1959: Gunkel, Heribert: Westernkotten. Beiträge zur Entwicklung vom Sälzerort zum Badeort im Laufe der letzten 150 Jahre, Münster 1959

Vorbemerkungen
Heribert Gunkel hat diese Examensarbeit im Fachbereich Geographie in Münster geschrieben. Ein Exemplar befindet sich im Staatsarchiv Münster, Bohlweg 2, unter der Nummer „Examensarbeiten Nr. 484“. – Ich habe mich 1986 mit dem Staatsarchiv in Verbindung gesetzt und durfte mir dann mit Einwilligung des Archivs Kopien machen. Meine Kopien umfassen die Gliederung und die Seiten 52 ff., die sich auf den Badeort beziehen, sie sind also ein Auszug aus der gesamten Arbeit, die immerhin einschl. Literaturangaben 68 Seiten umfasst.
Im August 2024 habe ich die o.g. Seiten transkribiert, allerdings die Fußnoten in Endnoten umgewandelt. Kleinere Fehler sind nicht auszuschließen. – Herr Heribert Gunkel war übrigens ein Verwandter von Josef Gunkel, der von 1970 bis 1981 Schulleiter in Bad Westernkotten war. (siehe Endnote 1) Fotos, Tabellen und Listen sind hier auf der Homepage am Ende des Aufsatzes zusammengefasst.WM
Inhaltsverzeichnis der Gesamtarbeit:
A. Einleitung: Vom Salz und seiner Bedeutung
B. Westernkotten: Die natürlichen Grundlagen
Lage – Geologische Verhältnisse – Klima und Wetter – Gewässer – Vegetation
C. Westernkotten: Beiträge zur Entstehung und Entwicklung bis zur 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts
D. Westernkotten: Beiträge zur Entwicklung von der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts bis 1949
Der Sälzerort
a) Besitzverhältnisse
b) Salinenbetrieb

Verwaltung: Satzungen, Beamte und Arbeiterschaft
Brunnen – Bohrungen
Gradierung – Siedung – Absatz

Der Badeort [Seiten 52-68 und Teile des Anhangs]
a) Von 1844 — 1950
b) Von 1950 – 1959
Zusammenfassung
Anhang: Bilder, Tabellen und Karten; Literaturverzeichnis


Der Badeort von 1844 – 1950 und von 1950 – 1959
Die letzten Sätze des Abschnitts über die Salzindustrie wurden damals auch noch kopiert:
…Dortmund B, Gr.118). In den Listen den Salzdüngerverkauf betreffend (Ungeordnete Akten der Saline Westernkotten im Staatsarchiv Münster) werden neben den Wohnorten auch die Namen der Käufer angegeben. 1910 stellt die von Papensche Saline Westernkotten 3700 kg Düngesalz I. Sorte und 250 kg Düngesalz II. Sorte her (Arch. Antfeld, Rentei Westernkotten, Salinenbetriebe v. Papen).
Nach persönlicher Mitteilung der Bauern Eickmann und Hoppe-Klosebaum wurde in Westernkotten von den Landwirten Salzdünger gern auf Kleeland gestreut.
I. Der Badeort von 1844 – 1950
Die Anfänge des Badewesens in Westernkotten liegen vor 1844. Sie gehen auf die Initiative des Rentmeisters Erdmann zurück. Als beim Reinigen der Solbrunnen der Sieder Rittelmeier sich eine Kohlensäurevergiftung zugezogen hat, verordnet ihm der Kreisphysikus 18 – 24 Solbäder. Die Kosten der Bäder belaufen sich auf 12 ½ Sgr. (vgl. Oberbergamt Dortmund B. Gr. 118). 1851 wird berichtet, dass Erdmann um die Genehmigung zur Erzeugung von Badesalz nachsucht. Dies wird ihm von höchster Stelle (Berlin) gewährt. Sein Bad weist noch einfache technische Vorrichtungen auf. In seinem Garten hatte er ein Bohrloch von 150″ Tiefe niedergetrieben. Die Bohrung lieferte eine Rohsole von 6 ½ % Salzgehalt. Ihre Schüttung reichte aus, um täglich 30 – 40 Bäder zu verabreichen. In dem Bericht wird dann die Vermutung ausgesprochen, dass Erdmann die Badesalzbereitung bald drangeben wird,“ da es ihm sowieso an Geldmitteln, Räumen und Gerätschaften fehle“. Der Badebetrieb beginnt also auf privater Grundlage und bleibt auch weiterhin bis 1950 in privaten Händen. Die Salinenbesitzer zeigen kein besonderes Interesse für den Ausbau des Bades.
