Von Wolfgang Marcus
[Dieser Aufsatz wurde Anfang 2024 fertiggestellt und auf die Homepage wolfgangmarcus.de gesetzt. Weitere für die Familienforschung hilfreiche Quellen finden sich in den Fußnoten oder können bei mir zuhause in Kopien eingesehen werden. WM]
Vorbemerkungen
Viele Menschen interessiert es, woher sie stammen, wo sie früher gewohnt haben und wer ihre Vorfahren sind. Manchmal bekommt man dadurch auch Einblicke in die Zukunft. „Morgen wird heute gestern sein“, so lautet ein Lesebuch zur Nachhaltigkeit [1]. Die Zeit vergeht zumeist sehr schnell. Aber es macht auch deutlich: Aus der Vergangenheit kann man viel für die Zukunft lernen. Das verbindet man ja gemeinhin mit „Familienforschung“.
Jeder Mensch hat seinen Personalausweis und oder den Reisepass in der Tasche; und auch ein Familienstammbuch gehört in den meisten Familien zur Grundausstattung. Schwieriger wird es aber schon, die Namen von Oma und Opa oder den Schwiegereltern oder noch weiteren Vorfahren zu finden, geschweige denn Angaben etwa zur Geburt, zu Sterbedaten, zu Wohnstandorten, Beruf, Religion usw.[2]
Hilfen bieten hier die Eintragungen der Städte und Gemeinden über das Einwohnermeldeamt. Diese wurden aber in weiten Teilen Deutschlands erst seit 1875, also nach der Gründung des Deutschen Reiches, eingeführt[3].
Für die Zeit vor 1875 findet man in den sogenannten Kirchenbüchern hilfreiche Angaben[4]. Diese sind für viele Kirchengemeinden und unter Bezug auf das jeweilige Bistum mittlerweile auch digital einsehbar[5].
Wenn man den Ort der gesuchten Vorfahren kennt, können sogenannte Einwohnerverzeichnisse helfen. Am Beispiel von Westernkotten[6] sollen nachfolgen solche Verzeichnisse näher erläutert werden. Der Aufsatz soll helfen, Fundorte für die Familien- und Geschichtsforschung ausfindig zu machen.
- Die Bewohner Westernkottens in den Steuer- und Abgabenlisten des 16. — 18. Jahrhunderts
Im Heimatbuch aus dem Jahre 1987[7] haben Ulrich Dalhoff und ich unter dem Titel „Westernkotten als Teil des Herzogtums Westfalen unter der Herrschaft der Kölner Erzbischöfe (1180-1802“ einen umfangreichen Beitrag über das ausgehende Mittelalter und die frühe Neuzeit geschrieben. In einem Unterkapitel mit dem Titel „Die Bewohner Westernkottens in den Steuer- und Abgabenlisten des 16. – 18. Jahrhunderts“ geht es um das wohl älteste sog. Schatzungsregister im Herzogtum Westfalen. Es stammt aus dem Jahr 1536. In dem Aufsatz heißt es erläuternd: „Aus der Reformations- und Gegenreformationszeit liegen die ersten, d.h. ältesten Schatzungsregister für Westernkotten vor. Wenn im Folgenden zahlreiche solcher Register zum Abdruck kommen, so deshalb, weil sie wichtige Hinweise zur Sozialstruktur und zur Bevölkerungsentwicklung geben sowie für die Familienforschung von entscheidender Hilfe sein können. Schatzungsgelder waren Steuern an den Kölner Erzbischof, den Landesherren. Das älteste stammt aus dem Jahre 1536; der Ertrag dieser Steuer sollte zum Kampf gegen die Wiedertäufer in Münster verwendet werden. In der Zeit vom 5.5. bis 8.7. bereisten sieben Schatzherren das Herzogtum und veranschlagten die Höhe der Steuern nach der Größe des Grundbesitzes, dessen Belastung durch Grundrenten und den Vermögensverhältnissen der Zahlungspflichtigen. Verwüstete Hausstätten sowie die von Adel und Geistlichkeit waren ebenso von der Zahlung befreit wie solche, die als arm (lat.: pauper) galten.[8] – Auf weitere Einwohnerverzeichnisse geht der genannte Aufsatz ebenfalls ein; darunter sind
- Dienstgeld- und Kaufhaferregister
- Hand- und Leibdienst-Listen
- Sog. Rauchhafer- und Gohafer-Listen
- Weitere Schatzungsregister
- Kopfschatzregister und sog. Dorfrechnungen
- Kopfschatzungen der Knechte und Mägde
- Viehschatzungsregister usw.
