Von Heinrich KNOCHE (Bad Westernkotten)
In: Knoche, Heinrich, Königlicher Prinz als Salinenbesitzer (Friedrich Christian von Sachsen, Markgraf zu Meißen), in: HB 2011, Seite 190-192
Kürzlich bekam ich von einer früheren Mitschülerin der Schulzeit 1937 bis 1945 einen Anruf, ich möchte mir bei ihr ein Bild abholen, welches man ihr zugeschickt hat, und auf dem mein Geburtshaus, das Haus Knoche, welches 1960 abgebrochen wurde, gemalt ist. Als ich die Widmung las „Der lieben Familie Weicken zur Erinnerung Silvester 1947/48, Emanuel “ wurde ich neugierig. Erinnerungen wurden wach, und somit kann ich aus der vergangenen Zeit folgendes berichten.
1938 wurde die Salzsaline Westernkottens vom Grafen von Landsberg in Betrieb genommen, die heute noch als fast Teilruine und dem dazugehörigen ausgebrannten Wohnhaus an der B 55 existiert. 1943, im Kriege, verkaufte der Graf von Landsberg seine Saline an den Prinzen Christian Friedrich von Sachsen, Markgraf zu Meißen. Dieser war ein Nachkomme des Sachsenkönigs Friedrich August HI. der 1918 abdankte. Direktor und Bevollmächtigter seiner Saline wurde Dr. Karl Weicken, der seinen Vorgänger Leo König ablöste, der unter Graf Landsberg bis zum Verkauf der Saline dort die Leitung innehatte.
Nun kam mehrere Male im Jahr der Prinz Christian Friedrich von Sachsen, Markgraf zu Meißen, nach Bad Westernkotten, um einige Tage lang sein Eigentum zu inspizieren, und zu sehen, wie die Salzverkäufe liefen. Er logierte meist im Hotel Köppelmann in Lippstadt oder im Schloss des Baron von Schorlemer in Hellinghausen. Morgens besuchte er den Gottesdienst in der Pfarrkirche in Bad Westernkotten. Nach der Messe wurde er von unserem Hauptlehrer, welcher auch die Orgel spielte, begrüßt und mit ehrerbietenden Verbeugungen und meist im Rückwärtsgehen bis zu seinem mit Chauffeur wartenden Wagen begleitet.
Zeichnung des ehemaligen Haus Knoche, welches von Markgraf Maria Emanuel von Meißen gemalt wurde.
In den turbulenten Zeiten vor Kriegsende 1945 und auch danach, kam auch der Sohn Maria Emanuel des Markgrafen öfter mit nach Bad Westernkotten und verbrachte im Hause des Direktors Weicken einige Zeit seiner Ferien. Aus dem Fenster seines Zimmers fiel sein Blick auf das allein dort stehende Haus Knoche, und er malte es.
Da man im Hause Weicken und in den Büros der Saline wiederholt eingebrochen hatte, schaffte Direktor Weicken zwei mannscharfe Dobermann-Hunde an, welche tagsüber im Zwinger eingesperrt waren, und abends an einer Laufleine, die über das ganze Gelände der Saline gespannt war, angeklickt und somit das Gelände bewachten. Gefüttert wurden die Hunde von dem Sohn Volker (geb. 1928) des Herrn Weicken. An einem Abend bei der Fütterung fielen die Hunde über Volker her, der sich aber im letzten Moment noch, obwohl stark verletzt, retten konnte. Da sich die Hunde nun wie Bestien gebärdeten, mussten sie von der Lippstäd ter Polizei im Zwinger erschossen werden.
Volker Weicken fand seine Heimat später in Nideggen in der Eifel, wo er kürzlich verstarb. Als seine Schwester Hilga (geb. 1936), die heute in Milspe-Hagen lebt, seinen Nachlass ordnete, fand sie dieses Bild und schickte es zu meiner ehemaligen Mitschülerin, die damals im Hause der Familie Weicken angestellt war, und bis heute mit Hilga geb. Weicken in Briefwechsel steht, und immer Kontakt hatte.
Der Sohn Maria Emanuel des Markgrafen, der das Bild malte als er etwa 18 Jahre alt war, später wurde er Nachfolger seines Vaters und Chef der Besitztümer des königlichen Hauses Sachsen. 1949 wurde die Saline Bad Westernkottens vom Markgrafen Friedrich Christian an die Bekleidungsfirma Huth verkauft. Die Salzproduktion endete bereits Anfang 1948, weil diese nicht mehr konkurrenzfähig war.
Prinz Friedrich Christian Markgraf von Meissen, Herzog zu Sachsen (1893 – 1968) wurde als zweiter Sohn König Friedrich August III. in Dresden geboren. Nach Besuch der Prinzenschule und Abitur am Neustädter Gymnasium trat er 1913 in die Kriegsakademie ein und rückte als Ordonnanzoffizier des 12. Generalkommandos in den Krieg. Mit den sächsischen Elite-Regimentern, den Gardereitern, dem Leibregiment und Schützen, im Verband der III. Armee, machte er den Augustfeldzug 1914 mit, erlebte den Übergang über die Mass bei Dinant, die Schlachten bei Rethel, an der Marne bei Sompuis, Berry au Bac bei Reims, Nurlie an der Somme und Norlicz im Osten.
Im Rang eines Hauptmanns, ausgezeichnet mit dem Mil. St. Heinrichsorden, wurde er in diplomatischer Mission zum Sultan Mohammed V., zu König Ferdinand von Bulgarien und 1917, auf Bitten Feldmarschall von Linsingen, zu Kaiser Karl von Österreich geschickt.
