2013: Die Krippe in der Bad Westernkötter Pfarrkirche

von Annette Marcus

Erstabdruck: Jahrbuch 2013, S. 60-62

[aus: Marcus, Annette, Künstlerisches Kleinod (Krippe). JB 13, S. 60]

Die Krippe in der Pfarrkirche Sankt Johannes Evangelist Bad Westernkotten wurde 2011 um zwei Figuren ergänzt. Anlass genug, sich einmal mit Geschichte und Entstehung der Krippe zu beschäftigen.

Die alte Krippe in der ehemaligen Kirche (bis 1975)

Von 1974 – 1976 wurde die heutige Kirche errichtet – der alte Vorgängerbau  aus dem Jahre 1699, von dem heute nur noch der Turm steht, musste weichen. Viele ältere Bad Westernkötter erinnern sich noch gern an ihre alte Kirche. Natürlich wurde auch dort in der Weihnachtszeit eine Krippe aufgebaut. Diese war in den 1930er Jahren angeschafft worden. Für die damalige Zeit typisch waren die bunt bemalten Gipsfiguren, die besonders für Kinder sehr ansprechend waren. Im Laufe der Jahre waren die empfindlichen Figuren jedoch etwas lädiert, einzelne Teile abgebrochen oder nur notdürftig angeklebt. –

Anschaffung einer neuen Krippe 1976

Mitte der 1970er Jahre, während der Bauzeit der Kirche, meinten einige Gemeindemitglieder, dass die alten, lädierten Krippenfiguren doch nicht mehr in eine modern gestaltete Kirche hinein passten. Sie sammelten Spenden, veranstalteten mehrere Trödelmärkte  und verkauften „alte Schätzchen“,  um von diesem Erlös neue Krippenfiguren anzuschaffen. Der damalige Bad Westernkötter Pfarrer Norbert Gersmann hat dann vermutlich über die Bildhauerei Sprick in Erwitte oder die Bonifatius-Buchhandlung in Paderborn Kontakte nach Höhr-Grenzhausen im Westerwald hergestellt. Höhr-Grenzhausen ist das Mekka der Keramik-Kunst, mit unzähligen Werkstätten und eigener Keramikfachschule.

1976 wurden die Krippenfiguren in der sakralen Kunstwerkstatt von Gregor Lerchen nach den Entwürfen des Bildhauers Helmut Bourger bestellt. Zunächst die heilige Familie und einige Hirten mit Schafen, später dann auch die heiligen drei Könige. Ein weiteres Schaf wurde von der Töpferin Lilo Geiger aus Lipperode geschaffen.

Die alten Figuren wurden von der Erzieherin Maria Coböken neu aufgearbeitet und farblich gestaltet, standen viele Jahre im Kindergarten und sind mittlerweile in den Besitz der Heimatfreunde übergegangen. In der Advents- und Weihnachtszeit  stehen sich einladend im Eingangsbereich des Pfarrzentrums.

Gestaltung der Figuren und der Krippenlandschaft

Die Figuren waren zu Beginn ganz dezent und zurückhaltend  bemalt.  Die Farben verblassten allerdings mit der Zeit, zogen wahrscheinlich in den Ton ein. So hatten wir viele Jahre braune, getöpferte Krippenfiguren, die eigentlich nur von Kunstsachverständigen richtig geschätzt wurden.

Wie das so mit der Kunst ist – nicht allen gefällt sie gleich gut. Und so wurde der Wert der neuen Krippenfiguren lange nicht geschätzt; im Gegenteil: viele trauerten der alten, bunten Krippe hinterher.

Die von Helmut Bourger kreierte Krippe in der Bad Westernkötter Pfarrkirche (Ausschnitt). Aufnahme vom 15.1.2012.

Die Krippenlandschaft wurde zunächst von den Heimatfreunden und später dann vom Pfarrgemeinderat aufgebaut.  Dabei musste auch das Taufbecken in die Landschaft integriert werden – als kleiner Berg.  Den Holzstall baute 2009 die „Rentnergruppe“, da der Vorgängerbau (erbaut von Franz Brock) vom Holzwurm zerstört worden war.