Aus etlichen Verzeichnissen kann man interessante Details ermitteln, etwa die Frage, welche Vornamen zu welcher Zeit am beliebtesten waren, wieviel Pferde, Schafe und Rinder einige Leute hatten und wer früher in bestimmten Hausstätten – etwa der eigenen – gewohnt hat.
- Verzeichnisse aus dem späten 18. Und dem 19. Jahrhundert
Hier kann nicht auf alle Register eingegangen werden. Einige Stichworte sollen genügen:
- Hausnummern wurden in Westernkotten erstmals im Jahre 1772 eingeführt, als eine Brandschutzversicherungspflicht im Herzogtum Westfalen für alle Hauseigentümer verbindlich wurde[9]. Bei der Recherche für Westernkotten hilft ein Aufsatz von Maria Peters sicherlich weiter: Peters, Maria, Brände, Brandverhütung und Brandvorsorge im 18. und 19. Jahrhundert – mit Beispielen aus Westernkotten, Selbstverlag der Heimatfreunde [3 Aufsätze]
- 1802 trat Hessen-Darmstadt in unserer Region die Nachfolge des unter Kölner Führung stehenden Herzogtums Westfalen an. Die Hessen-Darmstädter brachten Ansätze für eine neue Ordnung nach Westfalen, auch etwa im Bereich der Landvermessung[10].
- Ab 1815 kam das Herzogtum Westfalen unter preußische Verwaltung. Hier ist sicherlich das sog. Urkataster aus den Jahren 1829/30 äußert informativ, vermittelt es doch u.a. Angaben zu Land-, Flächen- und Hauseigentum. Hier kommt man u.a. über das Katasteramt des Kreises Soest weiter.
- Für das Jahr 1864 liegt für nahezu alle Dörfer im Regierungsbezirk Arnsberg eine sog. „Urliste der sämmtlichen Civil-Einwohner zu…“ vor. Für Bad Westernkotten habe ich sie in Kopie vom Stadtarchiv Erwitte [11] bekommen [12].
Ausschnitt aus dem Titelblatt der sog. Urliste aus dem Jahre 1864
- Die Einführung von Einwohnermeldeämtern im Jahr 1875 bietet sicherlich über die Gemeinde- und Stadtverwaltungen die Möglichkeit, an weitere Informationen zu kommen. Hier wäre die Stadtverwaltung Erwitte die richtige Ansprechpartnerin, oder auch speziell das Stadtarchiv Erwitte[13]
- Verzeichnisse aus dem 20. Jahrhundert
Für diese Zeit möchte ich auf zwei Quellenbereiche aufmerksam machen. Zum einen sog. Adressbücher, von denen ich die Folgenden u. a. im Stadtarchiv Lippstadt aufgefunden habe:
Auszug aus dem Adress-Buch von 1925
- 1925/26: Adressbuch des Kreises Lippstadt und Umgebung 1925/26 [hier: Abschnitt: Gemeinde Westernkotten „Bad Westernkotten“, S. 263-265; Original im Stadtarchiv Lippstadt]
- 1940/41: Adressbuch des Kreises Lippstadt und Umgebung, Ausgabe 1940/41, Münster 1940 [hier S.310-313 [[Original im Stadtarchiv Lippstadt]
- 1945: Gemeinde Westernkotten (Hg.): Westernkottens Wege, Straßen und Plätze- Ein Gang durch die Jahrhunderte, Laumanns Druck 1945 [Vorwort von Bürgermeister Eickmann] Lobetag 1945 [im Zusammenhang mit der Einführung von Straßennamen werden die Bewohner der einzelnen Häuser/Hausnummern alphabetisch nach Straßennamen aufgelistet]
- 1951: Adressbuch für den Kreis Lippstadt, Ausgabe 1951 [Original im Stadtarchiv Lippstadt; Anordnung der Einwohner in alphabetischer Reihenfolge; Transkription für das Jahrbuch 2022, S. 127-135, dort die Einwohner nach alphabetisch nach Straßen und dann nach Hausnummern geordnet]
- 1954: Heimatadressbuch des Kreises Lippstadt – Alphabetisches Einwohnerverzeichnis, Münster 1954 [S.398-403, Westernkotten betreffend]
- 1957: Heimatadressbuch Landkreis Lippstadt – alphabetisches Einwohnerverzeichnis, hier das Stichwort: Gemeinde Westernkotten, Amt Erwitte [Original im Stadtarchiv Lippstadt]
- 1964: Heimat-Adressbuch des Kreises Lippstadt [Original im Stadtarchiv Lippstadt), Seite IX/40ff [unmittelbar davor: „Gemeinde Weckinghausen“]
- 1969: Heimat-Adressbuch des Kreises Lippstadt [Original im Stadtarchiv Lippstadt, Bad Westernkotten betreffend Seite 42 – 50]
- 1973/74: Einwohneradressbuch des Kreises Lippstadt [Original im Stadtarchiv Lippstadt; Bad Westernkotten betreffend Seite 88 -105; davor Weckinghausen und letzter Abschnitt von Völlinghausen]
Zum anderen bieten auch Telefonbücher einen guten Einblick. Unter dem Titel „Das Örtliche“ sind Telefonbücher einzelner Städte und Gemeinde entstanden. Das älteste bei mir vorhandene Heft stammt aus dem Jahr 1998/99. – Mittlerweile haben aber viele Menschen kein Festnetztelefon mehr, sondern „nur“ noch ein Handy, zum anderen lassen auch viele ihre Festnetznummer nicht mehr veröffentlichen, da sie Missbrauch (Maschen von Telefonbetrügern) befürchten.