Am 7. Oktober 1872 beantragt W. Wiese die Genehmigung, das Bohrloch Nr. 9 in seinem Garten für Badezwecke zu benutzen. Dies wird ihm unter folgenden Vorbehalten gewährt: 1. Das 160 Fuß tiefe Bohrloch darf nicht tiefer gebohrt werden; 2. Es ist der Salinengesellschaft freigestellt, die Erlaubnis jederzeit zurückzuziehen, falls eine Benutzung der Bohrung zur Salzfabrikation erforderlich wird (vgl. Amt Erwitte, Alte Registratur, Fach 61, Nr.7, Solequellen und Solbad Westernkotten).
Für die Benutzung der Sole zahlt Wiese eine jährliche Pacht von 250,- Mark (1905). Die Zahl der Badezellen vergrößerte sich im Laufe der Zeit von 6 auf 14; die Zahl der Bäder stieg stetig an. Nach einer Verfügung vom 20. Juli 1885 Nr. 3362 des Landrates muss alljährlich ein Bericht an den Kreisphysikus in Lippstadt über Zustand des Solbades, Zahl der Bäder und über Verbesserungen an Einrichtungen eingereicht werden (s. Tabelle).
Nach den Forderungen des Balneologischen Kongresses 1898 in Wien werden an einem Kurort folgende Anforderungen gestellt:

  1. Es ist ein ortsansässiger Arzt zu verlangen.
  2. Die sanitären Einrichtungen des Kurhauses und der Pensionen sind zu überwachen.
  3. Für Entwässerung, Abwasserbeseitigung und Wasserversorgung, Einrichtung eines Desinfektionsraumes sind Vorkehrungen zu treffen.
    Die Badesole in Westernkotten weist seit alters her guten Heilerfolg bei Gicht, Rheuma, Herz und Nervenleiden auf. Um die Entwicklung des Bades nach außen hin zu fördern, stellt Wiese den Antrag, Westernkotten in „Bad Westernkotten“ umzubenennen. Dieser Antrag wird vom Minister des Innern als unbegründet abgelehnt.
    Als die Lage auf dem Salzmarkt seit Herbst 1897 sich verschlechterte und eine Einigung mit süddeutschen und Elsass—lothringischen Salinen aussichtslos erschien, regte der Salinendeportierte R. Jesse die Errichtung einer größeren Badeanlage durch Gründung einer Aktiengesellschaft der Salinenbesitzer an. – Zur Begründung seines Vorschlages nannte er folgende Punkte:Die schöne Lage der Quelle und ihre Güte, 30 bis 40 Morgen Land, die zu einem Kurpark ausgebaut werden könnten, sind in der Hand von Salineninteressenten; die Eisenbahnlinie Lippstadt-Beckum, Lippstadt-Belecke-Brilon schafft direkte Verbindung zum Münster- und Sauerland. Eine Pferdebahn zum Westernkötter Bahnhof könne gleichzeitig zum Salz- und Kohletransport mitbenutzt werden.
