2024: Winkelmann, Michael, Ein Weg durch die Zeit. Biographisches aus Kindheit und Jugend 1937-1958, Haase-Druck Ense 2024

[Auszug aus dem Buch, Fritz Viegener betreffend, S. 78-81. Weitere Ausführungen betreffen u.a. auch den Architekten Heinrich Stiegemann, der unsere jetzige Kirche erbaut hat. WM]

Der Bildhauer Fritz Viegener
Winkelmann schreibt: „In meiner neuen Umgebung am Möhnesee beeindruckten mich von Anfang an die Werke des Bildhauers Fritz Viegener mit seinen ausdrucksstarken Skulptur – und Reliefarbeiten. Ich lernte ihn 1962 kennen und besuchte ihn in seiner Werkstatt. Er war 74 Jahre alt, immer tätig und gedrängt zu neuem Tun. Er hatte, wie fast alle älteren Kollegen damals mit den beiden Kriegen, ein bewegtes Leben hinter sich. 1888 war er in Soest geboren und lernte in seinem jungen Leben in der väterlichen Werkstatt das Dekorationshandwerk. Dieses schloss er zunächst mit der Gesellen- und später mit der Meisterprüfung ab. Der Vater hatte für eine gründliche Ausbildung, auch mit vielen Mal- und Zeichenübungen gesorgt. Er wurde Soldat im Ersten Weltkrieg und dort verwundet. So konnte Fritz erst mit 30 Jahren sein künstlerisches Tun als Bildhauer beginnen. Dazu schreibt er: „Als meine Eltern hörten, dass ich Plastiker werden wollte, war es aus mit der Freundschaft, zumal schon mein Bruder Eberhard Kunstmaler wurde.”
Er begann sein Werk und schuf in den ersten Jahren besonders beeindruckende religiöse Skulpturen und Relief-arbeiten. Einige dieser Arbeiten sind in der Kirche Heilig Kreuz und in anderen Soester Kirchen zu sehen. Auch für viele private Auftraggeber gestaltete er beachtliche Werke.
Von 1919 -1933 war er Mitglied in verschiedenen Künstlerverbänden und beschickte Ausstellungen und hatte gute Erfolge in seinem Schaffen. Von 1933 bis 1945, der NS-Zeit galten vor allem seine religiösen Arbeiten als »undeutsch«, wie es damals hieß, wenn Künstler nicht auf der Linie der Partei wirkten und religiöse Themen darstellten.


Diese Nazi- Zeit war für diejenigen freischaffenden Künstler, die schon im ersten Krieg gedient hatten, sehr schwer. Fritz Viegener gehörte zu denen und musste dann sehen, wie er sein Brot verdiente. Schnitzereien und andere kleine Auftrags- Kunstwerke von hiesigen zumeist bäuerlichen Familien halfen ihm weiter. Ein geschnitzter Balken, der auch ein Hakenkreuz zeigt, machte aus ihm keinen Parteigenossen. Wenn man sich das Gesamtwerk des Künstlers ansieht, ist es dem ernsthaften und sachlichen Betrachter klar, wie und wo des Künstlers Herz schlug, und seine Seele stand.


Dazu kam noch ein durch die Nazis angerichtetes familiär unerträglich schweres Erlebnis: 1942 wurde seine Schwester Maria, die in der Warsteiner Klinik zu einer Behandlung war, ein Opfer der schrecklichen Euthanasiemorde in Eichberg im Westerwald. Dorthin wurde die armen Patienten in Viehwaggons gebracht, und sie mussten in Baracken auf Strohmatratzen, die auf nacktem Betonboden lagen, verdursten und verhungern. Oder sie wurden mit medizinischen Versuchen zu Tode gebracht. Leicht- und Schwerbehinderte mussten – zur Erhaltung der Volksgesundheit – beseitigt werden.
Diese schrecklichen Vorgänge, um die Morde, kann man noch in Warstein einsehen. Wer damals nachfragte oder gar dagegen protestierte, wurde ebenfalls eingesperrt mit ungewissem Ausgang. In gleicher abscheulicher Weise wurde der Günner Bürger Franz Hershoff im Februar 1944 in Weilmünster von den Nazis ermordet. Dieser Vorgang wurde durch Karl Heinz Wilmes aus Günne aufgearbeitet und ist veröffentlicht und einzusehen. In diesem Zusammenhang ist jeder Verdacht, Fritz Viegener sei den National-Sozialismus zugeneigt gewesen, ein unerträglicher Vorgang.


Nach dem Krieg arbeitete Fritz Viegener weiter als freischaffender Künstler. Es stellten sich viele Aufgaben für Kirchen, Schulen und die öffentliche Hand. Unermüdlich schuf er figürliche freie Arbeiten, für die er viele Kunstfreunde fand. Viegener schreibt – zu seinen Arbeiten: „Ich glaube, dass jeder Künstler in seinen Arbeiten sein eigenes Wertmaß und seinen Charakter niederlegt. Die Ziele der Arbeit des Plastikers sind meiner Meinung nach Materialgerechtigkeit, dreidimensionale Verwirklichung, intensive Beobachtung der Natur und innere Vorstellung, eben der Ausdruck.”
Fritz Viegener war als Künstler und Bildhauer Autodidakt. Er war ein sehr begabter Bildhauer. Er wusste die Gesetze um den Goldenen Schnitt und das formale Gestalten. Er kannte die Anatomie von Menschen und Tieren. Er verstand, eine Hand oder einen Baum zu zeichnen. Viegeners Stärke lag in der Selbstverständlichkeit und Einfachheit seiner Arbeiten. Er war ein Mensch mit vielen Ideen und von großem Fleiß getragen. Fritz Viegener starb 1976.“