von Maria Peters
[Ausdrucke im Format DIN-A-3, die ich in den Unterlagen von Frau Peters gefunden habe. Eine Veröffentlichung bisher ist wohl nicht erfolgt. Gedanklich passt dieser Beitrag in den Zusammenhang ihres gemeinsam mit Margit Schildt verfassten Aufsatzes für die Kirchenfestschrift 2002 „Kirche in den beiden Weltkriegen“. – Es fehlt allerdings – bisher noch – eine Seite. W. Marcus, 27.10.24]
„Erinnern möchten wir [wohl Frau Schildt und Maria Peters. WM] auch an die kriegsgefangenen Männer und Frauen, die in den Jahren 1940 – 1945 auf den hiesigen Bauernhöfen und in den Handwerksbetrieben eingesetzt wurden, weil die deutschen Arbeitskräfte – Söhne – Knechte – Meister und Gesellen zum Arbeitsdienst eingezogen oder an der Front standen.
Begonnen hat diese „Einquartierung” nach dem Polenfeldzug 1939. Josef Gudermann erinnert sich an die erste Gruppe polnischer Kriegsgefangener die in Westernkotten eintraf. Sie wurde in der Schützenhalle untergebracht. Sein erster Gedanke war – als er die ausländischen Menschen auf dem Fußboden der Schützenhalle liegen und sitzen sah: „Hoffentlich geht es Dir nicht mal so.“
Später wurden die männlichen Gefangenen in einem erweiterten Trakt der Schmiede bei Köneke untergebracht. Wir Kinder kamen täglich, wenn wir zur Schule gingen, an dem vorgelagerten Stacheldrahtverhau vorbei, wo die deutschen Wachsoldaten zu zweit Wache standen.
Morgens um 6 Uhr wurden die Gefangenen, von den Leuten, bei denen sie eingesetzt waren, abgeholt und abends um 19 Uhr wieder am Lagertor abgeliefert.
Nach Informationen der Geschwister Köneke war der Vater – Schmiedemeister Franz Köneke – zu Arbeiten bei der Metall – heute Hella-Werke -zwangsverpflichtet worden, um dort Lehrlinge auszubilden. In der eigenen Schmiede wurde dann ein Gefangener eingesetzt. Zunächst war es ein Pole und später ein Russe.
Im Lager bei Köneke befanden sich etwa 40 Gefangene, die von 4 Wachsoldaten im Wechsel bewacht wurden. Es standen je 2 Feldbetten (?) übereinander. Auch ein sog. Krankenlager war vorhanden mit 2×2 Pritschen. Strohsäcke sorgten für ein einigermaßen erträgliches Liegen. Wenn einer der Gefangenen wegen Krankheit nicht zur Arbeit abgeholt werden konnte, gab Köneken Mutter – zu der sie „Mamke“ sagten – durch ein Kläppchen, was heute noch zu sehen ist – ihm etwas zu essen, da er ja sonst in der Zeit ohne Nahrung gewesen wäre.
Die täglich zu den Bauern und Handwerksbetrieben abgeholten Gefangenen bekamen dort ihre Verpflegung, die für die damalige auch in Deutschland herrschende Hungerzeit für das Überleben gut ausreichte. Anzunehmen ist, dass in dem bäuerlich geprägten Westernkotten die Verköstigung – im Vergleich zu der der Zwangsarbeiter in den Industriebetrieben in Lippstadt – noch als gut zu bezeichnen war.
Überhaupt waren die Gefangenen bei den „Arbeitgebern” beliebt. Sie waren in der Regel willig und bemüht, ihr „Soll“ zu erfüllen. Dass meistens eine zwischenmenschlich gute Beziehung bestand, ist zu ersehen, dass sie das Mittagessen in vielen Fällen mit der deutschen Familie an einem Tisch einnehmen konnten, was allerdings behördlich strengstens verboten war und sogar – wie in anderen Orten passiert – mit KZ für den deutschen Arbeitgeber bestraft wurde. So wurde im Dorf und bei den parteipolitischen Schulungen? immer wieder ermahnt, dass diese „Vergehen“ streng untersagt seien.