    Wäre man auf diese Vorschläge eingegangen und hätte die gegebenen natürlichen Grundlagen für die Anlage des Bades genutzt, so wäre die Entwicklung in Westernkotten schon eher in eine andere Richtung verlaufen. Sowohl der Graf von Landsberg wie auch der Baron von Papen sind nicht bereit, Kapital für die Errichtung eines Bades nach den Jesseschen Vorschlägen herzugeben. Sie erklären sich lediglich bereit, das erforderliche Land, soweit es in ihrem Besitz ist, für diesen Zweck pachtweise zu überlassen.
    II. Der Badeort von 1844 – 1950
    Als die Salzproduktion immer unrentabler wird‚ bekommt der Repräsentant des Markgrafen von Meißen, Dr. Ing. Weiken, den Auftrag, den Besitz in Westernkotten zu verkaufen, notfalls auch in kleineren Teilen. Zuerst erhält das Land Nordrhein-Westfalen (nach „Lippstädter Nachrichten“ vom 9.9.1949) ein Kaufangebot, weil doch ein Steuerausfall von 100 bis 200.000 Mark schätzungsweise eintreten würde bei Stilllegung oder anderweitigem Verkauf. Das Land lehnt ab, und das neue Siedehaus an der Westernkötter Straße geht in die Hände der Firma Huth (Bekleidung GmbH) über. Jetzt raucht kein Schornstein mehr über den Pfannen. Sie werden ausgebaut, und nach einiger Zeit bietet die Hütte auch nach außen das Bild eines modernen Fabrikationsbetriebes (helle Farben, weite Fenster). Das Salzreservoir am Eingang des Platzes dient an heißen Sommertagen den Betriebsmitgliedern als „Süßwasserbad“. Bei den Kaufverhandlungen aber war das Recht an Sole, Gradierwerken und darum liegendem Gelände außer Betrachtung geblieben, denn dafür fanden sich andere Interessenten. Aus der Gemeinde Westernkotten, besonders vom damaligen Bürgermeister und einigen Gemeindevätern, kam die Anregung, diesen alten Besitz für die Allgemeinheit zu erhalten und nutzbar zu machen. So hatten die Spekulationen einzelner Bauern nicht Erfolg. Am 10. April 1951 erwirbt die Solbad GmbH Westernkotten auf einer Versammlung im Kurhaus die Rechte des Markgrafen von Meißen an 30 Morgen Land, Gradierwerken und die an der Solquelle. Zu der Bildung der GmbH unter Beteiligung der örtlichen Körperschaften war es auf Initiative der Provinzialverwaltung (Landeshauptmann und zuständiger Dezernent) gekommen, denn damals hatte diese ein großes Interesse daran, für die Volksgesundheit „im Kleinen“ zu sorgen, da viele große Bäder von der Besatzungsmacht beansprucht wurden. Auch der Kreis Lippstadt beabsichtigte damals, ein soziales Volkswerk für Kriegsbeschädigte, Kranke, Invaliden und Kinder zu bauen. Ihm wurde auch die Saline für 140.000 Mark angeboten. Nach vielen langwierigen Verhandlungen brachte es der Kreisheimatpfleger Laumanns in Lippstadt zustande, dass die Städte Lippstadt und Geseke, die Ämter Störmede und Anröchte sich der Solbad GmbH entschlossen und finanziell beteiligten.
    Die Gemeinde Westernkotten hatte genau wie das Amt Erwitte je 25.000 DM zur Verfügung gestellt. So kam die Kaufsumme von 150.000 DM zustande. Der Provinzialverband leistete Sachausgaben in gleicher Höhe. Er baute bis zum Jahre 1950 das vorhandene Kurhaus und die Nebengebäude aus und richtete das Provinzialmütterheim (alte Scheune Wiese) ein (ca. 60 Betten). Die gute Bauform des Kurhauses (das anschließende Mütterheim mit Oberbau aus Fachwerk) ist ein Schmuckstück des Dorfes. Auf das äußere Bild (keine Beschilderung: Badearzt) wird besonders geachtet.
