt werden. Im Folgenden möchte ich tabellarisch die Ergebnisse von Viehzählungen aus den letzten 200 Jahren wiedergeben und anschließend kurz erläutern und bewerten als Nichtlandwirt sicherlich nicht erschöpfend. Für Anregungen und Kritik besonders aus dem Bereich der Landwirtschaft bin ich jederzeit dankbar.
Meine Quellen waren Unterlagen aus dem Staatsarchiv Münster [Fot. Samml. 645, 649, 657], dem Kreisarchiv Soest [Bestand A 1594 bis 1597] und dem Stadtarchiv Erwitte.
Die Abkürzungen bedeuten: H = Zahl der Halter; T = Zahl der Tiere.
Wo keine Eintragungen ausgewiesen sind, liegen mir keine Zahlen vor. –
Betrachtet man die Zahl der Viehhalter, so wird deutlich, dass etwa bis zum 2. Weltkrieg fast jeder Haushalt auch Vieh gehalten hat, zum größten Teil zur Sicherstellung der eigenen Ernährung. Erst in den Jahren des “Wirtschaftswunders” fällt diese Notwendigkeit weg, es gibt ausreichend und genug verhältnismäßig preisgünstige Nahrungsmittel zu kaufen.
Dennoch hat Bad Westernkotten im Vergleich mit allen anderen Ortsteilen der Stadt Erwitte einschließlich der Kernstadt auch heute noch die meisten Viehhalter sowie bei allen Tierarten bis auf die Pferde die höchsten Bestände. Dies macht deutlich, dass unser Kurort immer noch sehr ländlich geprägt ist.
Bis kurz vor der Jahrhundertwende war die Zahl der Rinder in Bad Westernkotten noch höher als die der Schweine. Die Zahl der Rinderhalter hat sich in den letzten 35 Jahren auf ein Viertel verringert und liegt heute bei 15, nicht zuletzt ein Hinweis auf den Trend zur Massentierhaltung. Auffällig auch der deutliche Rückgang der Zahl der Milchkuhhalter und der Milchkühe: Besaßen 1957 noch 66 von 67 Rindviehhaltern auch Milchkühe, so waren es 1992 von 15 Rinder-Haltem nur noch 5 mit Milchkühen; die Zahl der Milchkühe ging im gleichen Zeitraum von 361 auf 121 zurück. In diesen Zahlen spiegeln sich nicht zuletzt die EG-Agrarpolitik mit den Quotenregelungen für Milch sowie die weiteren Anstrengungen zur Verringerung des Milchkuhbestandes im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft.
Die Schweinehaltung hatte in Bad Westernkotten in den 80er Jahren unseres Jahrhunderts ihren Höhepunkt, so kamen im Jahre 1986 7428 Schweine auf 35 Halter! Erst der Preisverfall bei Schweinefleisch und die insgesamt schlechter werdenden Rahmenbedingungen für die landwirtschaftlichen Klein- und Mittel umgekehrt. Probleme entstehen im Bereich der Schweinehaltung auch durch die zumeist intensiven Geruchsemission einer Massentierhaltung auf Güllebasis; die sich nicht immer einfach mit den Interessen eines Kur- und Wohnortes in Einklang bringen lassen.
Ziegen hat es in Bad Westernkotten bis 1971 gegeben. Über 90 Jahre, also etwa seit 1880, haben die Ziegen nicht unwesentlich das Bild unseres Dorfes geprägt. Als “Kuh des kleinen Mannes” weideten die Tiere, angepflockt an Wegrändern und Böschungen, gaben ihren Besitzern Milch, Käse und Fleisch. Heute meckert – wenigstens laut Viehstatistik, in der Kleinstviehmengen nicht alle registriert sind – keine Geiß mehr im Kurort, eigentlich schade, denn gerade an solch einer Kleintierhaltung erfreuen sich nicht nur Kinder, sondern sicherlich auch viele Kurgäste. Das gleiche trifft auch für andere Kleintiere wie Puten, Enten, Gänse usw. zu. Hier könnte ein ländlicher Kurort wie Bad Westernkotten noch einiges tun.
Die Zahl der Schafe ist über die Jahrhunderte relativ konstant geblieben. Vor allem in der Pöppelsche sind sie als “aktive Naturschützer” unentbehrlich, indem sie die Verbuschung der wertvollen Trockenrasenflächen verhindern.
Pferde als Zug- und Reittiere hatten in unserem Ort ihre Blütezeit in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Die zunehmende Mechanisierung der Landwirtschaft hat die Pferde dann (fast) aus dem Ortsbild verschwinden lassen. Schön finde ich, dass von Erwitte aus das Erwitter Bruchgebiet durch den Reitstall und den Reiterverein eine sinnvolle Nutzung erfährt. Dadurch wird – hoffentlich auch auf Zukunft hin – eine Umwandlung der Weiden in diesem Bereich in Ackerland verhindert, wie wir es an vielen Stellen nicht nur in unserem Ort erleben.
Nachfolgend noch ein paar Zahlen zu anderen Kleintierarten: Kaninchen gab es im Jahre 1917 exakt 279 in Bad Westernkotten, 1928 wurden 133 gezählt. Neuere Zahlen liegen mir nicht vor.
302 Enten, Gänse und Puten gab es im Jahre 1897, 1973 hatten 4 Halter insgesamt 175 Tiere.
1883 wurden 49 Bienenstöcke gezählt, 1893 schon 73. Im Jahre 1973 hatten 3 Imker insgesamt 105 Bienenstöcke.
Auch für Esel liegen einige Zahlen vor: 1760 wurden 13 Esel registriert, 1781 nur noch 3. 1883 waren es 7, zehn Jahre später noch 4.
Wolfgang Marcus