Von Eva Cichy und Otfried Ellger (LWL-Archäologie Olpe)
Erstabdruck: „Archäologie in Westfalen-Lippe 2025“, S. 94 – 98
[Von Herrn Horst Braukmann bekam ich nachfolgenden Beitrag, der interessante Beziehungen zwischen Westernkotten, Bökenförde und Eikeloh aufweist. WM, 21.02.2025]
Die LWL-Archäologie, Außenstelle Olpe, hat seit 2021 in mehreren kleinen Kampagnen durch den Pflug gefährdete Bruchsteinfundamente untersucht. Der Fundplatz liegt östlich von Erwitte, 250 m nördlich der alten Wegeverbindung der Hellwegtrasse. Eine westlich liegende Schledde, die Pöppelsche, hat hier in der Bachaue, einem auf den ersten Blick ungeeigneten Baugrund, im Bereich einer alten Verzweigung eine hoch liegende Schotterbank gebildet. Der Standort ist außerdem durch die angrenzenden Karstquellen des kleinen Bachs Gieseler gekennzeichnet (Abb. 1).

Abb. 1 Blick über die Grabungsfläche nach Osten, im Vordergrund die Bachaue der „Pöppelsche“, im Hintergrund einer der Quellteiche, der Hellweg verläuft weiter südlich (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/L. Cramer).
Der blaue Kolk, eine der beiden ergiebigsten, ist ein eindrucksvoller, 10m großer, kreisrunder und bis zu 5m tiefer Quelltopf. Die Quellen speisen die Gieseler, die die 200m weiter nördlich gelegene Mühle des Hofs zur Osten, die nach Rudolf Bergmann vermutlich schon im Mittelalter existierte, mit Wasser versorgte.
Die Situation erinnert an den Fundplatz Soest- „Quellteich Ardey“ und so verwundert es nicht, dass die Steinfundamente ältere Befunde überlagern. Ein Grubenhaus, größere Gruben und eine große Anzahl an Pfostengruben, die sich nicht eindeutig Grundrissen zuordnen lassen, sowie das Fundmaterial zeugen von der langen Nutzung des nur ausschnitthaft erfassten Platzes von der römischen Kaiserzeit bis in das Frühmittelaltes (Abb. 2).

Abb. 2 Neben Keramik rhein-weser-germanischer Formen (z.8. 6), Kümpfen und frühen Kugeltopfformen umfasst das Fundspektrum der Vorgängersiedlung u.a. auch Drehscheibenware wie Terra Nigra, ein Fragment einer Röhrenausgusskanne (8), Wölbwandtopf-Fragmente (z.B. 5), darunter ein ungewöhnlicher abgesetzter Standfuß (9), Badorfer und Hunneschanskeramik (7), römische Münzen, Fibeln (1und 3), eine Schließe eines römischen Schwertgurts (2) und ein Bruchstück eines gläsernen Trichterbechers (4) (Fotos und Grafik: LWL-Archäologie für Westfalen/P. Fleischer, T. Poggel).
An das Ende dieser Nutzungsphase gehören zwei parallel verlaufende Südsüd und Nordnordöstlich orientierte schmale Bruchwandelemente im Abstand von 1,20m zueinander, deren Funktion unklar ist. Sie wurden bei einer großflächigen Planierung mit einem Steinbaude überbaut. Obwohl archivalische Nachrichten dazu vollkommen fehlen und Bestattungen weder im noch um das Gebäude herum gefunden wurden, kann es sich in Form und Bautechnik nur als Kirche aufgefasst werden (Abb. 3).

Abb. 3 Grundriss des Kirchenbaus in Erwitte-Eikeloh (Grafik: LWL-Archäologie für Westfalen/L. Cramer, E. Cichy).
Gefunden wurde der für ländliche Kirchen im früheren Mittelalter übliche Saalbau mit ausgezogenem Rechteckchor, im Osten ergänzt um ein am Chor angefügten längsrechtseckigen Anbau, der in seiner Ausrichtung der Kirchenachse folgt. Der Gebäude? Maß über 30m, das Saalschiff war? etwa 15m lang und 9,60m breit.
Bis auf einen kleinen Rest aufgehenden Mauerwerks im Westen sind nur Fundamente von diesem Bau erhalten, diese allerdings, abgesehen vom stark abgetragenen, aber in seinen Grundlinien ablesbaren Chorannex, nahezu vollständig. Sie waren ehemals mindestens 35-40 cm eingetieft und bestehen aus in nach unten leicht einziehenden Gruben eingeschichteten flachen Kalkbruchsteinschollen, meist plan gelegt, besonders in den unteren Bereichen, aber z.T. auch in Packlagen schräg aufeinanderliegend. In den oberen erhaltenen Lagen finden sich größere Tafeln und Blöcke, die vom Rand die Fundamentbreite halb, mehr als halb und teilweise sogar ganz überdecken. Besonders an den Gebäudeecken können die Blöcke 20 cm bis 30 cm hoch sein, in den übrigen Teilen weniger.
Das Fundament der Westwand des Saallanghauses ist mir meist 85-90 cm die breiteste Gründung des Baus, diejenigen der Längswände des Saales erreichen auf der höher erhaltenen Westseite meist 73 cm, auf der tiefer gekappten Südseite nur 60-70 cm, für den Chor finden sich ähnliche Werte. Deutlich schwächer ist die Gründung des Chorannexes mit gut 50 cm Breite, die auf seiner Südseite gemessenen Werte knapp unter 50cm dürften der tieferen Abtragung in diesem Bereich geschuldet sein. Die Fundamentunterkante steigt von der Chorostwand zum Annex an. Chor und Schiff stehen eindeutig im Verband und auch an der gleichzeitigen Entstehung des Chorannexes sind kaum Zweifel möglich.
Der kleine erhaltene Rest der aufgehenden Saalwestwand steht mittig auf dem Fundament und ist 60 cm breit (Abb. 4).