Aus meiner Nachbarschaft erinnere ich mich, dass bei Bauer Pilk ein Pole namens Kasimir, bei Schäfers (Hüllengürts) ein Thomas und in der Schusterbude Baumeister ein freundlicher Pole – Adam – eingesetzt war, an dessen blinkenden Goldzahn ich mich erinnere. Dieser Pole Adam saß auch bei Familie Baumeisters mit am Mittagstisch und zur Freude der Oma machte er vor der Mahlzeit das Kreuzzeichen und betete leise – wahrscheinlich ein Tischgebet.
Bei weiteren Recherchen konnte erfahren werden, dass die ersten polnischen Kriegsgefangenen ab April/Mai 1940 in Westernkotten gemeldet waren. Eine größere Gruppe – 19 Männer und 5 Frauen – kam am 31.7.1940.
Insgesamt waren 1940 40 Personen aus den „eingegliederten Ostgebieten” vornehmlich aus Posen, Pleschen, Thorn und Umgebung in Westernkotten beschäftigt. 1941 trafen vier Manner und vier Frauen ein. 1942 ein Mann, 1943 eine Frau, 1944 zwei Manner und eine Frau, am 1.2.1945 ein Mann ein. Letztere waren vorher in Orten der Umgebung eingesetzt.
Der älteste polnische Kriegsgefangene war Jahrgang 1898, der Jüngste Jahrgang 1926, also bei seiner Ankunft in unserem Dorf 14 Jahre alt. – Bei den Frauen lag das Alter zwischen 36 und 16 Jahre (zwei 16 und ein 17-jahriges Mädchen).
Ein Drittel der Manner war verheiratet und hatte wahrscheinlich eine Familie. Fast alle hatten den katholischen Glauben.
Als Beruf wurden bei den Männern angegeben: Landarbeiter, Maurer, Schmied, Schuhmacher, Sattler und ein Bildhauer (Kasimir bei Pilk).
Ich möchte auch noch die Vornamen der betreffenden Personen und wo sie beschäftigt waren, aufführen [Maria Peters schreibt hier mit Bleistift „Datenschutz?“ an den Rand], da sich sicher mancher ältere Einwohner noch an den einen oder die andere erinnert.
- Bauer Gudermann – Josefa
- Hollenbeck- Janina
- Besting – Brunislawa
- Adämmer- Rosalia (1942 n. Pleschen zurück)
- Jos. Westerfeld- Eva
- Mönnig- Janina (1942 n. Polen zurück)
- Pieper /Adämmer- Juliana
- Mintert – Maria
- Franz Göbel – Edwarda
- Fritz Schrewe / Lamminger b. Mönnig – Genofefa
- Schütte-Valentin – Eugen
- Gerling – Roman
- Schütte – Mseczyslaw
- ? – Alex
- Leo Jesse – Stanislaw
- ? – Stanislaus
- Deimel/Schulte Domhof- Jan
- Jos. Westerfeld- Ignatz
- Franz Göbel – Kasimir
- Jos. Westerfeld – Stanislaw
- Bauer Hoppe -Nucke, ab 11.10.40 bei Wilhelm Baumeister – Adam
- Jos. Pilk – Kasimir
- Kaltner-Gerling – Jan
- Eickmann – Czeslaw
- Schulte – Josef
- Wieneke – Ludwig
- Heithoff – Stanislaw
- Göbel – Stefan
- Gudermann – Hendryk
- Schütte-Rixmeier – Stanislaus
- Josef Jakobi – Fryderyk
- Schrop – Stanislaus
- Deimel – Franz
- Schulte-Domhof – Jan
- Schmiede Josef Niggenaber – Antoni
- Bauer A. Schulte – Bernhard
- Deimel – Siegmund
- Pieper – Franz
- Mönnig – Peter
- Gärtnerei Wilhelm Markoni – Josef
In der Gärtnerei Markoni
- Bauer Büker – Wladislaw
- Bauer Joh. Schäfer / Joh. Köneke – Thomas
- Mönnig – Johann
- Adolf Schröer – Stefan
- Mönnig – Ryszart
- Schmiede F. Köneke – Josef
- Bauer Meyer – Jan
- A. Schroer – Migilas
- Spiekermann – Kasimir
- Adämmer – Czeslaus
- Hollenbeck – Stefan
- Rieke – Czeslaw
- Mönnig – Zygmund
- Gockel/Hollenbeck/Diesmeier – Franz (bis Juli 1945)
- Meyer – Tadeusz
- Mönnig – Johann
Eintragungen im Melderegister zeigen, dass mindestens ein polnischer Kriegsgefangener während der Zeit in Westernkotten in ein „Konzentrationslager” überführt und ein weiterer in „Schutzhaft” genommen wurde. …
Aus verschiedenen Erzählungen unserer Dorfbewohner ist zu entnehmen, dass sie mit Beutegut – Kutschwagen, Handwagen, Fahrräder, angetan mit Festtagskleidung aus manchem bäuerlichen Kleiderschrank – (Gehrock, Zylinder, Brautkleider) durch die Gegend fuhren.
