Große Wäsche – Wie früher in Westernkotten Wäsche gewaschen wurde
von Wolfgang Marcus, Bad Westernkotten
[Erstabdruck: Marcus, Wolfgang, Große Wäsche. Wie früher in Westernkotten Wäsche gewaschen wurde; in: Vertell mui watt, Ausgabe 39-42 (1997)]
Vorbemerkungen
Am 4. Juni 1996 traf sich die Seniorengruppe der kfd unter der Leitung von Frau Maria Richter, um sich über das Wäschewaschen in alter Zeit zu unterhalten.
I. Sortieren und Einweichen
Ein Waschtag in alter Zeit war schon etwas Besonderes und mit viel Arbeit verbunden. Allerdings wuschen die Leute längst nicht so oft wie heute, Anfang des Jahrhunderts zumeist nur alle 4 Wochen, vor allem bei vielen Kindern aber auch jede Woche. Dazu Frau Finchen Fortmann: „Im Winter musste man mit Bettwäsche sparen. Unsere rote Damastwäsche kam Allerheiligen in die Betten, und erst im März wurden die Betten abgezogen.“
Am Abend vor dem Waschtag holte man zunächst einmal ein paar Eimer Wasser aus der Bieke (Osterbach) oder dem Spring (Quelle an der Bruchstraße), Wasser aus der Leitung gab es ja noch nicht. Erst im Jahre 1935 wurde Westernkotten an das öffentliche Trinkwassernetz des Lörmecke-Wasserwerks angeschlossen.
Inzwischen hatte die Hausfrau die Wäsche sortiert, zumeist in drei Stapel: a) Kochwäsche, zum Beispiel Bettwäsche und Leibzeug, b) helle Buntwäsche, also Handtücher und Tischwäsche, sodann c) dunkle Buntwäsche wie Schürzen, Arbeitshemden und Kindersachen. Ingesamt gab es aber mehr dunkle Wäsche und fast gar keine weiße. So erinnert sich Frau Deimel: „Als bei uns ausnahmsweise ein weißes Tischtuch aufgelegt wurde, fragte meine Schwester Magdalene: „Ist das von meinem Bett?“
In großen Bottichen, Zubern und Trögen weichte man die Wäsche nun über Nacht ein. Besonders verschmutzte Stellen rieb die Hausfrau vorher noch mit Seife ein.
II. Rubbeln, Kochen, Waschen, Stampfen
In aller Frühe, oft schon um 4 Uhr, ging der eigentliche Waschtag los. Dabei halfen sich die Nachbarsfrauen auch oft gegenseitig. Mit Holz und Reisig machte einer Feuer unter dem großen Waschkessel. Das Holz hatte man entweder selber – zumeist Weidenholz von gescheitelten Kopfweiden – oder kaufte es, zum Beispiel in Eringerfeld. Und Flöers Oma, die selbst eine Kohlenhandlung hatte, „stuakerte diän Bruggepott äuk manges mit Kohlstrünke.“ Selbst die Steine, die beim Pflaumenkrautkochen abfielen, dienten als Heizmaterial.
Der Waschkessel diente mit einem anderen Einsatz als „Bruggepott“ zum Kochen des Viehfutters. (Der Waschkessel kam übrigens bei uns zu Hause noch bis in die 1960er Jahre zum Einsatz. Schon vorher hatten wir einen elektrische Trommel zum Schleudern der Wäsche. Anfang der 60er Jahre bekamen wir die erste vollautomatische Waschmaschine.) Während der Waschkessel geheizt wurde, rubbelten andere Frauen jedes Wäschestück einzelnen auf dem Waschbrett und warfen es dann in die heiße Kessellauge, wo die Wäsche mit einem Holzlöffel gestampft werden musste, wenn die Lauge im Kessel kochte. Vor allem die Flüchtlinge und Vertriebenen haben nach dem 2. Weltkrieg noch mit dem Waschbrett gewaschen.
Nach der Kochwäsche wurde die helle und dann die dunkle Buntwäsche gewaschen, wenn die Lauge im Kessel nur noch lauwarm war.[vgl. bei Margret Rettich, Erzähl mal, wie es früher war, Ravensburg 1982, den Beitrag „Große Wäsche“]
Als Waschmittel verwendete man Kernseife und Schmierseife. Diese stellten die meisten Familien im 2. Weltkrieg selbst her: Seifenstein, Schwarten und Schmalz ergaben, auf dem Herd gekocht, eine dicke Brühe, die auf ein altes Kuchenblech geschüttet und nach dem Erkalten in handliche Stücke geschnitten wurde. Schon vor dem 2. Weltkrieg war aber auch Waschpulver im Einsatz, „Persil“, damals noch in Leinenbeuteln verpackt.
