In: Heimatkalender des Kreises Soest 2019, S. 75-76
Ein althergebrachter hoher Feiertag, ein religiöses Heimatfest ganz besonderer Art, ist den Westernköttern der Lobetag: Über seine Entstehung berichtet die örtliche Überlieferung. 1635 wütete in Westernkotten die Pest. Von Haus zu Haus sprang ihr giftiger Hauch. Nur 18 Einwohner lebten noch. Da machten diese das Gelöbnis für sich und alle ihre Nachkommen, für ewige Zeiten den Lobetag zu halten, wenn Gott sie von der Geißel der Pest befreie.
1648 berichten die Westernkötter, dass die Pest damals in ihrem Dorfe gegen 600 Opfer forderte. Es heißt hier von dieser Zeit: „Wenn die vergiftige pestilentz über die maiszen sehr hieselbsten gewüthet hat Vnnd an die sechshundert persohnen junge un altt durch den toid genohmen.“
Einige Menschen in Westernkotten überlebten tatsächlich die Pest, und im sogenannten Lobetagsbrief versprachen sie feierlich, dafür jedes Jahr ein Dankfest mit der Lobetagsprozession zu feiern. Wenn der Lobetagsbrief heute an der ersten Station, der Josefslinde, verlesen wird, kann sich keiner der Teilnehmer dem feierlichen Ernst und der tiefen Ergriffenheit des Textes entziehen.
So heißt es von der Güte Gottes: „Sintemalen [weil] aber wir in unserem christlichen katholischen Glauben festiglich glauben und bekennen nebst allen Artikeln, so die ewige Wahrheit uns geoffenbart und durch die katholische Kirche zu glauben vorgestellt hat, dass die Gütigkeit und Barmherzigkeit Gottes unendlich ist, und nicht begehrt den Tod des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe, also haben wir uns die ungezweifelte Hoffnung vermittelst des gnadenreichen Verdienstes Unsers Herrn Jesu Christi, unsers Erlösers und Seligmachers gemacht, es werde seine göttliche Majestät durch die Fürbitte der Allerheiligsten und glorreichsten Jungfrau und Mutter, Maria, sich erbarmen und die ausgezogene Rute der eingerissenen feurigen Pestilenz von uns in Gnaden abwenden, und das nicht nach unsern Verdiensten, sondern nach den unendlichen Verdiensten und der Genugtuung Jesu Christi, durch die Fürsprache seiner Allerseligsten Mutter, Maria, deren Bildnis wir deswegen zum ewigen Gedächtnis hier in der Kapelle zu Westernkotten lassen aufrichten, wie auch unter der Fürbitte des heiligen Johannis Evangelistae, hiesiger Kapelle Patronen, des heiligen Laurentii Martyri, Patronen des ganzen Kirchspiel, der heiligen Rochi, Sebastiani und aller lieben Heiligen.“
Bis heute wird der Lobetag immer am ersten Sonntag nach Mariä Heimsuchung Anfang Juli gefeiert, „solange unserer Nachkömmlinge einige übrig sein werden“ . Das Fest beginnt am Freitag mit Böllerschüssen aus einer alten Böllerkanone. Am Samstag ist strenger Fast- und Abstinzenztag. Höhepunkt der Feierlichkeiten ist die Lobetagsprozession am Sonntag, an der auch heute noch annähernd weit über 500 Personen teilnehmen. Die Prozession zieht durch das festlich geschmückte Dorf und die in voller Blüte stehende Feldflur. Dabei werden traditionell vier Stationen aufgesucht, die einst am Rande des Dorfes standen, die Josefslinde im Süden, die Marienlinde im Westen, die Antoniuslinde im Norden und die Franziskus-Linde im Osten. Eine besondere Note erhält diese sakramentale Prozession durch die Gruppe der „Mutter-Gottes-Mädchen“. Diese tragen – früher geschah das in historischen Tracht – auf einem Tragegestell eine Marienstatue. Den Abschluss bildet ein feierliches Hochamt in der Schützenhalle.
In der katholischen Pfarrkirche Sankt Johannes Evangelist erinnern zahlreiche Ausstattungsmerkmale an den Lobetag, so ein Marienaltar der Wiedenbrücker Schule mit einer Schutzmantelmadonna, die geretteten Westernkötter unter ihrem Mantel. Sodann ein wunderschönes bleiverglastes Kirchenfenster des Essener Künstlers Nikolaus Bette.
Es wird Aufgabe der jetzt Lebenden sein, den Wert des alten Lobetagsgelübdes an die nächste Generation weiterzugeben. Dabei werden in absehbarer Zeit sicherlich nicht die Teilnehmerzahlen erreicht, wie sie noch nach dem 2. Weltkrieg bis in die 1970er Jahre üblich waren. –
Im Kreis Soest werden noch weitere Lobetage gefeiert, so etwa in Geseke. Der Geseker Lobetag geht auf ein Gelöbnis der Bürger der Stadt Geseke zurück. Er ist aus Dankbarkeit darüber entstanden, das 1622 der Tolle Christian Geseke als einzige Stadt in Westfalen nicht erobern und plündern konnte. – Sodann in Rüthen, wo der Lobetag auf eine Urkunde aus dem Jahr 1625 zurückgeht. – Und auch der Geseker Stadtteil Störmede feiert Anfang Juli Lobetag. 1636 wütete erneut die Pest in Störmede. 1670 wurde sogar in Erfüllung eines Gelübdes eine der Gottesmutter geweihte Lobekapelle gebaut.
Wolfgang Marcus
Mögliche Bildunterschriften:
- Marienaltar mit Schutzmantelmadonna aus der Bad Westernkötter Pfarrkirche.
- Unter der Josefslinde wird seit 1635 der „Lobetagsbrief“ verlesen.