[aus: Vertell mui watt 2009, Nr. 339ff]
Chronologie des Landwirtschaftlichen Ortsvereins Bad Westernkotten
Von Wolfgang Marcus
1906 wurde in Westernkotten ein eigener „Landwirtschaftlicher Lokalverein“ gegründet; 2005 schlossen sich die Bad Westernkötter Bauern dem Landwirtschaftlichen Ortsverein Erwitte und Umgebung an. Hier eine Kurzchronologie des Vereins aus dem Aktenbestand, der sich im Stadtarchiv Erwitte befindet.
Datum | Ereignis |
14.1.1906 | 36 Bauern gründen den „Landwirtschaftlichen Lokalverein“ Westernkotten als 2. landw. Verein im Kreis Lippstadt; Vorsitzender wird Leo Jesse |
1908 | Wird eine gemeinsame Viehwaage angeschafft. |
1910 | kann das erste Winterkränzchen gefeiert werden, die Wirtin Dietz hatte sich bereit erklärt, 20 Mark zu spenden und für Musik zu sorgen |
13.4.1928 | Im Gasthof Dietz findet die Gründung einer Schwarzbunten- und Rotbunten-Bullenhaltungs-Genossenschaft satt. |
13.10.1929 | Vorbereitung der Kommunalwahl: gemeinsam mit dem kath. Arbeiterverein und dem Hirsch-Dunkerschen Gewerkeverein soll eine Einheitsliste aufgestellt werden |
6.4.1930 | Erstmals wird in den Protokollen eine Frau genannt: Als Vertrauensperson für den Landfrauenverband wird für Westernkotten Frau H. Mönnig vorgeschlagen |
22.1.1931 | 25-Jahr-Feier bei Dietz mit Festrede von Landwirtschaftsrat Schmidt, einem Theaterstück und einer sog. Damenrede. „Der Lehrer Erich Riekenbrauck ehrte die anwesenden Damen durch eine von Ernst und Scherz durchsetzte, inhaltvolle Rede und schloss mit einem dreifachen Hoch auf die Damen.“ |
26.4.1931 | Erneute Ablehnung des geplanten Lörmecke-Wasserwerkes; stattdessen soll eine örtliche Teilversorgung realisiert werden |
30.8.1931 | gemeinsam mit nichtlandwirtschaftlichen Pächtern will man gegen die zu hohen Pachten der Herren von Papen und von Landsberg vorgehen. |
21.2.1932 | Josef Besting wird zum Nachfolger von Leo Jesse gewählt, nachdem dieser sein Amt niedergelegt hatte |
1932 | Wieder gemeinschaftlicher Bezug von Bindegarn, Kohlen und Thomasmehl. |
12.6.1932 | Vortrag von Dr.Wartenhorst über die neuen und stark kritisierten Einheitswerte, drei Tage später findet eine Begehung der Feldflur mit der Möglichkeit von Einsprüchen statt |
15.2.1933 | Die Nationalsozialistische Herrschaft spiegelt sich auch im LW-Ortsverein wieder: Ohne nähere Begründung wird im Protokoll festgestellt, dass der bisherige erste Vorsitzende Josef Besting sein Amt niedergelegt hat und die Versammlungen bis zur Neuwahl im nächsten Jahr vom stellv. Vorsitzenden Anton Otto geleitet werden |
11.3.1933 | Baron von Papen, dem die meisten Ländereien in der Gemarkung Westernkotten gehörten, will eine Abordnung der Bauern empfangen will, um über Pachtverringerung zu diskutieren. Dieses Thema steht in den folgenden Sitzungen noch häufiger auf der Tagesordnung. |
1933 | Im Protokoll vom 3. Juli 1933 ist erstmals von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der neuen Regierung die Rede: Laut Landrat Dr. Malzbender und Gemeindevorsteher Josef Pieper sollen 50 Arbeitslose Steine aus der Pöppelsche brechen und damit die Wirtschaftswege Holzweg, Berger Weg (heute Sauerländer Weg) und den Weg von Erdmann zur Kreisstraße nach Erwitte (heute Schäferkämper Weg) ausbauen, die Bauern sollen dafür kostenlos die Steine anfahren, da sie ja ein Interesse an gut ausgebauten Wegen hätten. Das stößt nicht auf ungeteilte Zustimmung unter den Landwirten, zumal in der Ernte jede Hand gebraucht wird |