Abb. 4 Rest der aufgehenden Westwand im Detail (Fotogrammmetrie: LWL-Archäologie für Westfalen/L. Cramer, E. Cichy).
Seine Außenschalen sind aus großen und zum Teil sehr langen Kalksteinblöcken gesetzt, eingefasst von kleineren gestapelten oder auch hochkant stehenden Steinen, zwischen denen innen nur ein schmaler, mit Bruchsteinschollen und lehmigem Feinkies verfüllter Innenraum verbleibt. Nach außen hin gerade abgearbeitet, zeigt das Mauerwerk auch oben eine auf Höhe der größeren Blöcke sorgfältig hergestellte ebene Fläche. In den Außenschalen und vermutlich auch in den durchgehenden horizontalen Lagerfugen war er vermörtelt. Der in Fragmenten gefundene weißgraue, gut durchmischte, feinsandige Mauermörtel war an den Wandflächen putzartig aufgestrichen und von einer weißen Kalkschlemme überzogen. Das Fußbodenniveau des Baus ist nicht erhalten, Fragmente einer sehr harten, auf eine Kieslage aufgetragenen Mörtelschicht könnten von einem Estrich herrühren.
Deutlicher noch als der bezeugte Anstrich machen nachträgliche Ein- und Anbauten klar, dass der stattliche Kirchenbau fertiggestellt worden ist, Im Inneren des Saallanghauses teilt ein nicht mit den Außenwänden verbundenes und weit höher gründendes Querfundament das westliche Viertel der Innenfläche ab.

Abb. 5 Der Bereich des südöstlichen Anbaus im Frühjahr 2023 von Norden aus gesehen. Vom Anbaufundament sind nur die untersten Teile erhalten: meist packlagenartig verlegte mittegroße Bruchsteine (Foto: LWL-Archäologie für Westfalen / L. Cramer)
Im Südosten des Kirchenschiffs umfassen die etwa 60 cm breiten, nur flach erhaltenen Fundamente eines Anbaus (Abb. 5) dessen Ecke so, dass ein gewinkelter Raum entsteht. Der im Lichten ehemals etwa 1,35m breite Gang begleitete die Saalsüdwand knapp 3m Norden zur Chorsüdwand um; seine Grundfläche betrug ca. 7.5 m².
Die im Kirchenbau und auch noch in seinen Ein- und Anbauten auftretenden schmalen Fundamente und die daraus ableitbaren schwachen Mauerstärken sprechen für eine vorromanische Zeitstellung. Nach den — spärlichen – Keramikfunden kommt eine Datierung in die letzten Jahrzehnte des 9. Jahrhunderts oder danach in Betracht. Da eindeutig jüngere Keramik nicht gefunden wurde, ist dieses „danach“ vermutlich nicht allzu lang. So haben wir es offenbar mit einem eher späten karolingischen, allenfalls frühottonischen Bau zu tun.
Diejenigen, die diesen Bau geplant und errichtet haben, waren fachkundige Spezialisten. Die Breite, offenbar auch die Tiefe der Fundamente sind nicht nur auf die Stärke, sondern auch auf die Höhe der darauf errichteten Mauern abgestimmt: Das breite Westwandfundament ist am einfachsten mit einem steinernen Giebeldreieck über dieser Wand zu erklären, das im Osten des Saales fehlte. Die sorgfältige Mauertechnik der trotz ihrer geringen Stärke tragfähigen Außenmauern spricht ebenso dafür wie ein Maßsystem, das zu ganzzahligen, aufeinander bezogenen Verhältnissen der Gebäudebreiten und -längen führte.
Der östliche Chorannex, mit dem sich die Kirche vom überall Üblichen abhebt, könnte analog zu anderen Annexionen als hervorgehobener Bestattungsplatz gedacht gewesen sein. Wenn diese Nutzung mehr als eine Planung war,
Die in den Saal eingefügte Querwand mittelgroße Bruchsteine könnte die Stützenkonstruktion einer Empore getragen haben. Beim südöstlichen Anbau lässt der Anschluss an den Chor zunächst an eine Sakristei denken, für die es aber bei so frühen Landkirchen keine Parallele gibt, Auch eine Einsiedelei kommt in dieser Position infrage.
Insgesamt macht die Kirche den Eindruck eines durchaus groß gedachten Projekts, dem keine lange Dauer beschieden war. Vermutlich eine adelige Gründung auf einem Herrenhof, gelang hier nicht der sonst häufige Aufstieg zur ländlichen Pfarrkirche mit Bestattungsrecht und dauerhaftem Bestand. Das jüngste mittelalterliche Fundmaterial aus dem Areal reicht höchstens bis in das 11. Jahrhundert. Älteste urkundliche Quellen zur Umgebung stammen aus dem 11. Jahrhundert und erwähnen lediglich einen Weiler (»Osthem«). Womöglich hat die Kirche zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr bestanden.
Literatur
Rudolf Bergmann, Die Wüstungen des Geseker Hellwegraums. Studien zur mittelalterlichen Siedlungsgenese einer westfälischen Getreidebaulandschaft. Bodenaltertümer Westfalens 23 (Münster 1989) S. 112.