2024: Giannakis, Georg: Die letzten Juden von Bad Westernkotten

Gedenktafel für Familie Ostheimer nach fünf Jahren wieder aufgestellt; in: Der Patriot vom 04.09.24

Seit 1996 ist die Judengedenktafel für Bad Westernkotten ein bedeutendes Stück Zeitgeschichte und bringt Mahnung und Erinnerung als Botschaft zum Ausdruck. Nach ihrem Abbau vor fünf Jahren am einstigen Wohnhaus der jüdischen Familie Ostheimer hat die rund 25 Kilogramm schwere Bronzeplatte einen neuen Platz am „Alten Markt“ im Ortskern gefunden – nur wenige Meter von ihrem einstigen Standort entfernt. Dank der Bad-Westernkotten-Stiftung und dem zweiten Vorsitzenden Frank Westermann steht die aufpolierte Judengedenktafel jetzt auf einem Sockel aus Anröchter Sandstein.

Ortsführerin Anette Sellmann, die bereits die erste Gruppe dorthin führte, sowie Wolfgang Marcus, der sich im Heimatverein seither mit dem Fundus an ortsgeschichtlichen Aspekten befasst, präsentierten nun die wieder aufgestellte Tafel. „Damit wollen wir, die Westernkottener Bürgerinnen und Bürger, Flagge zeigen, dass sich solche Zustände nie wieder zutragen dürfen“, betont Anette Sellmann.

Mit ihrer Inschrift und dem Davidstern erinnert die Tafel an die letzte fünfköpfige jüdische Familie, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Westernkotten lebte und ein Textilgeschäft betrieb. 1938 flüchtete sie aus Furcht vor dem Terror der Nazis nach Köln und später in die Niederlande. Doch auch dort entkam die Familie der Vernichtungsmaschinerie nicht und wurde von den Deutschen ermordet.

„Die Ostheimers waren eine sehr angesehene und hervorragend integrierte Familie. Fritz Ostheimer ist sogar zweiter Vorsitzender hier im Sportverein SuS Westernkotten gewesen“, erklärt Wolfgang Marcus. „Um 1900 waren mehr Juden in Bad Westernkotten ansässig als evangelische Christen. Drei jüdische Familie lebten dabei um den Alten Markt.“ Dass keine Stolpersteine, sondern eine Gedenktafel im Ort platziert wurde, liegt daran, dass die in Westernkotten lebenden Juden nicht von dort aus unmittelbar ins Konzentrationslager deportiert wurden.

„Es ist so bedeutsam, dass die Menschen gerade heute wieder erkennen und verstehen müssen, dass man dem von Rechtspopulisten verbreiteten braunen Gedankengut die Stirn bieten muss“, sind sich Marcus und Sellmann einig. „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“

Fachbuch: Die Geschichte der Juden in Westernkotten hat die ebenso aus Bad Westernkotten stammende Historikerin Maria Peters aufgearbeitet und zusammen mit den entsprechenden Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen publiziert. Das Fachbuch trägt den Titel: „Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe – Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Arnsberg“. Herausgeber des Werkes ist Frank Göttmann.

Wolfgang Marcus und Anette Sellmann mit der Judengedenktafel. Foto: Giannakis