Später kamen anstelle der Waschbretter einfache Waschmaschinen zum Einsatz. Einige sahen aus wie Kinderwiegen. Mit der Hand angetrieben musste über Hebel und Kurbeln die Wäsche „geschaukelt“ werden. „Treck diu, ick hewwe trocken“, hieß es dann oft. Später, erst nach 1920, gab es elektrisch getriebene „Wäscheschaukeln“ in Westernkotten. Diese einfachen Waschmaschinen waren alle aus Holz, und wenn man mal längere Zeit nicht gewaschen hatte, konnte es vorkommen, dass sie nicht mehr dicht waren. Dann war man an allen Ritzen bemüht, die Lauge wieder aufzufangen.
Die Wäschekörbe waren aus Weiden geflochten, aber auch Zink- und Emaillewannen kamen zum Einsatz.
In der Waschküche bildete der Kesseldampf einen dichten Novembernebel. Die Frauen trugen dann Kopftücher und an den Füßen zumeist Holzschuhe.
Schnelle Wäsche war immer am Schützenfest angesagt. Da die meisten Schützen vor dem 2. Weltkrieg nur eine weiße Schützenhose hatten, kam es oft vor, dass diese nach dem Umzug und dem Tanzabend am Sonntag völlig verschmutzt war. Dann musste die Frau sie abends noch schnell waschen. Getrocknet wurde sie zumeist in der Küche über dem Herd, so dass sie montags zum Umzug wieder zur Verfügung stand. Über dem Herd gab es eine Art Wäschespinne zum Trocknen vor allem kleinerer Wäschestücke.
III. Spülen und Trocknen
Die Frauen erinnern sich, dass sie die Wäsche auf dem Handwagen oder der Schubkarre, je nachdem, was zur Verfügung stand, zum Osterbach oder zur Gieseler beförderten. Wenn der Handwagen zum Mistfahren gebraucht worden war, dann konnte eben anschließend nicht die Wäsche damit transportiert werden.
Auf den Schubkarren, die weitgehend flach gelattet waren, konnte man zwei oder drei große Körbe Wäsche transportieren.
Besonders am Osterbach, der damals noch unverrohrt den ganzen Ort durchfloss, gab es praktisch bei jedem angrenzenden Haus eine Spülstelle. Über einige Stufen gelangte man an den Rand des Wassers, wo eine größere Steinplatte, meist aus Kalkstein vom Haarstrang, die Plattform für das Spülen bildete. Damit beim Ausspülen die Wäsche nicht durch den Schlamm gezogen wurde, war das Bachbett jeweils vor den Spülsteinen etwas vertieft worden, so dass in der entsprechenden Mulde auch größere Wäschestücke gespült werden konnten.
Manchmal war im Osterbach zu wenig Wasser zum Spülen, wenn nämlich der Müller gerade gemahlen hatte und nun das Wasser wieder anstaute. Und manchmal sei die Müllerin auch „recht bockig“ mit dem Wasserzulauf gewesen, hieß es.
Besonders anstrengend war das Spülen im Winter bei eiskaltem Wasser. Dazu nahmen die Frauen einen Strohwisch mit, auf dem sie knien konnten. Aber auch so war das Spülen und vor allem das Auswringen der Wäsche anstrengende Arbeit. Beim Auswringen größerer Wäschestücke half man sich oft gegenseitig, einer drehte rechts, einer links herum. Wenn man allein war, schlug man sich ein größeres Wäschestück auch selbst nach hinten über die Schulter.
Da die Strömung besonders in der Gieseler oft recht stark war, schwamm auch schon mal das eine oder andere Wäschestück weg frei nach Schiller: „Wenn frohe Rede sie begleitet, dann fließt die Arbeit munter fort.“
Auf dem Schäferkamp gab es nur eine Waschstelle, und zwar etwa 50 Meter unterhalb des Mühlenstaus. Da gab es dann früh morgens schon mal einen Stau, wenn mehrere Familien am selben Tag gewaschen hatten. So kam es, dass einzelne Familien das Spülen ins eigene Haus verlagerten: Eine Zinkbadewanne diente als Spülbecken, und über einem Balken darüber konnte die Wäsche über Nacht hängen und austropfen.