    Anstrich und Blumenschmuck gewähren ein freundliches Bild. Das Innere des Kurhauses zeugt von gediegenem Geschmack, weist Teile einer münsterländischen Bauernstube auf: Kamin mit Anlage für offenes Herdfeuer, über dem Sims ein bäuerliches Tanzpaar (Tracht Münsterland) aus Mosaiksteinen in Naturfarben, Zinngeschirr auf dem Bord über der Theke, altdeutsche Holzverkleidung hinter der Theke, ‚ früher auch Flechtstühle. In neuerer Zeit wurde ein Wintergarten in modernster Form (Glaspalast) zum Garten hin angebaut. Gepflegte gärtnerische Anlagen umgeben den gesamten Gebäudekomplex. Ein altes Fachwerkhaus (Kemper), das zu nahe an der Nordseite des Mütterheimes stand, wurde abgebrochen (der bunte Giebel ist in einem Museum erhalten) und gab Platz für Bürgersteig, Parkplatz und Grünanlagen. Auf die Ausgestaltung des Vorplatzes, die Führung der Straßenfluchten wurde besonders geachtet (s. Bild). Das ans Kurhaus nach Süden anschließende Badehaus geht auf die alten Gebäude des Wieseschen Bades zurück. Es wurde natürlich umgestaltet, nach neuesten Gesichtspunkten verändert (zweimal), so dass ein einwandfreier Badebetrieb in ungestörter Reihenfolge sich abwickeln kann. Freundliche Gestaltung der Flure und Aufenthaltsräume (Liegeräume nach dem Bade), die Einrichtungen des Inhalationsraumes, der Badezellen (18) des CO 2-Trockenbades (2) sind heute technisch und balneologisch als einwandfrei auch gegenüber modernen anderen Bädern zu bezeichnen, so dass dem Ziele des Bades voll gedient werden kann: „Die Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege und der vorbeugenden Heilfürsorge“ (Heimatbuch, S.200, Kurdirektor Klinkhammer).
    Grundlage des gesamten Heilbades ist, wie schon angeführt, die „kohlensäurereiche Thermalsole“ (Geologisches Landesamt Krefeld 1952). Die Tabelle gibt Aufschluss über die Bestandteile der gelösten Salze. In einem Liter Thermalsole sind 87,16 g, in einem Sole-Vollbad 61 Pfund gelöster Stoffe enthalten. – Von besonderem Wert sind neben der Kohlensäure die Bio-Spurenelemente (Kupfer, Mangan, Zink und Brom), deren Wirksamkeit in balneologischer Hinsicht immer mehr Gegenstand der Forschung wird. Der Reichtum an Kohlensäure wird zudem der Behandlung von Herzkranken dienlich gemacht. Die Quellkohlensäure sammelt sich in ausreichendem Maße in dem oberen Teil des Druckbehälters – von dem aus die Sole zu den Wannen geleitet wird -, so dass 2 Trockenbäder verabreicht werden können, bei der großen Anzahl von Herzerkrankungen in der heutigen Zeit ein wirksames Mittel. Somit hat sich der Wert der Kohlensäure für Westernkotten erhöht. Sie fließt mit der Natursole in reichem Maße zu und war lange Zeit doch nur ein Nebenprodukt. Trinkkuren sollen die Behandlung ergänzen. Früher befand sich die Ausgabestelle des Brunnenwassers im Badehaus, heute ist im Kurpark ein modernes Kurmittelheim errichtet, das auch zugleich als Aufenthaltsraum dient (Lesehalle). Auf Wunsch können zur Nebenkur auch noch Fango- bzw. Moorpackungen, Unterwasserstrahl: oder Handmassagen verabreicht werden. Die Heilwirkung der Bäder wird unterstützt durch die salzhaltige Luft (natürliche Emanation) der noch betriebenen zwei Gradierwerke, welche 12 m hoch aufragen. Von großer Wichtigkeit ist die Wirkung der Winde.
