Von Wolfgang Marcus [in: Aus Kuotten…1993, Nr. 49 – 51 (Drei Folgen)
In lockerer Folge möchten wir in den weiteren Ausgaben von “Aus Kuotten düt un dat…” vorstellen, wie die Stadt Erwitte und die einzelnen Ortsteile in Reiseführern dargestellt werden. Reiseführer sind ein nicht zu unterschätzender Werbeträger für eine Stadt wie Erwitte, besonders auch für den Stadtteil Bad Westernkotten. Die Erwähnung oder Nichterwähnung ermöglicht Rückschlüsse auf die geographische, wirtschaftliche aber auch kunsthistorische Bedeutung unserer Stadt sowie auf das Image im In- und Ausland.
Wir möchten beginnen mit dem DuMont Kunstreiseführer “Östliches Westfalen”, Köln, 4. Auflage
1989, von G. Ulrich Großmann. Während Lippstadt in diesem Führer immerhin 7 Seiten und zahlreiche Abbildungen gewidmet sind, wird Erwitte auf einer Seite und mit einem Foto vorgestellt. Im Einzelnen werden nur die Laurentiuskirche, der Kirchhof, das Haus Droste (Krankenhaus) und das Landsberg ’sche Schloss vorgestellt. Von den anderen Ortsteilen schien dem Verfasser in diesem (anspruchsvollen) Kunstreiseführer nichts (!) erwähnenswert. Hier nun der Text (S. 116/117):
Die katholische Kirche St. Laurentius in Erwitte ist durch die romantische Reliefplastik an den Triumphbogensäulen und an den Querhausportalen berühmt. Unter Verwendung von Mauerwerk aus dem 11. Jahrhundert entstand der heutige Bau um 1170, abgesehen vom erst im 13. Jahrhundert hinzugefügten Westturm. Die dreischiffige Basilika, deren Seitenschiffe bis 1896 erneuert wurden, hat ein breit ausladendes Querhaus mit Chor und südlicher Nebenkapelle. Die Architektur spiegelt die Abhängigkeit sowohl von Paderborn wie von Soest wieder. Vor allem im Innern, mit Blick auf das überkuppelte Querhaus und die Apsis, wird die Beziehung zu St. Patroklus in Soest recht deutlich. Die Turmhalle war einst der für den Paderborner Bischof reservierte Westchor, sie ist durch ein achtstrahliges Rippengewölbe mit hängendem Schlussstein besonders hervorgehoben, eine für das 13. Jahrhundert recht aufwendige Bauform. Bemerkenswerte Bauplastik haben schon die Querhausportale mit ihren Tympana, Am südlichen Tympanon sehen wir den drachentötenden Michael, begleitet vom hl. Laurentius, dem die Kirche geweiht ist. Das Nordportal lässt den segnenden Christus zwischen den Symbolen der Evangelisten Matthäus und Johannes erkennen. Dem Bogen zwischen Querhaus und Chor sind Ecksäulen vorgestellt, die skulptiert sind: Die Säulenschäfte zeigen Seraphim (d.h. Engel mit vier Flügeln, nach Ezechiel 1.24), die auf einer Leiter herabsteigen. Die Büsten an den Säulenbasen werden als Königin von Saba und König Salomon (im Süden) sowie Kaiser Konstantin und Heraklius gedeutet, die mit der Kreuzeslegende in Zusammenhang stehen (Sieg Konstantinus an der Milvischen Brücke unter dem Kreuzeszeichen; Befreiung des Kreuzes aus der Hand der Perser durch Heraklius). An den Kapitellen erkennt man Engel sowie die Kreuzesauffindung durch die Kaiserin Helena (betend) und den von ihr gezwungenen Helfer, Judas Cyriakus (mit dem Kreuz und einem Spaten; Abb. 56). In der Gestaltung lassen sich Verbindungen zur romanischen Plastik von St. Patroklus in Soest ziehen. Wahrscheinlich gehören die Bauplastik hier und die und die Tympana dort einer um 1170 arbeitenden Werkstatt an. R. Budde bringt die. Ikonographie der Chorsäulen auf einen einfachen Nenner: “die Verehrung des HI Kreuzes durch die Menschen und durch die Engel, also im Himmel wie auch auf Erden”. Als weiteres Werk der romanischen Plastik um 1170 ist das Dedikationsrelief in der südlichen Nebenapsis zu nennen. Es trägt das Bild eines Geistlichen, der die Weihe der Kirche vornimmt, so wie die Hand Gottes, die Weihe entgegennimmt. – Aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts stammt der kleine Kruzifixus über dem Altar, noch in romanischer Tradition, wie an der strengen Haltung Christi (Viernagel-Kruzifix”, also parallele Beine) sichtbar wird. An barocker Ausstellung ist nur wenig zu erwähnen: Die Pieta im südlichen Seitenschiff, um 1630 von Heinrich Gröninger geschaffen, zeigt Maria im Relief und Christus in vollplastischer Form, hinter den Figuren die sieben Schwerter als Zeichen der sieben Schmerzen Marlens. Vom ehemaligen, nur in Resten erhaltenen Hochaltar befindet sich an der Südquerhauswand das Altargemälde, 1763 von Anton Joseph Strahtmann, die Himmelfahrt Mariens. Die Orgel (1958-61) birgt noch Teile der Vorgängerwerke des 17. bis 19. Jahrhunderts.
