Von H. G. Ossenbühl (Dorsten) [aus: Heimatblätter 1964, S. 28]
Das Erzstift Köln war schon in alter Zeit in Erwitte und südlich davon in Anröchte begütert. Außerdem besaß Köln, wenn auch anfänglich nicht unbestritten, das dortige Gogericht. Kirchlich gehörte das Gebiet gleichfalls zu Köln. Aber seine Herrschaft wurde durch Paderborner Rechte beeinträchtigt, da seit 1027 das Bistum den Königshof Erwitte mit gewissen gerichtshoheitlichen Rechten besaß, die über den normalen Status einer Grundherrschaft hinausgingen. So gab es auch ein Paderborner Amt Erwitte, das später auch Amt Westernkotten genannt wurde, Es war aber kein eigentliches Amt im Rahmen der Landesorganisation, sondern es umfasste nur die Verwaltung der grundherrlichen Villikation Erwitte mit den anhängenden Rechten und später die der Salzwerke in Westernkotten. Es kann uns daher nicht verwundern, wenn 1324 Bischof Bernhard von Paderborn anlässlich der Schenkung eines Hofes an das Kloster Benninghausen von seinem Amt Erwitte spricht: „… mansum ad officium meum in Ervethe pertinentem“ in Soberinchusen (der Söbberinghof liegt bekanntlich südlich von Erwitte).
Ein kölnisches Amt Erwitte befindet sich nicht unter den im Jahre 1333 an Marschall Bertold von Büren verpfändeten Ämtern in Westfalen. Es scheint demnach um diese Zeit noch nicht bestanden zu haben, denn alle übrigen damals bestehenden Ämter im Herzogtum sind in der Pfandverschreibung aufgeführt. Aus dem 14. Jahrhundert fehlt überhaupt jede Nachricht über ein kölnisches Amt Erwitte.,
Das Erwitter Gogericht, das in der Marschallserkundigung 1306/08) als einzige Gerechtsame und Einnahmequelle in diesem Gebiet angeführt wird, gehört zu den ältesten Kölner Gografschaften. Paderborn musste auf seine Ansprüche Verzicht leisten. So heißt es denn im Friedensvertrag von 1256 zwischen Erzbischof Konrad von Hochstaden (1238 bis 1261) und Bischof Simon von Paderborn, „Item altum iudicium apud Eruethe, quod hochgerichthe dicitur, obtinebit Archiepiscopus eo modo per omnia, quo sui predecessores obtinuerunt“. Die Gografschaft ist dann auch stets kölnisch geblieben. Allein auf ihren Besitz haben die Erzbischöfe ihre Landeshoheit in diesem Gebiet begründet, aber nicht unangefochten durch Paderborn, und unter bestimmten Einschränkungen.
Obwohl das Erwitter Gebiet schon wegen seiner Lage stets zum kölnischen Herzogtum Westfalen gehörte und in den wenigen Nachrichten, die wir darüber besitzen, auch stets als dazu gehörig betrachtet wird, wird uns zum Jahre 1413 folgende Tatsache urkundlich übermittelt: Der Bischof Wilhelm von Paderborn setzte in diesem Jahr Gerd von Ense für eine Forderung von 1450 Gulden in das Amt Erwitte ein.
Wie schon oben ausgeführt, müssen wir in diesem Fall darunter die aus dem Bestand des ehemaligen Königshofes Erwitte bestehende Paderborner Villikation verstehen und kein landeshoheitliches Amt. Wenn ferner berichtet wird, dass gegen Ende des 18, Jahrhundert das Amt Erwitte und Westernkotten zwischen Köln und Paderborn gemeinsam gewesen ist, so ist das sachlich unrichtig. Die Landesherrschaft lag ausschließlich bei Köln. Nach vielen Streitigkeiten und immer wieder verbesserten Verträgen gingen die Paderborner Rechte nur wenig über die einer Grundherrschaft hinaus. Sie waren folglich fast ganz privatrechtlichen Charakters.
Anders kann man auch die Paderborner Oberaufsicht über die Salinen in Westernkotten und den dafür eingesetzten Amtmann und Samtrichter nicht auffassen. Die Erträge der Salzwerke wurden zudem zwischen beiden Kirchenfürsten geteilt.
Vielfach wurde das Amt auch nach der Burg Anröchte, die Residenz des kölnischen Drosten war, oder nach dem Dorfe Westernkotten benannt. So heißt es in einem Reversale Bertolds von Plettenberg, das die Überschrift „super officio Anrüchte et Kotte“ trägt, daß ihm 1441 „burch und huyß zu Anruchte undt dat ampte zu den Kotten amptz wyse“ vom Erzbischof von Köln übertragen worden sei, Ebenso bekundet Heinrich von Ense 1457, dass ihm das Amt Westernkotten für 1450 Gulden pfands- und amtsweise übergeben worden sei. Wegen Bedrückung der Untertanen sei er von der Landesregierung zur Genugtuung herangezogen worden, worüber er sich mit dem Erzbischof verglichen habe und ihm darauf das Amt frei zurückgegeben habe.
In den Farragines des Gelenius im Kölner Stadtarchiv heißt es: „Erwitte 2000 communicantes, pagus vallo circumseptus et satrapia, olium solum gograviatus“ und von Anröchte: „Anröchte, 450 communicantes, oppidum, sub satrapia Erwittensi, cuius satrapas (Droste) in Anrucht residens, vocari solet satrapas Anruchtensis“”. Erwitte hatte also 2000 Einwohner und war Sitz des kölnischen Gografen, Anröchte, 450 Einwohner, war Sitz des kölnischen Drosten. Zu diesem Amt gehörten „Vullinghausen, Stirpe, Wekinghausen, Westernkotten, Eicolo“ und natürlich Erwitte und Anröchte.
In späterer Zeit wird das Amt Erwitte, obwohl stets ein Amtmann oder Droste an der Spitze seiner Verwaltung stand, meist nur als Gografschaft bezeichnet. So wurde betont, dass ihr Besitz allein maßgebend für die kölnische Landeshoheit war. Die Grenzen von Go und Amt stimmten völlig überein.