[Aus: Der Patriot vom 16.9.1939]
Kleiner Nachgesang
Die Westernkötter Badeanstalt ist seid einiger Zeit geschlossen, nicht etwa auf polizeiliche Anordnung, sondern wegen Mangel an Badenden infolge herbstlicher Kühle. Aber wo liegt denn die Westernkötter Badeanstalt? Sie ist nicht leicht zu finden, denn da steht kein 10 Meter hoher Sprungturm mit wehender Fahne und da ist auch weder Schild noch Eingangstor. An einer Stelle steht sogar an einem Zementpfeiler der Schleuse „Das Betreten der Grundstücke und das Baden ist streng verboten“. Und doch badet man hier: groß und klein, jung und alt, Männlein und gar nicht selten auch Weiblein, und zumeist mit einem Hallo, daß die Forellen den Schwanz einkneifen und sich unter den Ufern verstecken.
Die Westernkötter Badeanstalt ist nämlich das unterhalb Hoppe-Klosebaum gelegene Staubecken, welches das kleine Mönnig´sche Elektrizitätswerk mit Wasser versorgt. Eiskalt ist das Wasser, aber man badet darin, obschon die Haut hernach rot und blau anläuft. Sogar dem Rudersport huldigt die Jugend hier auf einem „Taschenschlachtenkreuzer“ manchmal sogar auf einem selbst gezimmerten Floß, das ab und zu wegen zu starker Belastung umkippt und dann ans Ufer gerettet werden muß.
Schöner als an der Westernkötter Badeanstalt kann´s nirgendwo sein. Zur Linken grasen rotbunte prächtige Kühe zwischen Apfel- und Zwetschenbäumen. Und der halbwüchsige Bulle murrt manchmal ganz bedenklich über die in seine Herde hineingetragene Unruhe. Zur rechten spiegeln sich säuselnde Pappeln und dickköpfige Weiden im Wasser, und im Sommer ragt das Schilf mannshoch über die verkrauteten Ufer. Da knarren von Morgens bis in die beginnende Nacht die Rohrsänger. Da flötet und kreischt der goldverbrämte Pirol. Da ruft der wilde Täuber, da schnurren die Turteltäubchen, und auch die zahmen Tauben des Dorfes gehen hier zum Schöpfen.
Und rings umher kein Menschen, nur wogende Kornfelder und eine hohe Saline, die ernst und schweigend das Treiben beobachtet.
Sommerabend. Die Ernte ist im vollen Gange, und müde und staubbedeckt von des Tages Arbeit sehnen sich Knechte und Mägde nach einem erfrischenden Bade. Hinter dem Schilf aber, sogar im hohen Korn, befinden sich die Aus- und Ankleideräume. Und dann geht´s hinein in die klaren Fluten des Gieselerwassers, mögen auch die Zähne klappern und die Haut die Farbe eines halbgar gekochten Krebses annehmen.
Scherzworte, manchmal gar nicht zart bemessen, fliegen hin und her. Es wird Schwimmunterricht erteilt, und oft erst, wenn des Abends Dämmern sich in Nacht verwandelte, geht´s heimwärts, nicht in zärtlicher, aber eingekühlter Umarmung.
Wenn der Badebetrieb einsetzt, beißen die Forellen nicht mehr. Sie danken für Fliege und Wurm, sie interessieren sich nur noch für Wassernixen.
D.T. 1.10.18