Nördlich des Kirchhofs, der weitgehend geschlossen von Fachwerkbauten des 16. bis 19. Jahrhunderts gerahmt wird, befindet sich das 1701-03 erbaute Krankenhaus (Adelssitz Haus Droste). Ein Kanal führt an der erneuerten Wassermühle vorbei bis zu einem Wasserschloss aus dem frühen 17. Jahrhundert (Herren v. Landsberg zu Erwitte). Es hat zwei Risalite an der Hofseite, einen quadratischen Turm außen sowie mehrere Aborterker.
Erwitte — und das trifft in viel stärkerem Maße noch auf die Ortsteile zu — ist in vielen der bekannten Reiseführer leider nicht erwähnt. Das liegt unter anderem daran, dass der östliche Hellwegraum seit Jahrhunderten ein Übergangsraum ist und nicht eindeutig einem der benachbarten Großräume zuzuordnen ist, die sehr häufig das Thema für einen Reiseführer bilden. Als Beispiel hierfür können die Merian-Hefte angeführt werden: Der Band über das Sauerland reicht — naturräumlich und geographisch gesehen richtig — im Norden bis zum Möhnetal, die Ausgabe “Münster und das Münsterland” im Süden bis an die Lippe bei Lippstadt.
Ähnlich verhält es sich unter anderem mit den Polyglott-Reiseführern. Meines Erachtens liegt hier eine wichtige Aufgabe der Stadtverwaltung – Abteilung Wirtschaftsförderung -, der Solbad und dem Gewerbeverein/Kur- und Verkehrsverein in Erwitte bzw. Bad Westernkotten, Abhilfe zu schaffen. Und sei es zunächst nur dadurch, dass man sich bei den entsprechenden Verlagen nachhaltig in Erinnerung bringt. Denn zu verstecken brauchen wir uns mit Teilen unseres Stadtbildes und unserer Landschaft sicherlich nicht …
Umso erfreulicher ist es, dass Reiseführer, die sich eher an politischen Grenzen orientieren,
Erwitte zumeist durchaus erwähnen. Als Beispiel soll hier “Knaurs Kulturführer in Farbe: Nordrhein-Westfalen”, München 1993, zitiert werden. Darin wird Erwitte -leider nur die Kernstadt — auf den Seiten 260/261 wie folgt erwähnt:
„Erwitte, 7 km südlich von Lippstadt, seit 9. Jh. bekannter Ort am Hellweg mit Königshof, mehrfach Aufenthalt sächs. Herrscher, 1936 Stadtrechte.
- Katholische Pfarrkirche St. Laurentius: Urpfarrei, kreuzförmige Gewölbebasilika um 1170, Wehrturm und Westchor Mitte 13. Jh., an den Querhausportalen u. Triumphbogensäulen Reliefplastik von 1170.
- Altes Rathaus (am Markt): ehem. Kurkölnisches Gerichtshaus, eingeschossiger Bau, Freitreppe und barockes Sprenggiebelportal mit Wappen des Erzbistums Köln von
- 1716.
- Neues Rathaus (am Markt): sog. Königshof, prächtiger Fachwerkbau, Kern 16. Jh.
- Städtisches Krankenhaus: ehem. Herrenhaus der Familie von Droste, stattlicher Rechteckbau, Barockportal (1703).
