Von Wolfgang Marcus
[dieser Aufsatz findet sich nur auf dieser Homepage; er kann aber auch digital bei mir zuhause, Fredegrasstraße 3, eingesesehen werden. WM]
Unfälle und Polizei-Einsätze in Westernkotten im Jahre 1907: Mordtat und Absturz
Willi Mues hat in „Vertell mui watt“ [Nr. 331ff, 2007] unter der Überschrift „Vor 100 Jahren in Erwitte und Umgebung – in einem alten Zeitungsband nachgeschlagen“ mehrere Artikel – wohl aus der Tageszeitung „Der Patriot“ – abdrucken lassen. Ich habe die Artikel herausgesucht, die Westernkotten betreffen und alle etwas mit Unfällen und Polizei-Einsätzen zu tun haben und sinnerschließende Überschriften ergänzt. WM
Tagelöhnerin tötet ihr Kind
Westernkotten, 6. April. Eine unmenschliche Mordtat erfüllt die Bewohner von Westernkotten und Umgegend mit Abscheu und Entsetzen. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag gegen 1 Uhr hörte der Arbeiter Linnemann im Garten seines Hauses, in dem die übelbeleumundete 25jährige Tagelöhnerin Anna Kleine wohnte, das jämmerliche Geschrei eines Säuglings. Hinzutretend wurde dem L. der Eintritt in den Garten von der Kl. verboten. Linnemann benachrichtigte nun, nichts Gutes ahnend, den Polizeidiener Hilgers, der schon bald darauf gegen 1/2 2 Uhr morgens die Kleine unter dem Verdacht des Kindesmordes in ihrer Wohnung verhaftete und nach Erwitte transportierte, wo die Verhaftete ein umfassendes Geständnis ablegte, ihr soeben geborenes Kind sofort erwürgt zu haben. Die Leiche sei im Garten verscharrt. Sie habe die Tat mit aller Überlegung ausgeführt. Hilgers, dessen Umsicht und Energie anerkannt werden muss, fand beim grauenden Morgen denn auch im Garten der Kl. eine frisch verscharrte Stelle und beim Aufwühlen die kleine Leiche. Die widernatürliche Mutter, die außerdem noch ein Kind im Alter von 2 – 3 Jahren hat, befindet sich im Erwitter Krankenhause. Möge die Mitteilung dieser entsetzlichen Tat mit all seiner Grausamkeit und Rohheit jedweden abschrecken die jäh abwärts führende Bahn des Lasters der Unsittlichen zu betreten.
Absturz auf dem Domhof
Westernkotten, 10. April. Ein entsetzliches Unglück ereignete sich am Weißensonntage auf dem benachbartem Domhofe. Der dort bedienstete Knecht Aust stürzte durch eine Luke auf die Tenne und zwar derart unglücklich, dass der Stiel einer Heugabel ihm einen Fuß lang in den Mastdarm eindrang. Noch an dem selbigen Abend wurde der Verunglückte mit den hl. Sterbesakramenten versehen. Der entsetzliche Schmerzen leidende wurde am anderen Tage zum Erwitter Krankenhause gebracht, wo er am Dienstage von seinen Qualen erlöst wurde. Der Verunglückte war verheiratet und Vater von 3 Kindern, die den Tod ihres Ernährers beweinten. – Aus Westernkotten wird uns weiter gemeldet; dass der Knecht Aust vom Boden in den 1,60 Meter niedrigen Bansenraum gesprungen und hierbei auf den Stiel der in der Hand haltenden Gabel gefallen ist. Von einem Abstürzen durch die Bodenluke auf die Tenne kann also keine Rede sein.
Westernkotten, 26. April. Am 23. d. Monats, feierten die Eheleute Wilhelm Mintert hierselbst in aller Stille das seltene Fest der goldenen Hochzeit. Das Jubelpaar, im gleichen Alter von 75 Jahren, erfreut sich noch einer körperlichen und geistigen Frische. Möge es demselben beschieden sein, noch manches Jahr im Kreise ihrer Kinder und Enkel sich des Alters zu freuen.