Ferdinand, Marcus/Marcus, Jan, Arbeitskampf bei Seibel und Söhne, Erste Werksbesetzung in der Geschichte der Bundesrepublik, in: Heimatblätter 2000 (80. Jg.), S. 33-36
[Die nachfolgende Fassung enthält – ohne die Abbildungen – den Gesamtbeitrag, der im Bundeswettbewerb Geschichte, unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten, den 2. Platz erreichte.]
Ein herzliches Dankeschön allen Leuten, die uns auf dem langen Weg zur Fertigstellung dieser Arbeit geholfen haben. Unser Dank gilt:
Unseren lieben Eltern; unseren vier Gesprächspartnern: Dr. Hermann-Wolfram Billhardt, Herbert Borghoff, Josef Köchling, Engelbert Sander; dem Stadtarchivar Hans-Peter Busch; den Damen und Herren des Arbeitsgerichts Paderborn, vor allem Herrn Mathias und Frau Peitz; den Damen und Herren des Bundesarbeitsgerichts, besonders Frau Hassenpflug; den Damen und Herren des Landesarbeitsgerichts, vor allem Herrn Schulte; Dr. Wolfgang Bender vom Staatsarchiv Detmold; den Damen und Herren der IG Chemie-Papier-Keramik, Hannover; den Damen und Herren des Westdeutschen Rundfunks Köln, besonders Ursula Scholl, Birgit Haider und Ingeborg Müller; der Druckerei Staats.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Vorwort
- 1.1. Wie wir auf dieses Thema gekommen sind
- 1.2. Vorgehensweise
- 2. Einführung
- 2.1. Was ist Kalk?
- 2.2. Zementherstellung
- 2.3. Die Stadt Erwitte
- 2.4. Die westfälische Zementindustrie
- 2.5. Zur Geschichte der Erwitter Zementindustrie
- 2.6. Das Zementwerk Seibel & Söhne
- 3. Hauptteil
- 3.1. Hergang der Tatsachen
- 3.1.1. Die chronologische Abfolge des Arbeitskampfes
- 3.1.2. Was hat sich durch den Arbeitskampf geändert?
- 3.1.3. Was haben die Beteiligten während des Arbeitskampfes gemacht?
- 3.1.4. Das Strukturkrisenkartell
- 3.1.5. Die Fortsetzung des Arbeitskampfes vor den Gerichten
- 3.2. Wer unterstützte die Beteiligten?
- 3.2.1. Ehefrauen der Streikenden
- 3.2.2. Firmen und Konkurrenzfirmen
- 3.2.3. Gewerkschaften
- 3.2.4. Bevölkerung
- 3.2.5. Politiker
- 3.2.6. Solidarität – Was wäre, wenn nicht…?
- 3.3. Was sagten die Medien dazu?
- 3.3.1. Fernsehen
- 3.3.2. Presse
- 3.4. Zeitzeugen berichten
- 3.5. Eigene Meinung zum Streik
- 4. Anhang
- 4.1. Quellenverzeichnis
- 4.2. Anlagen
Bei unserer Arbeit verwendete Abkürzungen
a.a.O. am angegebenen Ort
a.D. außer Dienst
AG Aktiengesellschaft
Anm. Anmerkung
ArbG Arbeitsgericht (Paderborn)
ARD Allgemeiner Rundfunk Deutschlands
AZ Aktenzeichen
BAG Bundesarbeitsgericht
BDZ Bundesverband der Deutschen Zementindustrie e.V.
Co. Company
CPK Chemie-Papier-Keramik (keine offizielle Abkürzung)
DGB Deutscher Gewerkschaftsbund
Dipl.Arbeit Diplomarbeit
ebd. ebenda
e.V. eingetragener Verein
Fa. Firma
F.C. Franz Clemens
Gebr. Gebrüder
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Hrsg. Herausgeber
IG Industriegewerkschaft
KG Kommanditgesellschaft
LAG Landesarbeitsgericht (Hamm)
MdB Mitglied des Bundestages
o. J. ohne Jahresangabe
S. Seite
S & S Seibel und Söhne
sog. sogenannt
t Tonnen
Tsd. Tausend
VdZ Verein deutscher Zementwerke
Verf. Verfasser
VEW Vereinigte Elektrizitäts-Werke
vgl. vergleiche
WDR Westdeutscher Rundfunk
Zu den Fußnoten: Die Fußnoten in den Texten sind keine vollständigen Quellenangaben. Der vollständige Quellennachweis erfolgt am Ende der Arbeit. Die Fußnoten, die sich auf Zeitungsartikel beziehen, sind unter den „Pressestimmen I-V“, die sich im Nachlass Stakemeier im Stadtarchiv Erwitte befinden, zusammengefasst.