- Schloss Erwitte: Wasserschloss Anfang 17. Jh. 1934 umgebaut, Freitreppe und Barockportal
Fortsetzung:
Ich möchte diesmal auf den HB-Bildatlas „Teutoburger Wald/Ostwestfalen“ eingehen (HB-Verlag Hamburg 1990) und in diesem Zusammenhang besonders auf die Darstellung bzw. Nichtdarstellung Bad Westernkottens. Zunächst aber ist zu erwähnen, dass die Stadt Erwitte in dieser Ausgabe der sehr beliebten Reihe immerhin vorgestellt wird, und zwar durch ein sehr schönes Foto des Erwitter Schlosses (Seite 67) und den nachfolgenden Text mit Bezug zu der entsprechenden Karte ((Seite 70/71):
„Erwitte. Seit dem 9. Jh. bekannter Ort am Hellweg mit Königshof. Der Turm von St. Laurentius (um 1170) erinnert an die Dome von Paderborn und Soest; großartige Reliefplastiken an den Portalen der Querhäuser und an den Triumpfbogensäulen. Am Markt das ehemalige kurkölnische Gerichtshaus um 1716 und der „Königshof“ mit Schnitzereien aus dem 16. Jh. Das Wasserschloss (17. Jh.) zeigt Einflüsse der Weserrenaissance.“
Bedauerlich finde ich, dass in diesem Reiseführer Bad Sassendorf textlich und mit zwei schönen Fotos aus dem Kurpark und Bad Waldliesborn textlich sowie mit einem halbseitigen Foto der Kurpromenade vorgestellt werden, von Bad Westernkotten, dem dritten Heilbad in unserer Region, aber nichts (!) zu sehen und zu lesen ist. Meine Meinung: Hier sind die Verantwortlichen, das heißt vor allem die Solbad GmbH und der Kur- und Verkehrsverein, dringend gefordert, Abhilfe zu schaffen.
Mit den Gradierwerken, dem Muckenbruch, dem Naturschutzgebiet Pöppelsche, aber auch etwa mit der Schäferkämper Wassermühle, haben wir Reiseziele, die auch für den auswärtigen (Kurz-)Besucher von hohem Freizeitinteresse sind! W. Marcus
Hinweise und Mitteilungen:
- Juden in Westernkotten um 1800.
Die Angaben, die ich im Heimatbuch von 1987 auf den Seiten 232/233 zu den Juden in Westernkotten (3. Teil) zum Teil noch recht vage formuliert habe, können jetzt bestätigt werden. Im erst jetzt ausgewerteten ältesten Familienbuch der kath. Pfarrei Erwitte (Register Abt. Ill, Bd. X, Nr. 17) befindet sich ein Häuserverzeichnis, das ca. 1780 angelegt wurde, Darin finden sich die folgenden jüdischen Familiennamen, deren Wohnstandort aus-der Reihenfolge und dem Vergleich der alten Hausnummern mit den späteren Veränderungen ermittelt werden kann:
1. Lfd. Nr. 168: Jude Isaac, heute Aspenstr. 1 (Niggenaber)
2. Lfd. Nr. 171: Jude Leiser, heute Osterbachstraße 4 (Ising)
3.Lfd. Nr. 187: Jude Heimann, heute Alter Markt 3 (Gockel)
Die gleichen Namen, zum Teil in etwas anderer Schreibweise, finden sich auch in dem zweiten, im Jahre 1825 angelegten Häuserverzeichnis.
- Wüstungen um Bad Westernkotten.
Wer sich eingehender mit den untergegangenen Siedlungen Ussen, Soeke, Aspen, Hockelheim, To dem Rade und den partiellen Ortswüstungen Weringhausen (Weringhoff), Osthem (Hof zur Osten) und Hoensberge (Domhof) sowie der wüsten Gräftenanlage Erlehof beschäftigen will, sei auf das umfangreiche Werk von Dr. Jürgen Bergmann “Die Wüstungen des Geseker Hellwegraumes” verwiesen, dass 1989 zum Preis von 65 DM beim Aschendorff-Verlag in Münster erschienen ist. Das Buch mit seinen zahlreichen Karten, Tabellen und geschichtlichen Angaben ist eine wahre Fundgrube für den an der mittelalterlichen Wüstungsbildung Interessierten. Aufmachung, Inhalt und Darstellung des Buches rechtfertigen den auf den ersten Blick hohen Preis allemal. –
Aus dem Bereich der Stadt Erwitte werden darüber hinaus auch noch die Wüstungen Glashem und Suberninchusen (Söbberinghoff) und einige weitere mehr aus dem Bereich der Kernstadt behandelt. Das Buch eignet sich gut als Geschenk für den historisch Interessierten.
W. Marcus