Mitte 1933 | Alsbald nach der Machtübernahme der Regierung Hitler ist das gesamte landwirtschaftliche Organisationswesen auf eine völlig neue Grundlage gestellt worden. Die Landwirtschaftlichen Orts-, Kreis und Hauptvereine, der Westfälische Bauernverein, der Reichslandbund und der Westdeutsche Bauernbund sind aufgelöst. Die gesamte Landwirtschaft ist nunmehr im Reichsnährstand einheitlich zusammengefasst. Nach unten hin ist der Reichsnährstand in die Landes-, Kreis- und Ortsbauernstände gegliedert. An der Spitze der einzelnen Gliederungen steht der Bauernführer. Diesem sind drei Unterführer zur Seite gestellt. Der erste bearbeitet das wirtschaftspolitische Gebiet, der zweite das technische und der dritte das genossenschaftliche Gebiet. Im Ortsbauernstand Westernkotten ist Bauernführer Josef Pieper, Abt. 1: Bernhard Heithoff, Abt. 2: Anton Otto, Abt. 3: Josef Deimel |
29.9.1933 | Reichserbhofgesetz. In der Präambel heißt es: „Die Reichsregierung will unter Sicherung alter deutscher Erbsitte das Bauerntum als Blutquelle des deutschen Volkes erhalten.“ In Westernkotten werden 33 Höfe als Reichserbhöfe benannt. |
2.12.1933 | Teilnahme an einer Großdemonstration in Hamm mit Reichsernährungsminister Darré. |
1939-45 | Kriegswirtschaft mit Zwangsbewirtschaftung aller Lebensmittel; Versammlungen des Ortsvereins finden in dieser Zeit nicht statt. Wenngleich das Land im Gegensatz zu den Städten weniger unter Bombardierung zu leiten hatte, lagen auch in Westernkotten nach dem Ende des 2. Weltkrieges einige Höfe ganz oder teilweise in Schutt und Asche (z. B. Hof Kleeschulte, Osterbachstraße). |
1945-47 | Viele Männer waren im Krieg getötet worden und im Juni 1945 fiel einem britischen Journalisten auf, „dass so viele Frauen und Kinder so fieberhaft auf den Feldern arbeiten, dass viele Frauen schwarz gekleidet sind und man so wenig Männer sieht.“ – Die Felder waren ausgelaugt und der Tierbestand hatte unter der Kriegswirtschaft erheblich gelitten. Und Viehbestand und Felderträge sanken bis 1947 auf einen katastrophalen Tiefstand. Es fehlte insbesondere an nötigen Düngemitteln und geeignetem Pflanz- und Saatgut. Auch die Landmaschinenproduktion kam erst langsam wieder in Schwung, da sie bereits 1942 eingestellt und auf Kriegsproduktion umgestellt worden war. – Die britische Militärregierung setzte die Lebensmittelbewirtschaftung des Krieges fort, die Verbraucher bekamen weiterhin Lebensmittelkarten, die Bauern Ablieferungsbescheide.- Besonders im Frühjahr und Sommer 1945 waren überall Menschen unterwegs, die der Krieg entwurzelt hatte: Flüchtlinge, Vertriebene, Evakuierte, Kriegsgefangene, Hamsterer, die ersten Heimkehrer…- Auf den Höfen musste zumeist nicht gehungert werden, aber Reibungen und Spannungen in dieser „Hamster- und Schwarzmarktzeit“ blieben nicht aus. Vor allem im „sibirischen Winter“ 1946/47 war die Hungersnot in Deutschland besonders groß. – Gewalttaten und Rache befreiter Zwangsarbeiter bestimmten auch in Westernkotten kann wesentlich die ersten Wochen nach Kriegsende. |
30.4.1947 | Vermerk, dass eine Eingabe wegen zu hoher Quoten bei der Ablieferung von Getreide gemacht werden soll. |
30.12.1946 | wird Heinrich Eickmann zum Nachfolger von Josef Jacobi gewählt, der aber „Ortsbauernvorsteher“ (später Ortslandwirt) bleibt. Die Landwirte werden über die Auflösung des Reichsnährstandes und die Gründung des WLV informiert. |
20.6.1948 | Die Währungsreform mit 40 DM „Kopfgeld“ bringt endlich wieder Schwung in die Gesamtwirtschaft. |
1949 | berät man zusammen mit Bürgermeister Rieke die Anschaffung einer neuen Turmuhr auf dem Kirchturm. |
16.11.1950 | wählte die Versammlung Leo Jesse zum Vorsitzenden, der dieses Amt 27 Jahre lang bekleidete. |