    Ohne einen großen, schönen Kurpark ist heute ein Badeort nicht mehr denkbar. In Westernkotten wurde eine gepflegte Grünanlage und ein schöner Baumbestand geschaffen, die mit gärtnerischen Anlagen abwechseln, sich wirkungsvoll in das Gesamtbild einordnen. Durch Vernichtung des Waldes entstand eine „Kultursteppe“ im Felde südlich Westernkottens, so holt man hier die Natur wieder heran und forstet auf, damit bei Spaziergängen in ruhiger Umgebung die nervösen, gehetzten Menschen ihre Gesundheit wiederfinden. Eine Kleingolfanlage und mehrere Federballplätze sorgen für leichte Auflockerung. Die Kurverwaltung hat durch klugen Zukauf und Austausch die Größe der Anlagen auf ungefähr 12 ha erweitert. – Erst vor einigen Jahren erfolgte eine Großanpflanzung von hauptsächlich Laubhölzern (Roterle, Weiden, Eichen, Ahorn), die mit einigen Nadelbäumen (Lärche) durchsetzt sind. Für den Großstädter ist es eine Freude, in der Morgenfrühe sogar Wild (Rehe, Hasen, Kanin, Fasan, Rebhuhn) beobachten zu können.
    Mit allen diesen Anlagen, die sich in und um das Kurhaus gruppieren, entsteht im Dorf ein neues Zentrum. War früher der Königssood der Mittelpunkt, umgeben von Salzhütten und Gradierwänden, ist es heute das Kurhaus. Der Schäferkamp bleibt vom Dorf ziemlich abgeschlossen als bäuerlich ausgerichtete Teilsiedlung. Er wird hauptsächlich nur bei Spaziergängen von den Kurgästen und Dorfbewohnern aufgesucht. Die Gepflegtheit und Gastlichkeit des Kurhauses lassen viele Besucher auch außerhalb der Badezeiten Westernkotten aufsuchen (kulturelle Veranstaltungen). Die einzelnen
    Verkehrsunternehmen haben das längst erkannt. Die Westfälische Landeseisenbahn setzt eine größere Zahl Wagen über und für Westernkotten allein ein. Ein Privatunternehmen bei Geseke, das von dort die Hellweglinie bis Soest fährt, verlässt den Hellweg, um nach Westernkotten Leute aus Eikeloh, Langeneicke und Störmede zu bringen (Badehaus – Kurhaus). Mit dieser Verbindung hat man sogar Autobusanschluss bis Dortmund. Der Zug, dessen Bahnhof außerhalb des Dorfes an der Kreisstraße Lippstadt – Erwitte liegt, hält nur mehr bei Bedarf dort. Es ist von Vorteil, dass der eigentliche Kraftwagenstrom (Hellweg und Bundesstraße 55) außerhalb des Dorfes bleibt, jedoch ein schneller Anschluss an die Verkehrsadern gegeben ist. So kommt eine beträchtliche Anzahl Kraftfahrzeuge nicht nur an Feiertagen nach Westernkotten. Es fällt auf, dass die Angehörigen vieler Kurgäste, besonders auch aus der Arbeiterschicht, per Auto einen Besuch abstatten. Über Nacht sind manche Wagen vor den Privatpensionen abgestellt.
    Auf den Zustrom und die Beherbergung dieser Gäste haben sich die Wirte eingestellt, die über mehrere Fremdenzimmer „nach einem Neu- oder durchgreifenden Umbau“ verfügen, und an diesen Übernachtungen mehr verdienen können (Besting, Dietz, s. Prospekt). Für einen kurzen Besuch mit dem Auto spricht natürlich die Lage Westernkottens als Vorgarten des Industriegebietes. Die öffentliche Gesundheitsfürsorge (Landschaftsverband Westfalen-Lippe), die zuständigen Landesversicherungsanstalten, namhafte Industriewerke an Rhein und Ruhr (s. Tabelle) haben die Bedeutung der Sole für die Gesundung erkannt und schicken von Jahr zu Jahr mehr Personen.
