In: Der Patriot vom 20.08.2024
Bad Westernkotten – Zum Fest Mariä Himmelfahrt binden die Gläubigen in den Kirchengemeinden traditionell Krautbunde und verteilen sie weiter. In Bad Westernkotten macht sich jedes Jahr die Kräuterexpertin Annemarie Schröder mit Freiwilligen auf den Weg, um Kräuter zu sammeln. Ihr Wissen um die Heilkraft ist auch über den Feiertag hinaus gefragt.
In langer Hose, langärmeligen Oberteil und Stiefeln habe auch ich mich kürzlich trotz der hochsommerlichen Temperaturen auf den Weg zum Kirchplatz in Bad Westernkotten. Hier erwartet mich Annemarie Schröder mit ihren großen und kleinen Helfern zum Kräuterschneiden. Wie ich sind auch die anderen gut ausgestattet und freuen sich auf den Ausflug in die Natur.
Während wir noch ein paar Minuten auf andere Sammler warten, erzählt mir Annemarie Schröder von ihrer Leidenschaft für Heilkräuter und Pflanzen, die sie schon seit ihrer Kindheit begleitet. „Manchmal rufen mich Leute an und fragen nach einem schnellen Hilfsmittel oder wollen sich versichern, ob eine Pflanze giftig ist.“ Darüber konnte Schröder schon einiges an Wissen weitergeben und so dafür sorgen, dass Kräuter und ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten nicht in Vergessenheit geraten.
Dieses Wissen soll auch heute an die Teilnehmer der Kräutersammlung weitergegeben werden. „Jedes Dorf hat eigene Kräuter“, so Schröder. Deshalb macht sich unsere neunköpfige Sammlergruppe sogleich auf den Weg zu der ersten Kräuterhochburg. „Hier wollen wir vor allem die wilde Möhre sammeln“, erklärt Schröder zuvor.
Allen werden Scheren in die Hand gedrückt und die Gruppe verteilt sich, um die zarten, weißen Blüten einzusammeln. Dabei verrät Schröder mir noch einen Tipp, der nichts mit der Heilkraft des Krautes zu tun hat: „Wenn man die wilde Möhre presst, dann kann man sie hinterher leicht mit goldener Farbe ansprühen und zu Weihnachten ins Fenster hängen. Das sieht dann aus wie kleine Sterne.“
An unserer zweiten Sammelstation erfahren wir etwas über den Spitzwegerich, der hier unter anderem gesammelt wird: Zerrieben wirkt er Wunder bei leichten Wunden, Abschürfungen und Insektenstichen. Also eine Schnellheilung aus der Natur. Auch das Johanneskraut, dessen farbiger Pflanzensaft etwas über die Reichhaltigkeit seiner Inhaltsstoffe verrät, ist ein starkes Heilkraut und wird oft bei Depressionen verwendet. „Allerdings sollte man nach der Einnahme nicht in die Sonne, denn dann bekommt man schneller einen Sonnenbrand.“
Einfach zu finden ist vor allem der lilafarbene Glut-Weiderich, der für einen Farbklecks im Krautbund sorgt. „Es ist wichtig, immer etwas dabei zu haben, das duftet und etwas, das farblich etwas hermacht“, erfahre ich. Die Suche nach der großen Königskerze gestaltet sich hingegen eher schwierig. Nur noch wenige der gelben Pflanzen finden sich am Wegesrand. „Viele Pflanzenarten werden zu oft abgemäht, deshalb findet man sie leider nur schwer“, erklärt Schröder.
Fast im Überfluss vorhanden ist allerdings die Wasserminze, die für den schönen Duft im Krautbund sorgen soll. „Sie wächst fast nur in Gräben und eignet sich gut im Tee“, so die Expertin. Deshalb werden auch gleich Arme voll abgeschnitten. Gleich in der Nähe findet sich auch der blau gefärbte Natternkopf, über den sich Schröder besonders freut.
Nach etwa zwei Stunden sind wir an der letzten Station angelangt, werden aber vom Abendgewitter überrascht und brechen die Sammlung deshalb ab. Ein ganzer Kofferraum voller Kräuter ist trotzdem zusammengekommen.
Ein ganzer Kofferraum voller Kräuter.
Auch unsere freie Mitarbeiterin Laura Kabuth hat sich beim Sammeln des Glut-Weiderichs als Kräuter-Expertin versucht.
Von Generation zu Generation: Beim Kräutersammeln waren alle Altersklassen vertreten. Fotos (2): Kabuth