1950er und 1960er Jahre | In den 1950er und 1960er Jahren fand der größte Strukturwandel in der Landwirtschaft statt: vielseitige Mischbetriebe, wie sie um 1950 noch typisch waren, wandelten sich in hoch spezialisierte Fachbetriebe; Mägde, Knechte und Heuerlinge verschwanden mehr und mehr von den Höfen; im Rahmen von Flurbereinigungen entstanden größere, maschinengerechte Schläge; befestigte Wirtschaftswege lösten Trampelpfade, Gras- und Hohlwege ab, befestigte Land- und Kreisstraßen führten durch den Ortskern, wo sich auch das Sozialgefüge mehr und mehr änderte; die Zahl der Bauernhöfe sank („Wachsen oder Weichen“): 1949 wurden in Westfalen-Lippe rund 170 000 landwirtschaftliche Betriebe gezählt, 20 Jahre später waren es nur noch 103 000; enorme Produktionssteigerungen vor allem durch verbesserten Pflanzenschutz, bessere Düngung und verbessertes Pflanzgut sowie die Einführung vielseitiger Schlepper, die zunehmend Pferde und Zugochsen ersetzten; mit dem Schlepper eroberten auch andere Geräte die Bauernhöfe wie Ackerpflüge, Düngerstreuer, Drillmaschinen, Miststreuer und dergleichen; selbstfahrende Mähdrescher setzten sich bis Ende der 1960er Jahre gegenüber dem Schlepper gezogenen Mädresch-Binder durch; ökologische Probleme; Agrarüberschüsse und Eingriffe in den Markt durch die nationale und europäische Landwirtschaftspolitik… |
1951 | Am 13.4. ist von einem zunächst erfolgreichen Protest gegen die Erhöhung der Grundsteuer A von 110 auf 150 Prozentpunkte die Rede. |
1953 | Am 30.12.ist Bürgermeister Josef Westerfeld zu Gast. Beratung über die Unterhaltung der Wirtschaftswege |
1954 | Am 8.12. wird die Bonitierung der Feldflur durch das Katasteramt kritisch beraten. Und noch ein interessantes Thema steht auf der Tagesordnung: Die mögliche Anschaffung einer „Waschanstalt“ für Westernkotten zur „Entlastung und Zeitersparnis der Hausfrau“. |
1955 | Die Einbeziehung italienischer Arbeitskräfte wird am 17.11. beraten |
1956 | Feier des 50-jährigen Bestehens. Die Festrede hält Rektor Brüggemann aus Hardehausen |
1970er, 1980er und 1990er Jahre | Zahlreiche Höfe haben aufgrund des Fehlens eines Hoferben, eines zu geringen Eigenlandanteils, zu geringen Eigenkapitals, des allgemeinen Preisverfalls für viele landwirtschaftliche Produkte oder fehlender Expansionsmöglichkeiten ihren Betrieb eingestellt. Dies lässt sich auch an der Mitgliederzahl des Landwirtschaftlichen Ortsvereines ablesen. Hatte der Verein 1940 noch 60 Mitglieder, so waren es 2002 nur noch 30 (davon zahlreiche ehemalige Landwirte). Aufgrund des Kurortes mit seinem Heilbadstatus werden an die Emissionen der Landwirtschaft hohe Anforderungen gestellt. Die Interessen der Intensivlandwirtschaft und des Heilbades lassen sich nur begrenzt unter einen Hut bringen, so dass im Ortskern bis auf den Hof Westerfeld, Wolfsangel 5, der aber keine intensive Viehhaltung mehr betreibt, alle Höfe verschwunden sind. Die im Ort verbliebenen ehemaligen Hofstellen wurden zum Teil flächensaniert bzw. überplant und durch neue Gebäude ersetzt (ehemaliger Hof Westerfeld, Schützenstraße, ehemaliger Hof Göbel, Hockelheimer Weg 5, ehemaliger Hof Hoppe, Salzstraße = jetzt Kurhotel Grüttner…). Jüngstes Beispiel wird der Hof Jesse, Aspenstraße 5, sein, wo eine Service-Wohnanlage entstehen wird. In einigen Fällen ist es der Politik gelungen, dass zumindest die Gebäude des Hofes nicht abgerissen, sondern für Wohnzwecke bzw. eine gewerbliche Nutzung (Café Gerling, LVM-Büro Eickmann) umfunktioniert wurden. So kann heute noch die alte Gehöftstruktur abgelesen werden (zum Beispiel ehemaliger Hof Schrop, Aspenstraße 36; ehemaliger Hof Pilk, Nordstraße 24; ehemaliger Hof Eickmann, Weringhauser Straße, ehemaliger Hof Erdmann, Aspenstraße 46; ehemaliger Hof Eickmann, Weringhauser Straße…). – Einzelne Höfe konnten erfolgreich ausgesiedelt werden (Hof Hoppe-Nucke, Nordstraße 57, ehemals Salzstraße 15), andere verlagerten zumindest Teile der Produktion (Schweinemastställe usw.) in den Außenbereich (Hof Deimel, Am Zehnthof 2; Hof Mintert, Hockelheimer Weg 20; Weringhoff, Weringhauser