    Zeitlich gesehen läuft die Saison von Anfang Januar bis Mitte Dezember. Die Witterung spielt natürlich auch eine Rolle. In diesem Jahr (1959) lag der Höhepunkt der Kur im September nach Aussage des Kurwirtes, der den größten Teil der Gäste zu verpflegen hat. Die Unterbringung in Wirtschaften, Pensionen und Privatquartieren macht keine Schwierigkeiten. Haben schon die Wirtschaften, soweit sie einen Pensionsbetrieb führen können, sich auf Kurgäste eingestellt, so tat es noch in viel größerem Maße die Gruppe der Privatvermieter. Sie setzten alles daran, einige Zimmer umzubauen oder neu zu erstellen, ja sogar für die kalten Tage mit Heizung zu versehen (Zentralheizung), da sich dann die Entschädigung pro Nacht erhöht. Im Zuge dieser Umwandlung ergab sich hinsichtlich des Um- und Ausbaus von Scheunen und Dielen eine interessante Übersicht (s. Tabelle S. 62, hier auf der HP am Ende des Aufsatzes.WM).
    Wenn man sich die Berufe der Leute anschaut, die Kurgäste aufnehmen, so stellt sich heraus, dass es in überwiegender Zahl Arbeiter, nur in zwei Fällen Bauern und einmal ein Arzt sind. Bei vielen ergibt sich, dass sie gleich in ihrem Neubau die Vermietung von Zimmern an Kurgäste eingeplant haben, um eben den Bau besser tragen zu können.
    Das zeigt sich in den zwei neueren Siedlungen auf der Brede und im Fredegras am augenscheinlichsten. Auf der Brede steht kein Haus, in dem nicht Kurgäste wohnen. In der Fredegras-Siedlung geht man allgemein noch einen Schritt weiter und verpflegt auch die Leute selbst (Privatpensionen: Lüning, Jesse, Kittmann, Flöter, Roderfeld). Typisch ist ein Beispiel hier. Ein Besitzer eines Neubaus war nicht in der Lage, den Bau zu Ende zu führen. Ein Jahr lang blieben die Arbeiten liegen. Nach Fertigstellung nahm das Haus gleich ca. 10 Kurgäste auf. Solche Beispiele machen Schule. Mit einem weiteren Ausbau von Kammern und der Bereitstellung für Kurgäste gerechnet werden. In diesem Zusammenhang darf erwähnt werden, dass schon oft Spekulationen über den von Papenschen der alten Salzhütte an der Nordstraße angestellt wurden. Falls von Papen ihn veräußern würde, wären sofort genug Interessenten da, auch unter „kleinen Leuten“, die hier eine Pension für Kurgäste erstehen ließen. Das Beispiel eines Handwerkers (Schreinermeister) findet auch wohl bald Nachahmung. Er baute sich auf seinem Kamp außerhalb des eigentlichen Dorfes ein neues Haus, um später, wenn der Sohn heiratet, dorthin zu ziehen. Aber jetzt bewohnen 10 Kurgäste es, und ein Teil wird auch immer dort aufgenommen werden. Zu erwähnen bleibt, dass Witwen (3), die nicht mehr Einkünfte wie vor dem Tode ihres Mannes: beziehen, sich durch Aufnahme von Kurgästen einen finanziellen Ausgleich zu verschaffen bestrebt sind. So bringen die Kurgäste Geld ins Dorf. Der Gesamtumsatz zu Nutzen der örtlichen Wirtschaft betrug 1958 nach Angaben von Kurdirektor Klinkhammer ca. 1,3 Millionen Mark. Das wirkt sich für Westernkotten besonders aus, da der Ort eine mehr ländliche Struktur aufweist (Bauern, Handwerker, Arbeiter) und keine örtlichen Industriebetriebe.