In der Weihnachtszeit 2010/2011 fand in unserem Pastoralverbund ein „Tag der offenen Krippen“ statt. In allen Kirchen und Kapellen unseres Pastoralverbundes konnten am 2. Januar  2011 mehr als 15 Krippen bewundert werden. Jede Gemeinde wollte sich dabei gut darstellen und von ihrer besten Seite zeigen. Wir hatten in Bad Westernkotten einen neuen Pfarrgemeinderat (PGR) und überlegten schon im Sommer, wie wir die Krippe gut präsentieren könnten:  Wir schickten unsere Figuren zur „Schönheitsfarm“.  So wurden im November 2010 die Figuren von dem Anröchter Restaurator Josef Hoppe überarbeitet und farblich ganz dezent gestaltet. Heute wird eine spezielle Farbe bei neuen Figuren schon vor dem Brennen aufgetragen, die dann auch nicht mehr verblasst.

Für die Krippenlandschaft wurde nur Naturmaterial gewählt: Moos, Pinienerde, eine alte Wurzel, ein Ast von einem alten Mirabellenbaum, Hölzer, Steine, Heu und Stroh. Wir verzichteten auf Blumen, damit die Figuren besser wirken konnten.

2011: Erweiterung um einen Engel und eine Wasserträgerin

Aufgrund der positiven Resonanz nach der Aufarbeitung der Krippenfiguren im vergangenen Jahr und nach den vielen anerkennenden Worten entschlossen sich PGR und Kirchenvorstand  (KV), die Krippe um zwei Figuren zu erweitern. Die enge Verbundenheit Gottes zu uns Menschen soll durch den großen Engel zum Ausdruck gebracht werden. Den vielen Frauen, die das religiöse Leben in den Gemeinden tragen und aktiv mitgestalten, ist die Wasserträgerin gewidmet.

Der Künstler Helmut Bourger*

Im Oktober 2011 holten wir die beiden neuen Figuren aus der Werkstatt von Gregor Lerchen (heute geführt von seinem Sohn Joachim) ab und erfuhren dabei eine ganze Menge über unsere Krippe, vor allem, dass sie ein hochwertiges künstlerisches Kleinod ist.

Der neue Engel

Die Wasserträgerin

Die Figuren sind nach den Entwürfen des international anerkannten Bildhauers Helmut Bourger (1929-1989) gearbeitet. Bourger  erlernte die Bildhauerei bei Prof. Ludwig Cauer in Bad Kreuznach, der wiederum in London, Paris und Rom Bildhauerei lehrte und u.a. zu Kaisers Zeiten große Denkmäler in Berlin gestaltete.
Nach der Lehre ging Helmut Bourger mit Stipendium an die Akademie der schönen Künste nach Rom und schloss das Studium mit höchst möglicher Bewertung ab. Von der Stadt Rom bekam er zusätzlich für seine Abschlussarbeit ein Diplom. Eine besondere Auszeichnung erhielt er vom Vatikan für seine künstlerische Gestaltung von Kreuzwegen.

Helmut Bourger (l.), hier mit seiner Arbeit „Hl. Josef“, rechts Prof. G. Ardini, Rom, 1956

Nach dem Studium kam Helmut Bourger, inzwischen verheiratet und Vater von drei Kindern, in den Westerwald und arbeitete vornehmlich für Kirchen in Deutschland, aber auch in Rotterdam/Holland, Vesteras/Schweden, Oslo/Norwegen uvm.

Bourger gestaltete viele Krippen, deren Rechte nach seinem Tod an die Firma Lerchen in Höhr-Grenzhausen übergingen. Mit über 20 Krippen schuf er das wohl umfangreichste derartige Werk in keramischem Material. Seine Plastiken sind von schlicht-natürlicher Anmut und drücken eine Innigkeit aus, die Ausdruck einer frommen Meditation sind. Die harmonische Übereinstimmung aller Einzelheiten mit dem Ganzen einer Figur oder einer Gruppe beherrschte er in mustergültiger Vollendung. Viel zu früh starb Helmut Bourger im Jahr 1989. In seinen Werken lebt er weiter.

*vgl. zu Bourger auch den Bildband von Reinhard Müller-Mehlis „Helmut Bourger. 1929-1989“, im Jahre 1998 im Hirmer-Verlag München erschienen.