Straße…). – Andere Höfe, die nach dem 2. Weltkrieg aussiedelten, sind mittlerweile durch die expandierende Wohnbebauung wieder eingeholt worden (u. a. die ehemaligen Höfe Gerling, Schäferkämper Weg; Schröer und Schütte-Rixmeier, Westerntor; Wieneke, Antoniusstraße; Schäfer-Jacobi, Lindenstraße…). – Weithin landwirtschaftlich geprägt ist noch der südlich Bad Westernkotten vorgelagerte „Ortsteil“ Schäferkamp. Hier befinden sich noch vier Vollerwerbs-betriebe. Zahlreiche ehemalige Scheunen und Stallungen stehen aber auch hier mittlerweile leer, und es bedarf eines besonderen städtebaulichen Fingerspitzengefühls, hier eine behutsame Umnutzung zu gestalten. – Einige Höfe haben sich neben der Landwirtschaft weitere wirtschaftliche Standbeine geschaffen, etwa durch den Bau von Mietwohnungen, die Nutzung alternativer Energien oder das Betreiben von Pensionen und Ferienwohnungen. – Durch die expandierende Wohnbebauung im Heilbad Westernkotten (derzeit ca. 4200 Einwohner, seit dem 2. Weltkrieg verdreifacht) konnten zahlreiche Flächen für Wohnbauzwecke zur Verfügung gestellt werden. Auch der Erwitter Zementindustrie mit ihrem Flächenbedarf für Abbaugelände von Kalkstein fielen zahlreiche landwirtschaftliche Flächen zum Opfer. Spektakulär hier vor allem der komplette Verkauf des südlichsten Hofes der Gemarkung, des Domhofes, an ein Zementwerk Ende der 1990er Jahre. |
1.1.1975 | Durch die kommunale Neuordnung kommt die Flur nördlich von Westernkotten bis zum Suckeweg zur Stadt Erwitte und zur Gemarkung Bad Westernkotten. Damit auch die Höfe Schäfermeier und Hoppe-Kloßebaum |
1976 | Im Februar fand die Feier des 70-jährigen Bestehens im Rahmen des traditionellen Winterfestes statt. |
1978 | 50-jähriges Bestehen der Bullenhaltungsgenossenschaft |
1979 | Am 10. Juli fand gemeinsam mit den Ehepartnern ein Ausflug zum Schlachthof Westfleisch und zum Haus Düsse statt. |
1981 | feierten die Landwirte das 75-jährige Bestehen des Ortsverbandes, unter anderem mit einem lustigen Theaterstück |
1986 | 80-Jahr-Feier |
1987 | engagierte sich der Ortsverband gegen seiner Meinung nach zu hohe Einheitsbewertung der landwirtschaftlichen Flächen und schaltete sogar den Petitionsausschuss des Landtages ein, leider ohne Erfolg |
1987 | Am 3. Juni beschloss die Versammlung auf dringendes Anraten der Geschäftsleiter der Volksbank, Groene und Plümpe, die Verpachtung der Warenabteilung der Volksbank an die WCG Kornhaus. Die Warenabteilung hatte zuvor Jahr für Jahr Verluste gemacht |
1998 | erfolgt eine Neuorganisation des Ortsverbandes: Die Landwirte des benachbarten Ortsvereins Eikeloh schlossen sich dem hiesigen Ortsverband an, der sich fortan „Landwirt-schaftlicher Ortsverein Bad Westernkotten-Eikeloh“ nennt. |
1999 | In der Mitgliederversammlung am 8.12.informierte Herr Gerke vom WLV über die Themen Strompool, Milchquote und günstiges Telefonieren. An die Stadt Erwitte sollte ein Antrag gestellt werden, den Lipperweg auszubauen |
2005 | 9.8.: Fast alle aktiven Landwirte treffen sich mit Vertretern der Stadt und Ortsvorsteher Wolfgang Marcus, um die Verkehrsberuhigungsmaßnahmen an der Aspenstraße zu inspizieren. Da ein Schlepper mit zwei Anhängern kaum durchkommt, wird die Stelle aufgeweitet |
2005 | 24.11.: Fusionsversammlung mit dem Landwirtschaftlichen Ortsverband Erwitte und Umgebung. Einstimmig wird der Fusion zugestimmt. Damit hat der Landwirtschaftliche Ortsverband nach nahezu genau 100 Jahren aufgehört, als eigenständige Organisation zu existieren |
2006 | Feier des 100-jährigen Bestehens mit Gottesdienst, Festansprache und einem Aktionstag auf dem Schäferkamp |
2007 | 24.2.: Letzter „Bauernball“ des Ortsvereins. |
2008 | Der Erlös der 100-Jahr-Feier wird für die Erneuerung des Geländers am Osterbach gespendet. |