2024: „Modezentrum Westernkotten“

Von Wolfgang Marcus (Bad Westernkotten)

Einführung

Im Aktenbestand von Maria Peters, den ich weiter ordne und auswerte, fand ich u.a. ein Foto von Sophie Jesse und darunter eine handschriftliche Notiz mit der Überschrift „Modezentrum Westernkotten“.  Da ich weiß, dass Sophie Jesse die Ausbilderin meiner Mutter zur Schneiderin gewesen ist, war mein Interesse geweckt, einen kleinen Aufsatz zu dem Thema zu schreiben, auch als kleine Wertschätzung für Maria Peters, die ihren geplanten Aufsatz aus gesundheitlichen Gründen leider nicht mehr beenden konnte. [1]

Hier oben rechts ein Foto von Sophie Jesse auf ihrer Handwerkskarte aus dem Jahre 1935.

In den Akten finden sich auch erste Gedanken von Frau Peters zu dem geplanten Aufsatz. Dort heißt es handschriftlich: „Modezentrum in Westernkotten. Der kleine Kurort Westernkotten war (auch) schon in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts [bekannt]. Der kleine Kurort Westernkotten war ein sehr modebewusstes Dorf, wenn man rückblickend auf eine selbständige Schneiderin [Sophie Jesse] zurückblickt.“ [2]

Meine Recherchen zum Thema „Mode“ in (Bad) Westernkotten

  1. Modegeschäfte in (Bad) Westernkotten

Zunächst einmal fallen mir einige Namen ein:

  • Schrage, früher Bruchstraße 6
  • Modegeschäfte in der Nähe des Kurhauses. Hier zwei Aufnahmen aus dem Jahr 2005:
  • „Studio M“, Nordstraße 1a. Hier ein Foto vom 08.10.2024:

Frau Hansmann, die Betreiberin, macht u.a. auch Werbung über Instagram und Facebook. Die Firma hat schon ihr 30-jähriges Jubiläum gefeiert.

  • Und dann ein Modegeschäft an der Ecke Westerntor/Weringhauser Straße
  • Und natürlich der Name Ostheimer: „Fritz Ostheimer hatte als Textilhändler unter anderem die Konzession/Vertretung für Bleyle-Waren [3]. Vor allem vor Erstkommuniontagen fuhr er auch in Lippstadt mit seinem Wagen — einem der ersten PKWs in Westernkotten — und besuchte seine Kunden. Ebenso zum jährlichen Schützenfest verkaufte er Stoffe für entsprechende Kleider.“ [4]
  • „Ingrids Modeladen“ [5] oder so ähnlich, Leckhausstraße 7a, dort wo seit langem schon die „Pizzeria Gabbiano“ befindet
  • Und dann hört es aber auch schon auf…

Weiter bringt mich ein Blick in unser Heimatbuch aus dem Jahr 1987 [6], dort auf den Aufsatz von Ferdinand Mönnig. [7] Zunächst wird aus dem Aufsatz ersichtlich, dass es im 17./18. Jahrhundert keine Dienstleister im Modebereich gab [8].

Schneiderbetriebe hat es danach im Ort folgende gegeben [9]:

  • Strug, Gründung? Bruchstr. 4
  • Thiemeier, Gründung 1898, Osterbachstr. 30
  • Lanze, Gründung 1898, Holzweg 1, später Niggenaber, Adam, Übernahme 1917, Niggenaber, Ewald, Übernahme 1964 [10]
  • Jesse, Sophia, Gründung 1923, Alter Markt 3 – „Sie führte einen Damenoberbekleidungsbetrieb. Nachdem sie eine 3jährige Lehrzeit in Westernkotten sowie noch eine weitere Ausbildung in Dortmund auf der Gewerbeschule absolviert hatte, erlangte sie die Meisterprüfung. Auch die Pelznäherei hatte sie erlernt. Im Kriege, auch noch einige Jahre danach, hieß es oft: „Aus Alt mach Neu“. Auch diese schwierigen Aufgaben wurden zur Zufriedenheit der Kunden meisterhaft gelöst. Zeitweilig waren 7 — 8 Personen bei ihr beschäftigt. Aus Altersgründen wurde der Betrieb 1974 geschlossen.“
  • Hense, Anton Gründung: um 1930 Bruchstr. 23 – „Fertigung von Herrenkonfektion und Damenmänteln. Betriebsaufgabe:1956.“

Unter „Sonstiges“ werden erwähnt:

  • Schrage, Fritz Sport- und Trachtenmoden, Gründung 1950, Bruchstr. 6 – „1950 gegründet als Textil- und Einzelhandelsgeschäft von Elisabeth Schrage, wurde das Geschäft 1975 von ihrem Sohn Friedrich Schrage übernommen.“ [11]
  • Bracht, Johanna Handarbeitsgeschäft, Gründung 1982, Am Ehrenmal 4 [12]
  • Luig, Franz „Studio M“ (Wäsche, Freizeitkleidung) Eröffnung: 9. 4. 87 Aspenstraße 1 [13]
  • Meine Schlussfolgerungen
  • Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein haben Menschen ihre Kleidung zumeist selber hergestellt oder von Freunden/Nachbarn, manchmal auch für Schneidern, anfertigen lassen.
  • Erst mit Gründung der Solbad GmbH im Jahr 1950 und dem zunehmenden Gästeaufkommen entstehen kleinere Bekleidungsgeschäfte. Sie wechseln teilweise ihre Standorte.
  • Kataloge von „Neckermann“, „Otto-Versand“ uvm. machten die Bestellung oft einfacher als den Einkauf in einem Modeladen.
  • Kleinere Läden wie NKD verkaufen nicht nur billiges Spielzeug usw., sondern auch Kleidung.  Die kann man sogar bei den großen Discountern kaufen.
  • Die Nähe zu Lippstadt stellt eine besondere Konkurrenzsituation dar. Ich nenne nur ein Beispiel: „Albert Eickhoff“ [14]. Und in Lippstadt gibt es seit 50 Jahren (1974) die Lange Straße als „Einkaufsmeile“.
  • Der Internet-Handel macht es seit Jahren und Jahrzehnten einfach, sich Kleidungstücke online zu bestellen. Wer kauft heute nicht auch bei Zalando, oder Amazon …ein?!
  • Auch das Motto „Geh nicht fort, kauf im Ort“ ändert hier nichts Grundsätzliches.

[1] Wobei ich schon an dieser Stelle bemerken muss, dass ich kein Experte für das Thema „Mode“ bin.

[2] Es folgen einige Leitfragen wie: Anzahl der Gesellinnen und Lehrlingen? Wie viele Stunden täglich vorgeschrieben? Wieviel Lehrlinge durften gleichzeitig ausgebildet werden? – Auch im Alter hat sie Kurgäste/sich nicht so schwach zur Ruhe gesetzt. Später Mäntel [?]/Kurgäste.“ – Weitere Fotos und kurze Notizen in dem Bestand lassen sich nicht zuordnen. Frau Peters hat wohl auch zu diesem und anderen Themen weiter kommuniziert. Das beweist u.a. ein Brief von Frau Silvia Kleikemper geb. Öffler aus dem Jahr 2015WM

[3] Bleyle ist eine Modemarke, die am Ende des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für ihre Strick- und Wirkwaren, insbesondere ihre Matrosenanzüge für Knaben, bekannt war. Sie geht zurück auf die 1889 in Stuttgart gegründete Wilhelm Bleyle oHG, die 1988 Konkurs anmeldete. Quelle: Wikipedia; Zugriff: 10.10.2024.

[4] Marcus, Wolfgang, Westernkotten in der NS-Zeit 1933-1945; in: Altes Sälzerdorf am Hellweg, Lippstadt 1987, S. 216-245, hier S. 234

[5] Die Betreiberin war später mit Heinz Beckhoff verheiratet

[6] Im ersten Heimatbuch – es stammt aus dem Jahr 1958 – kommt das Wort „Mode“ gar nicht vor!

[7] Mönnig, Ferdinand, Gewerbebetriebe in Bad Westernkotten; in: Altes Sälzerdorf am Hellweg, Lippstadt 1987, S. 370-398

[8] Vgl. aaO. S. 370/371

[9] ebd. S. 381/382

[10] Adam Niggenaber, mein Opa, erlernte das Herren-Schneiderhandwerk bei Josef Lanze. Meine Mutter Hildegard wurde ja auch Schneiderin. Andere Schneiderinnen, die mir einfallen: Maria Marcus, verw. Adämmer, geb. Merschmann, meine Stiefmutter; Elsbeth Leonhardt geb. Köneke, unsere frühere Nachbarin…

[11] aaO. S. 396

[12] aaO. S. 397

[13] aaO. S. 398

[14] Eickhoff wurde 1935 als Sohn von Inhabern eines Gemischtwarenladens in Horn geboren. Er besuchte die Realschule im benachbarten Lippstadt. Dort begann er bei Giesecke & Brand, einem Geschäft für Damenoberbekleidung und Stoffe, eine Lehre zum Textilkaufmann. Nach mehreren Stationen eröffnete er am 15. März 1961 mit seiner Frau Brigitte in Lippstadt den Modesalon Eickhoff…Im Jahr 1981 verlegte Eickhoff den Hauptsitz seines Unternehmens an die Königsallee 56 in Düsseldorf. Das Geschäft in Lippstadt führte er noch bis 1995 weiter. [Wikipedia; Zugriff: 08.10.2024]