von Stefanie Schulte-Hinsken [einer Nachfahrin von Pater Walter Tecklenborg]
aus: Die Glocke: „Glocke“-Serie „Kleine Stadt, große Geschichte(n)“ (Folge 9) Ausgabe vom 12.3.25
Rietberg (gl). Das ehemalige Franziskanerkloster an der Ems, umgeben von schönen alten Fachwerkhäusern, prägt noch heute die Stadt der schönen Giebel, wie Rietberg in Westfalen auch bezeichnet wird. Die Franziskaner hatten sich 1628 dort niedergelassen. 1979 verließ der letzte Franziskanerpater die Stadt. Einer von ihnen war auch Pater Walther Tecklenborg, der eine besondere Verbindung zum Heimatverein innehat.
Kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges, im September 1918, wurde Pater Walther Tecklenborg OFM (1876-1965) Mitglied des Rietberger Franziskanerkonvents und blieb dort bis zu seinem Lebensende. Pater Walther, ein gebürtiger Wiedenbrücker, war bereits mit 16 Jahren dem Orden beigetreten. Er durchlief zunächst die ordensinterne Schulausbildung, das sogenannte Humaniora, und studierte anschließend Philosophie und Theologie.
1901 wurde er in Paderborn zum Priester geweiht. Ab 1903 wirkte er 15 Jahre lang im Rheinland als Seelsorger und lebte in den Klöstern von Remagen, Düsseldorf und Bonn.
Neben dem Glauben war die Kunst sein Steckenpferd und der Franziskanerorden hat stets sein Talent gefördert. Er ermöglichte ihm ein zweijähriges Privatstudium bei dem Historien- und Porträtmaler Professor Heinrich Johann Sinkel sowie ein sechsjähriges Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf von 1906 bis 1912.
In Rietberg konnte sich der Geistliche in den Räumlichkeiten der ehemaligen Klosterbrauerei ein eigenes Atelier einrichten. Sein größter Wunsch ging damit in Erfüllung. Und so machte er sich neben seinen Aufgaben als Seelsorger überregional einen Namen als Künstler und Ahnenforscher. Er wurde zu einem gefragten Berater auf dem Gebiet der Heimatforschung und schrieb zahlreiche Veröffentlichungen zur Heimatgeschichte und Heraldik.
So ist es nicht verwunderlich, dass er mit zu den ersten Mitgliedern des am 1. April 1931 gegründeten Heimatvereins in Rietberg gehörte. Bekannte Rietberger Bürger wie Professor Georg Seppeler, Bürgermeister Karl Agethen, Studiendirektor Dr. Wilhelm Leppelmann, Rektor August Finke, Grafschaftsbesitzer Landrat Karl Ludwik Woldemar Tenge-Rietberg, Zeitungsverleger Paul Holterdorf und Kaufmann Heinrich Rieländer zählten mit zu den Gründungsmitgliedern. Zum ersten Vorsitzenden wurde 1931 Woldemar Tenge-Rietberg Junior gewählt.
Der Rietberger Heimatverein hat eine bewegte Geschichte. Der Zweite Weltkrieg brachte das Vereinsleben zum Erliegen. Doch es kam anschließend zur Wiederbelebung. 1975 wurde der Verein als gemeinnütziger Verein neu gegründet und hat heute ein sehr lebendiges Vereinsleben mit mehr als 600 Mitgliedern. So kam es auch dazu, dass zum Beispiel ein Portrait von Pater Walther aus dem Jahr 1921, mit Hilfe des Heimatsvereins, einer Rietberger Bürgerin zugeordnet werden konnte. Ihr Mädchenname war Thekla Kortmann.
Ausstellung über Leben und Wirken Rietberg (gl).
Derzeit ist nicht bekannt, wann genau dieses System von Pater Walther (kleines Foto)

eingeführt wurde, jedoch findet man noch heute Bücher aus der ehemaligen Bibliothek mit dieser Kennung in anderen Bibliotheken der Franziskaner und zum Beispiel der Erzbischöflichen Akademischen Bibliothek (EAB) in Paderborn. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann angenommen werden, dass dieses Ordnungssystem bei der Rückführung der rund 7000 Bücher in die Bibliothek 1936 bereits verfügbar war und sich als hilfreich erwiesen hat. Den Brand des Klosters hielt der Franziskaner Anfang 1936 in einem eindrücklichen Gemälde fest. Es wurde später dem Rietberger Heimatverein überlassen und ist auch heute noch in dessen Besitz. Hier das Foto:

Der Wiederaufbau des Klosters begann unmittelbar zu Beginn des Jahres 1936. Bereits am 11. Oktober 1936 wurden zwei neue Glocken für die Franziskanerkirche St. Katharina von Pater Walther, unter großer Anteilnahme der Gläubigen von Rietberg und Umgebung, eingeweiht. Zur deren großer Freude waren die Arbeiten für den Wiederaufbau des Klosters bereits Ende desselben Jahres nahezu abgeschlossen.
Die Einwohner von Rietberg fühlten sich den Franziskanern stets sehr verbunden. Noch heute spielt der Orden eine Rolle in der Stadtgesellschaft, insbesondere die künstlerischen Arbeiten des Geistlichen. Das Kunsthaus Rietberg – Museum Wilfried Koch – zeigt erstmalig in Zusammenarbeit mit dem Heimatverein Rietberg vom 4. April bis 22. Juni die Ausstellung „Pater Walther Tecklenborg: Franziskaner und Künstler – Eine Retrospektive“ über das vielfältige Leben und Wirken des Franziskanerpaters.
Die Besucher erhalten Zugang zu einer Vielzahl von eindrücklichen und zeitlosen Portraits. Auch Bilder aus seiner Heimat und von Reisen sowie künstlerisch gestaltete Stammbäume werden präsentiert. Öffnungszeiten der Ausstellungsräume, sowohl im Kunsthaus, als auch im Heimathaus: freitags 14.30 bis 18 Uhr, samstags, sonntags und an Feiertagen 11 bis 18 Uhr, Oster- und Pfingstsonntag geschlossen.
Zur Serie:
So fein ist klein: Mit seinen schmucken Fachwerkhäusern und seinen verträumten Gässchen ist Rietberg eine Perle in Ostwestfalen. Die Emsstadt kann auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken. Jeder Quadratmeter und jeder Stein erzählen Geschichte und Geschichten. Kurioses, Lustiges, Spannendes und Erstaunliches aus mehr als 700 Jahren Rietberg veröffentlicht „Die Glocke“ gemeinsam mit dem Heimatverein in der Serie „Kleine Stadt, große Geschichte(n)“. Dabei müssen es – wie der Serientitel schon andeutet – nicht immer Großereignisse von lokaler historischer Bedeutung sein, die in den einzelnen Folgen thematisiert werden. – Es dürfen auch die kleinen Anekdoten am Rande sein, die in der offiziellen Geschichtsschreibung keinen Platz gefunden haben.