Die Nachricht von der Revolution erreichte ihn bei der Truppe im Westen. Nachdem er sein Regiment geschlossen nach Fulda zurückgeführt und demobilisiert hatte, kehrte er zum Vater zurück. Vom Exil – Schloss Sybillenort in Schlesien – aus studierte er in Breslau – Prof. Adolf Weber war sein Mentor – Würzburg, Freiburg/Br. und Köln, wo er über „Die Konkordanz des Nikolaus von Cues“ zum Dr. jur. promovierte.
Trotz der Studien und Verwaltung des Besitzes fand er Zeit für kath. Laienarbeit, die Militär- und Heimatgeschichtsvereine. Er arbeitete im Büro des Caritasverbandes zu Breslau, als Großmeister des Marienritterordens bis 1933 in Bamberg und nach dem ü. Weltkrieg im Komitee des deutschen Katholikentages. Zeitlebens sorgte er dafür, dass vergessene Gnadenstätten, wie die Klöster Helfta, Altzella, die Gruft in Pretsch und Dom im Meissen, Kirchen in Schlesien und Kapellen seiner Schlösser Wachwitz, Rehefeld, Sybillenort und Peuke ins Blickfeld
Prinz Christian Friedrich von Sachsen, Markgraf zu Meißen
Markgraf Maria Emanuel von Meißen, Chef des Hauses Sachsen
Schloss Pillnitz mit dem Bergpalais gehört ebenfalls zu den alten Besitztümern des königlichen Hauses Sachsen.
beider Konfessionen gerückt und für tägliche Gottesdienste zugänglich gemacht wurden. Am 16. Juni 1923 heiratete er Prinzessin Elisabeth Helene von Thum und Taxis, die ihm fünf Kinder schenkte. Nachdem sein älterer Bruder Georg Priester geworden war, trat er 1924 die Erbfolge an und nahm nach dem Tod seines Vaters 1932 als Chef des Hauses den Titel Markgraf von Meißen an.
Schon vor Ableben des Vaters waren es ihm und seinem Bruder Ernst Heinrich gelungen einen Teil des königlichen Privat Vermögens in Sachsen zurückzubekommen, so dass zahlreiche Herrschaften, darunter Moritzburg einem Verein Haus Wettin e. V. zugeschlagen und Rehefeld und der Königsweinberg ihm als Privatvermögen übereignet wurde. Hier ließ er 1937 ein neues Schloss-Haus Wachwitz erbauen, welches Dank guter Einnahmen aus Industrie und Hotelgewerbe, zu einer besonders glanzvollen Heimstatt wurde. Bis zum Kriegsende war es Mittelpunkt religiöser und kultureller Anlässe. Hier hielten Pater Marianus Vetter O. P. und P. Kronseder S. J. Einkehrtage, lasen Dichter: Reinhold Schneider, E. Brandenburg und Sohle, sangen Martha Fuchs, Erika Rokitta und Joseph Herrmann, trugen die Gelehrten von Bissingen und Hans Schnorr vor. Paul Hoffmann der Schauspieler studierte mit den Kindern den Empedokles von Hölderlin ein. König Caroll und Michael von Rumänien, Kronprinz Paul und dessen Gemahlin Friderike besuchten ihn und seine Kameraden. General Oster und Obricht, die mit dem neuen Regime nicht einverstanden, sprachen sich aus und fanden Rat.
Groß war die Zahl derjenigen die seine Hilfe erfuhren. Nachdem der Gauleiter die staatliche Hilfe für die Hofkirchenkonzerte wegen der Kriegslage unterband, organisierte er diese auf privater Basis. Er förderte junge Talente durch Stipendien und Beiträge. Gegen Kriegsende füllte sich sein Haus mit Ausgebombten und Verwaisten, mit Invaliden und Verfolgten. Stets blieb er sich seiner Verantwortung als Christ und Fürst bewusst.
Nach der Zerstörung Dresdens musste er vor den Russen fliehen. Erst fand er Aufnahme bei seinem Schwiegervater Fürst Albert von Thum und Taxis, bei den Grafen Landsberg-Velen um seinen westfälischen Betrieben nahe zu sein und schließlich bei Herzog Philipp von Württemberg in Altshausen. Hier schrieb er viele Aufsätze und Artikel, organisierte mit Herzog Ernst August von Braunschweig 1953 die 400-Jahr-Todesfeier des Kurfürsten Moritz in Sievershausen und gründete im gleichen Jahr die Dachvereinigung aller deutschen Adelsverbände, deren erster Präsident er war. Er war Mitbegründer der Sächsischen Landsmannschaft in Hamburg, die ihn zum Ehrenmitglied machte. Die ihm nahestehenden Päpste Pius XI. und Pius XII. sowie deren Staatssekretäre unterrichtete er in Privataudienzen.
Die letzte Station seines Lebens war ab 1955 München, wo er bald mit seinen Söhnen Emanuel und Albert die Studiengruppe für sächsische Geschichte und Kultur gründete und die Mil. St. Heinrichsritter um sich scharte. Trotz seiner schweren Erkrankung setzte er sich weiter auch für die Belange des Richard Wagnerbundes ein. Groß ist daher sein geistiger Nachlass, wie bei seinem Vorfahr König Johann-Philaletes und harrt der Veröffentlichung.
Ohne die irdische Krone getragen zu haben, war er ein König im Reich des Geistes und der Kultur – ein König im Herzen aller die ihn kennen und lieben lernten.