Nachdem Westernkotten 1935 an das Lörmecke-Wassernetz angeschlossen wurde, bauten sich die Leute in der Regel zwei steinerne Bassins zum Wäschespülen in der Waschküche ein. (Auch in unserem Haus, 1954 im Fredegras errichtet, war das noch der Fall.)
Zum Trocknen wurde die Wäsche häufig auf die Gartenzäune gehängt, aber auch Wäscheleinen waren in Gebrauch. Wenn sich die Leinen bei der schweren Last zu sehr durchhängten, stellte man zum Abfangen des Gewichts oft eine Heugabel unter die Leine. Frau Deimel erinnert sich, dass sie die Wäscheleinen immer im Park ihrer kleinen Gastwirtschaft am Hockelheimer Weg spannten. Und wenn dann die ersten Gäste in den Park kamen, dann mussten alle schnell laufen und die Wäsche abnehmen, damit die Gäste nicht zwischen die Arbeitshemden und Unterhosen zu sitzen kamen.
Wenn es draußen zu feucht oder zu kalt war, trockneten viele Leute die Wäsche in der Scheune auf dem Stroh. Oder es gab einen Trockenboden. Häufig diente auch die Küche als Trockenraum, denn hier war in der Regel die meiste Wärme. Auch unter einem Schuppen und schon mal im Kuhstall fand die Wäsche Platz, und als dann später das Mangeln aufkam, hieß es oft: „Äuh, dat muffelt ower ganz näu’n Käuhstall.“
IV. Bleichen
Vor allem die Tischtücher, aber auch andere weiße Wäsche, legte man nach dem Ausspülen der Lauge ins Gras in die Sonne, um sie ganz weiß bleichen zu lassen. Um kurze Wege zu haben, befanden sich die Bleichplätze in der Nähe der Bachläufe. Zwei öffentliche Bleichplätze sind noch gut in Erinnerung: Auf dem Schäferkamp am Osterbach war es die jetzige Grünfläche vor der Schäferkämper Mühle, an der Gieseler die Wiese an der Einmündung der Flachsröte in die Gieseler, dort, wo sich heute der Spielplatz an der Antoniusstraße befindet.
Dieser Bleichplatz war um die Mitte des vorigen Jahrhunderts noch von der Gemeinde verpachtet. 1867 erhielt sie dafür von dem Pächter 10 Reichstaler. In einer Benutzungsordnung war festgelegt, was für welches Wäschestück an Nutzungsgeld an den Pächter zu zahlen war. So kostete eine „große Wäsche“ 10 Silbergroschen. Der Bleicher hatte für die Bewachung und das Begießen der Wäsche zu sorgen.[vgl. Heimatbuch von 1958, Seite 67/68]
Später war die Benutzung des Bleichplatzes gebührenfrei. Da die Wäsche nicht völlig austrocknen durfte, musste sie oft sogar stündlich mit einer Gießkanne begossen werden. Das war dann eine richtige Prozession, die sich an besonders sonnigen Tagen zum Bleichplatz schlängelte.
Manche blieben aber auch gleich bei ihrer Wäsche sitzen und nutzten die Zeit, um sich das Neueste aus dem Dorf zu erzählen. Oder man ging in der Zwischenzeit in „Kürlings Kamp“, um Kümmel für den Käse zu pflücken.
V. Bügeln, Stärken und Mangeln
Die Bügeleisen waren Hohlkörper, in die mit Hilfe einer Zange heiße Bolzen eingeführt werden konnten. Während mit dem einen Bolzen gebügelt wurde, lag der andere schon wieder im Herd, danach wurde ausgewechselt. Die Bolzen mussten rot glühend sein, damit sie lange genug Wärme abgaben.
Die richtige Temperatur der Bügelfläche des Bügeleisens wurde dann mit Speichel getestet: Wenn’s zischte, war’s gut. Auch an Zeitungspapier wurde die richtige Temperatur geprüft. Viel schneller als heute konnte das Eisen zu heiß sein.
Besonders schwierig war es, die Hemdkragen, „Vatermörder“ genannt, zu bügeln, die dann anschließend in einen besonderen Kasten zur Aufbewahrung kamen. Nicht jeder hatte dazu genug Geschick.