Nachbetrachtungen
Einwohnerverzeichnisse und ähnliche Listen geben – wie schon angedeutet – zahlreiche Antworten auf viele Fragen:
- Wer wohnt wo?
- Wo wohnten die Vorfahren?
- Welche Personen wohnten in unserem früheren Haus?
- Welche Berufe hatten sie?
- Welche Aufgaben hatten sie?
- Welche Einkünfte?
- Sind Angehörige ausgewandert oder zum nächsten Ort umgezogen?
- Welcher Konfession oder Religion gehörten sie an? uvm.
Ob sich aber mit dem Satz „Morgen wird heute schon gestern sein“ verbindliche Erkenntnisse aus der Vergangenheit für die Gestaltung der Zukunft gewinnen lassen, muss offenbleiben. Ich schließe mit vier Sprüchen, die mir mit Blick auf die Zukunft bedeutsam sind: Jeder ist seines Glückes Schmied! – Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen! – Gott sieht alles, aber er verpetzt uns nicht! – Es gibt nichts Gutes; außer man tut es!
[1] Stelzer, Irmgard/Haas, Anna [Hg. unter „Forum Umweltbildung“], Erscheinungsdatum: November 2013
[2] In der schrecklichen NS-Zeit ist Deutschland (1933-45) diente der schreckliche „Arier-Ausweis“ zum Nachweis der „Arischen Rasse“ – noch ein schrecklicher Begriff!
[3] Offensichtlich sind die Daten aber noch nicht überall digitalisiert, und die Akteneinsicht kostet entsprechende Gebühren.
[4] Taufregister, Eheschließungs- und Sterberegister
[5]Für das Erzbistum Paderborn unter: https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/paderborn/ Dort weitere Hinweise. – Die Listen werden jedes Jahr weiter vervollständigt.
[6] Der Ortsname „Bad“ wurde erst 1958 verlieren.
[7] Marcus, W./Jesse, M./Mönnig, F./Richter, A. [Hrsg.], Bad Westernkotten. Altes Sälzerdorf am Hellweg. Lippstadt 1987 [480 Seiten; 2. Heimatbuch zu Bad Westernkotten]
[8] Die handschriftlichen Aufzeichnungen liegen in transkribierter (=übertragen in unsere Schrift] Form vor, siehe: Oberschelp, Reinhard e.a. (hrsg. im Auftrag der Historischen Kommission Westfalens), Die Schatzungsregister des 16. Jahrhunderts für das Herzogtum Westfalen, Münster 1971 [Die historische Kommission Westfalens hat vor einigen Jahren diese Bücher auch digitalisieren lassen und stehen in der Regel möglichen Nutzern praktisch kostenfrei zu Verfügung.]
[9] vgl. dazu: Schulte Beerbühl, Hubert, Eikeloh. Ein Dorf am Hellweg 836-1986, Münster: Selbstverlag des Verfassers, 1985
[10] Einen ersten Einblick gibt der Aufsatz: Dalhoff, Ulrich, Westernkotten als Teil des Herzogtums Westfalen unter der Herrschaft von Hessen-Darmstadt (1802-1816); in: Bad Westernkotten. Altes Sälzerdorf am Hellweg, Lippstadt 1987, S. 154-159
[11] Dank an den damaligen Stadtarchivar Hans Peter Busch
[12] Vgl. dazu den Aufsatz: Marcus, Wolfgang, Die Einwohner Westernkottens im Jahre 1864; in: Heimatblätter Lippstadt 73 (1993), S. 97-101
[13] Der jetzige Stadtarchivar ist Herr Martin Thannheiser.