2024: Ehemalige Gästepension Marcus in Bad Westernkotten

Von Wolfgang Marcus (Bad Westernkotten)

Von etwa 1963 bis 1967 hatten wir in unserem Haus in der Fredegrasstraße 3 eine kleine Gästepension. Dies geht aus einem „Gästebuch“ hervor, das mit Datum versehene Eintragungen vieler hier untergebrachter Kurgäste vom 13.12.1963 bis 8.10.1967 enthält.

Dies Büchlein war meiner Mutter Hildegard sehr wichtig. Dies geht auch daraus hervor, dass sie darin einen Grußzettel ihrer Mutter Sophia Niggenaber geborene Schröer aufbewahrt hat. [1] Hier die Transkription dieses Zettels:

„Verzage nicht! Im sturmbewegten Leben

schwer ist der Kampf der Tugend und der Pflicht.

Wenn Stürme heulen, dass die Wellen beben,

blick hoffend aufwärts! Zittre nicht.

– Vertrau dem Glauben in des Lebens Macht!

– Es ist ein Gott, der für dich sorgt und wacht.

Den 4. Februar 1940 an deinem 15. Geburtstag: Deine Mutter“.

Im Folgenden wird die Pension kurz vorgestellt. Dann folgen einige Zitate der im Gästebuch „verewigten“ Kurgäste. So kann man einen Eindruck davon gewinnen, wie der Solbad-Betrieb damals ablief.

Zur Pension Marcus allgemein

Meine Eltern hatten das Haus unmittelbar nach der Hochzeit 1954 bezogen, im oberen Stockwerk wohnte meinte Großmutter väterlicherseits. Kurze Zeit später ist auch Grete Sievering mit ihrem Mann, einem Bruder meines Patenonkels Franz Sievering, in unser Haus eingezogen. Als meine Oma um Weihnachten 1955 starb und die Familie Sievering ausgezogen war, bauten meine Eltern das Haus, in dem noch Ofenheizung betrieben wurde, zur Mietwohnung um. In der oberen Etage wohnte ab 1956 die Familie Sellerberg. Oben und unten kamen Kinder zur Welt, es gab ein gutnachbarschaftliches Verhältnis… aber oben keine Etagentür.

Nachdem Familie Sellerberg um 1961/62 ein Haus an der Lönsstraße 43 in Erwitte gebaut hatte und wohl im Laufe des Jahres aus unserem Haus ausgezogen war, haben meine Eltern daraufhin die Zimmer oben zu Kurgastzimmern umgestaltet: Ein Zimmer zum Garten, die ehemalige Küche von Sellerberg, wurde ein Einzelzimmer, die beiden Zimmer zur Straße gestalteten sie als Doppelzimmer. Alle Zimmer mussten deshalb mit Waschbecken und fließendem Wasser ausgestattet werden. Der kleine Raum in Verlängerung des Flures war der Frühstücksraum: Jeden Morgen machte meine Mutter für die Kurgäste das Frühstück, brachte es hoch und unterhielt sich noch ein bisschen mit den Gästen. Mittags und abends aßen die Gäste wahrscheinlich im damaligen Kurhaus. – Wir Kinder haben sie öfters nach oben begleitet, und ich kann mich gut daran erinnern, wie die fünf Gäste um einen runden Tisch saßen und uns immer sehr freundlich begegneten. – Nach Ausweis unseres kleinen Gästebuchs waren die ersten Gäste im Zeitraum ab 15.11.1963 bei uns. Alle Gäste blieben in der Regel 28 Tage. Das brachte trotz der damit verbundenen reichlichen Arbeit ein schönes Zubrot für meine Eltern, und meine Mutter trug so neben ihren Einkünften aus dem Nähen auch noch durch die Einnahmen aus der Vermietung der Fremdenzimmer zum Haushaltseinkommen bei. – Wahrscheinlich hatten wir Kurgäste bis 1967 in unserem Haus, der letzte Eintrag im Gästebuch datiert vom 8.10.1967.

Hier drei Fotos aus der „Kurgastzeit“:

Erster Eintrag in das Gästebuch.

Meine Mutter mit drei Kurgästen vor unserem Haus. Oben die Fenster der beiden Doppelzimmer.

„Unsere“ Kurgäste mit anderen Gästen im Kurpark. Damals lag die Minigolf-Anlage noch östlich des 2. Gradierwerks.

Eintragungen der Kurgäste in das Gästebuch

Das Gästebuch – in echtem Leder eingebunden – ist etwa 14 cm breit und 17 cm hoch. Die erste Seite folgt auf dem nächsten Foto:

Die Einschätzung der Gäste lässt sich vielleicht wie folgt zusammenfassen:

Die Gäste fühlten sich in Bad Westernkotten wohl [Zitate: „Die drei Rosenkavaliere“; „Am Fredegras in Marcus‘ Haus, da gingen 4 Wochen wir ein und aus“; „Für die gastliche Aufnahme in Ihrem Haus“; „Als wir nach Westernkotten kamen, wir doch recht benommen waren“; „Bei Schnee, schönem Wetter, und im Regen, in Westernkotten ist es schön gewesen“; „Ob’s stürmt oder schneit, die Sonne lacht, die Kur wurde mit allen Schikanen gemacht! Dazu kam die Pflege, es gab manchen Spaß, im Hause Marcus im Fredegras!“ usw.), sie gingen viel spazieren, bekamen Anwendungen, bekamen morgens im Haus das Frühstück, aßen mittags und abends meist im Kurhaus … und mussten um 22.30 Uhr zurück in der Pension sein.

Schließen möchte ich mit einem letzten Zitat:

„Gesund durch Bäder und Karotten

Verlassen wir nun Westernkotten…

In Erinnerung am unseren, vom Wettergott begünstigten 4-wöchigen Kuraufenthalt…“ [2]


[1] Wahrscheinlich enthielt das „Gästebuch“ vorher den Eintrag ihrer Mutter, also meiner Oma. Das lässt sich an den Ausriss-Kanten ersehen.

[2] Unterschrieben ist dieses Gedicht von zwei Gästen aus Hamburg.