Besonders unangenehm war das Bügeln im Sommer, denn dann musste trotz sommerlicher Außentemperaturen der Herd angemacht werden.
Im Dorf gab es auch eine Frau, die von Beruf Büglerin war, Hirz Marie, sie wohnte bei Adämmer. Diese bügelte zum Beispiel Kommunionkleider oder die weißen Kleidchen für die Führengelchen bei einer Hochzeit oder andere wertvolle Wäschestücke.
Als Bügelfläche diente in der Regel der Küchentisch mit einer dicken Decke als Unterlage und darüber einem weißen Tuch.
Bettwäsche bügelten damals die Frauen in der Regel nicht. Sie wurde gereckt und gestreckt und dann mehrfach übereinander gefaltet und kam dann so in den Schrank. Das Recken der Wäsche machte besonders den kleineren Kindern Spaß: Wenn man sich unter die Wäscheteile setzte, gab es beim Ausschlagen so richtig schön Wind. Oder die Erwachsenen setzten die Kinder auch schon mal in ein großes Wäschestück hinein und schaukelten sie. Die Kinder riefen dann: „Wir wiegen die Engel im Abrahmsschoß, kadewupps, kadewupps, kadewupps.“
Falls die Bettwäsche doch gebügelt wurde, machte man das am besten mit einer Hilfe: Wenn eine Seite fertig gebügelt war, musste jemand sie solange festhalten, bis auch der Rest fertig war.
Vor dem Bügeln besprengte man praktisch jedes Wäschestück, was schon sehr trocken geworden war, mit Wasser, es gab ja noch keine Dampfbügeleisen. (Ich kann mich noch gut erinnern, dass mein Bruder und ich das als Kinder oft übernommen haben; denn mit der Sprühflasche konnte man sich auch wunderschön nass spritzen.)
An eine andere Art des „Bügelns“ kann sich Frau Finchen Fortmann erinnern: Wenn zwei oder drei größere Wäschestücke zusammengefaltet waren, legte man sie sauber auf den Stuhl und wurde anschließend von den Kindern „plattgesessen.“
Ähnliches weiß Paula Maerthen zu berichten: Die Küchenschwester im Erwitter Krankenhaus hatte immer einen sehr schön glatten Schleier mit einem ganz scharfen Knick. Das lag daran, dass der Schleier immer glatt in ein Stück Zeitungspapier gelegt wurde, auf das sich dann die Kartoffelschälfrau bei der Arbeit setzen musste. Und da sie immer viel zu schälen hatte und recht beleibt war, wurde der Schleier so schön glatt und gerade geknickt. „Nur vom Po der Kartoffelschälfrau.“
Einzelne Wäschestücke wurden auch gestärkt, so vor allem die schon genannten Hemdkragen, die ja nicht wie heute mit dem Hemd verbunden sondern einzeln waren, ebenso Schürzen und Tischwäsche sowie die runden Hemdmanschetten, die besonders von den „älteren Herren“ getragen wurden.
Als Stärkemittel wurde „Weißstärke“ oder „Hoffmann’s Stärke“ verwendet, die erhitzt und angerührt werden musste; darin wurden die Wäschestücke getaucht. Im 2. Weltkrieg nahm man zum Stärken auch Kartoffelmehl. Oft blieb die Stärke dann unter dem Bügeleisen kleben, deshalb nahm man später nur die „mit der Katze“ (Hoffmann’s Stärke).
Die erste Heißmangel in Westernkotten wurde erst nach dem 2. Weltkrieg von Fritz und Gertrud Dietz, und zwar im Jahre 1947, in der Bruchstraße 12 eröffnet. Vorher wurde in einzelnen Familien eine Trockenmangel verwendet, bei der die großen Wäschestücke durch zwei Holzrollen gedreht wurden.
Die Heißmangel Dietz, die im Nebenerwerb betrieben wurde, bestand bis 1973. Nachfolger war die chemische Reinigung und Heißmangel Slabke, die ihren Betrieb in den Räumen der ehemaligen Heißmangel Dietz begann, von 1973 bis 1978 im Gebäude Am Ehrenmal 4 ihren Platz fand und seitdem in der Nordstraße 4 zu finden ist.[Heimatbuch von 1987, S. 392]