Wo sie dann endlich geblieben sind, ob sie nach Hause in den fernen Osten zurückkehren konnten oder bei der Rückkehr von den Sowjets in Straflager gesteckt wurden, weil sie sich einer Gefangennahme durch die Deutschen während des Krieges nicht widersetzt hatten, bleibt ungeklärt.
Ich möchte auf die französischen Kriegsgefangenen noch besonders eingehen, da sie gegenüber den Gefangenen aus den Osten gewisse „Privilegien” genossen. Wie mir Friedhelm Johannknecht mitteilte, bekamen sie nach dem Frankreichfeldzug – 1942/1943 – zunächst einen Kriegsgefangenen aus Mittel-Frankreich, der in der Backstube eingesetzt wurde. Er hieß Peter, war verheiratet und hatte ein dreijähriges Kind.
Weiter erzählt Friedhelm J.: „Später bekamen wir noch einen 19-jährigen Zivil-Franzosen, der, weil es in Deutschland an Arbeitskräften fehlte, nach hier vermittelt wurde. Er hieß Jan und kam aus Marseille/Süd-Frankreich. Beide wurden bei uns beköstigt. Wochentags schlief der Kriegsgefangene Peter bei uns in einer Kammer, während er vom Samstagabend bis Sonntagabend in das französische Gefangengenlager nach Erwitte, das direkt hinter der großen Kreuzung (B1/55) rechts lag, musste. In der ersten Zeit durfte er allein das Lager aufsuchen. Später – ich glaube, es war in der Zeit der massiven Truppentransporte, die Erwitte zum Osten durchquerten – mussten wir ihn im Gefangenenlager in Erwitte abliefern und auch abholen. Dies habe ich dann mit dem Fahrrad gemacht. – Überhaupt habe ich mit Peter einiges unternommen. Wir haben Schnecken gesucht und in den Kämpen hinter dem Südwall Pilze gesammelt. Er kannte sich damit gut aus und auch mit dem Zubereiten.
Da unter den französischen Gefangenen auch ein kath. Priester war, feierten sie sonntags im Lager die heilige Messe. – Als im April 1945 die Amerikaner eingerückt waren, wurden die französischen Kriegsgefangenen in die Erwitter Schule verlegt. Von dort ging dann der Transport in die Heimat. Mit Peter hatte unsere Familie bis 1973 noch Kontakt. – Der Zivil-Franzose Jan hatte während seiner Zeit in Westernkotten – soviel ich weiß – keine Einschränkungen. Er wohnte bei uns, genauso wie die deutschen Bäckergesellen, in der damaligen Zeit. Seine spätere Frau hat er 1945 in Lippstadt kennengelernt. Es war eine Französin, die bei Dierse arbeitete. Später haben sich unsere Familien einige Male besucht – in Westernkotten und in Marseille. – Erinnern kann ich mich an einen Kriegsgefangenen (kein Franzose) bei Kleeschulte, der in der ersten Zeit einen hohen spitzen Hut trug, das soll der Rest seiner Uniform gewesen sein.” (Mitgeteilt von Friedhelm Johannknecht)
Weitere Beiträge zum Thema „Kriegsgefangene in Westernkotten“ sind nachzulesen in der Biographie Alfred Hoppe (Klosebaum) und in den Aufzeichnungen des Franz-Josef Hoppe (Nucke).