    Die Firma Huth fällt nicht ins Gewicht als Beschäftigungsstelle für Westernkötter Frauen und Mädchen. Es ist die Frage, ob in der Zukunft nicht die Arbeiterschaft zu gutem Wohlstand aufsteigt, das Dorf als stärkste Schicht beherrscht, damit in etwa die Bauern ablöst und aus dem Dorfkern verdrängt, denn einige haben schon ausgesiedelt, ziehen von den Salzquellen „aufs Land“. Jetzt bleibt abzuwarten, was mit ihren alten Gebäuden geschieht.
    Dass sich der Gesamtumsatz aus der Leistung des Fremdenverkehrs auf die einschlägigen Handwerksbetriebe mit auswirkt, bedarf keiner Frage (Friseur, Schneider, Schuhmacher).
    Der Nutzen für die übrigen Geschäftsleute liegt auf der Hand (Drogist konnte nur nach Westernkotten ziehen, weil sein neues Geschäft von den Kurgästen und der örtlichen Bevölkerung besucht wird). Die Schreibwarengeschäfte, welche Büchereien einrichteten und Kurandenken verkaufen, erfreuen sich 6 eines regen Zuspruchs. Der Gärtner in Westernkotten baute nicht zu Unrecht an sein neues Pensionshaus (10 Gäste mit Morgenkaffee), gegenüber dem Kurhaus gelegen, einen modern eingerichteten Laden (Blumen – Obst). Die örtliche Landwirtschaft kann ihre Produkte (Geflügel, Gartenerzeugnisse) z.T. am Ort absetzen. Das ist ähnlich so bei den Arbeitern, die gern ihre Erzeugnisse ihrer verhältnismäßig großen Gärten anbieten (Kurhausküche verpflegt ungefähr 240 Menschen pro Tag). Von den sonst mit dem Bad in Verbindung stehenden Berufen seien der Badearzt, das Personal der Badeverwaltung, Badefrauen, Masseusen, Reinigungspersonal, Gaststättenbedienstete angeführt. Durch den Zustrom der Kurgäste ist eine Vergrößerung der öffentlichen Einrichtungen, besonders der Post, notwendig. – Zu erwähnen ist ferner, dass nach Ausbau des Bades besonders pensionierte Beamte gern nach Westernkotten zuziehen.
    Für den Aufschwung in der Gemeinde muss aber auch etwas geleistet werden. Die aufgeschlossene Gemeindeverwaltung hat aus eigenem Interesse ein offenes Ohr für Kurangelegenheiten. – Zu erwähnen ist ferner der neue Bebauungsplan, nach welchem in der Nähe des Bades und des Kurparkes nicht ohne Genehmigung gebaut werden darf. Im Dorf wurden nach 1950 folgende Straßen ausgebaut und zum Teil mit Bürgersteigen versehen: Aspenstraße, Nordstraße, Westerntor, Salzstraße, Antoniusstraße, Osterbachstraße, Leckhausstraße., Bruchstraße (Verbindung nach Böckenförde), 8 ½ km Feldwege wurden für Landwirtschaft und Kurgäste ausgebaut (Spazierweg rund ums Dorf). Der Einfluss des Bades zeigt sich in dem Bestreben, Anpflanzungen vorzunehmen und Grünflächen mit Ruhegelegenheit zu schaffen: gärtnerische Anlagen an Kirchplatz, Antoniuslinde, Vorplatz Dietz-Besting. Von den Anpflanzungen ist zu erwähnen die Anlage eines Grüngürtels and die Bepflanzung des Muckenbruchs (ungefähr 5000 Pappeln und Roterlen). In den gleichen Rahmen fällt die von privater Seite vorgenommene Aufforstung eines 2 ¼ Morgen großen sumpfigen Bruch- und Wiesengeländes an der Josefslinde zum Zwecke der Begrünung, des Windschutzes und zur Hege des Wildes. Zur Verschönerung des Ortsbildes tragen wesentlich die angelegten Vorgärten bei. Sie sind an die Stelle von früheren Dunggruben getreten, die hinters Haus verlegt wurden.
    Für die nahe Zukunft ist die Anlage eines kleinen Sees als Kahnteich im Muckenbruch geplant. Ferner die Erweiterung des Badehauses, Anlage eines Solefreibades und Verwendung der Moorbäder im Bruch für Moorbäder. (Nach Analyse ist letztere als Badetorf zu verwenden.).
    Zusammenfassung
    Anhand von Beiträgen wurde in der vorliegenden Arbeit versucht, den Einfluss der in Westernkotten vorhandenen Solquellen auf Entstehung, Entwicklung, soziologische Struktur, Dorfbild und Wirtschaft des Salz- und Badeortes aufzuzeigen.
    Aus den natürlichen Grundlagen Westernkottens ergaben sich wichtige Anhaltspunkte für die Lage der Siedlung (Muldenlage). Auftreten von Sol- und Süßwasserquellen, Versalzung des Bodens, deren Bedeutung für das Dorf (Trinkwasserversorgung, Anpflanzung und bei Hausbauten) besonders herausgestellt wurde.
    In einem kurzen historischen Rückblick ist der geschichtliche Werdegang Westernkottens abgehandelt und die Auswirkung der zu dieser Zeit gebildeten Södderschaft auf Produktion, Absatz und Rechtsverhältnisse an der Saline Westernkotten dargelegt. (Kleinunternehmertum).
    Die im Jahre 1778 erlassenen „Sälzerstatuten“ beeinflussen die Entwicklung des Dorfes bis zur Beendigung der Salzproduktion. – Um 1800 verdrängt die „fabrikmäßige“ Gewinnung des Salzes die kleineren Unternehmer. Die Anlage großer Gradierungen und Siedehütten kennzeichnen in dieser Zeit das Dorfbild. An Stelle vieler kleiner Pächter übernehmen einige Großunternehmer die Salinenanteile (von Landsberg, Hauptbesitzer).
    Der preußische Staat tritt an die Stelle von Paderborn und bestimmt Preis und Produktionsmenge der Saline. Durch die Gewähr von Handelsfreiheit zerfällt die feste Ordnung der „Södderschaft“. Die technischen Einrichtungen der Saline werden weiter ausgebaut und die unrentable Holzfeuerung durch Steinkohle ersetzt.
    Während Westernkotten bisher durch Bezug von Holz und Leinensäcken (aus Lemgo) sowie Absatz von Salz (Sauerland) mehr Beziehungen nach Norden und Süden unterhalten hatte, tritt nun infolge Kohlenlieferungen und Salzabsatz in die Rheinprovinz eine stärkere Bindung nach Westen in Erscheinung. Die aufkommende Konkurrenz des Steinsalzes (Staßfurt) bringt die Salzproduktion in Westernkotten im Jahre 1949 zum Erliegen.
    1951 wird die Solbad GmbH Westernkotten gegründet. Ihrem tatkräftigen Streben ist es zu verdanken, dass aus dem ehemaligen Sälzerdorf in kurzer Zeit ein schmucker Badeort wurde. Die Herkunft der Kurgäste ergibt eine enge Beziehung des aufstrebenden Badeortes mit dem Rhein-Ruhr-Gebiet. Sälzerdorf und Badeort verdanken ihre Entstehung und Entwicklung dem Vorhandensein von Sole. Die verschiedene Ausnützung der Sole durch den Menschen einmal zur Salzgewinnung, zum andern für Heilkuren bestimmt letzten Endes das Dorfbild, die soziale Struktur und die Arbeit der Bevölkerung Westernkottens. Fotos:

Pension auf der Brede (Pendler)

Zeichnungen eines Siedegebäudes

Siedlung Fredegras

Umbau (Deelentür entfernt)

Nachbemerkungen/Endnoten:

(1) Angaben aus dem Bad-Westernkotten-Jahrbuch 2018, S. 42

(2) Die Tabellen wurden nicht sauber kopiert, deswegen sind die Abbildung auch nicht ganz leicht lesbar.