1.Vorwort
•1.1. Wie wir auf dieses Thema gekommen sind
Unser Tutor hat uns mit diesem Arbeitskampf bei Seibel & Söhne 1975 einen guten Tip gegeben. Er meinte, dass dieser Arbeitskampf einmalig in dieser Region sei und dass er eine große Bedeutung hatte. Dem schlossen wir uns nach einer kurzen Überlegung an, denn auch die Körber-Stiftung erwähnt diesen Arbeitskampf in der diesjährigen Broschüre „Spuren suchen“ auf Seite 46. Da wir auch aus dem Raum Erwitte bzw. Lippstadt kommen, ist der geforderte lokale Bezug hergestellt. Weil im Hinblick auf das Thema „Protest“ in dieser Region nichts größeres als der Arbeitskampf bei Seibel & Söhne zu erforschen war, wählten wir uns dieses Thema für unsere Arbeit aus.
•1.2. Vorgehensweise
Nachdem wir von unserem Tutor über die groben Züge der Geschehnisse unterrichtet wurden und in der Pilotstudie zum [Schüler-]Wettbewerb 1998/99 von Melanie Nolte aus Geseke, die uns unser Tutor aus dem Erwitter Stadtarchiv mitgebracht hatte, eine kurze Zusammenfassung gelesen hatten, überlegten wir uns alle möglichen Fragen, die zu diesem Thema passen könnten. Aus diesen Fragen erstellten wir dann eine (vorläufige) Gliederung. Anschließend überlegten wir, wie wir weiter vorgehen konnten. Wir entschieden uns, dass wir zuerst im Erwitter Stadtarchiv Material sichten wollten. Dort teilte uns der Archivar, Herr Busch, mit, dass es jede Menge Zeitungsartikel darüber im „Nachlass Stakemeier“ darüber gäbe.
Also lasen wir in den nächsten Wochen all diese Zeitungsartikel, die von der IG CPK als „Pressestimmen NR. I – V“ zusammengestellt worden waren und von Herrn Stakemeier gesammelt wurden. Als wir nach einigen Besuchen im Archiv eine Menge von Namen der Personen, die am Geschehen beteiligt waren, gesammelt hatten, suchten wir die Telefonnummern dieser Personen heraus und machten, falls sie gewillt waren, ein Termin für ein Interview mit ihnen fest. Bei nur einer Absage konnten wir vier Gesprächspartner festmachen (siehe unter 3.4.: „Zeitzeugen berichten“), die wir dann auch in der nächsten Zeit besuchten. Diese Interviews zeichneten wir auf Tonband auf (bis auf eine Ausnahme) und werteten sie dann am Computer aus. Einen Ausdruck des Interviews gaben wir jedem unserer Gesprächspartner mit, damit diese sich überzeugen konnten, dass wir auch alles richtig verstanden haben und damit sie auch überprüfen konnten, ob alles so abgedruckt werden kann. Alle unsere Gesprächspartner stellten uns auch noch weiteres Material zur Verfügung. Besonders einer unser Gesprächspartner, Herbert Borghoff, konnte uns gut weiterhelfen, als er uns die Diplomarbeit seines Sohnes gab. Diese Diplomarbeit ist bis jetzt das einzige Werk, das nach dem Arbeitskampf verfasst wurde und vollständig darüber berichtet.
Das Archiv im Königshof der Stadt Erwitte, über das uns der Archivar erzählte, dass es zur damaligen Zeit das Streikbüro der Streikenden war (vielleicht schwebten die Geister der Streikenden noch über uns?), besuchten wir ebenfalls weiter. Wir schrieben auch noch verschiedene Institutionen (z.B. WDR, ARD, BAG, LAG, IG CPK etc.) an. Von den meisten erhielten wir Antwort: z.B. sandte uns die „Monitor“-Redaktion ein Video über den Arbeitskampf kostenlos zu und das BAG schickte uns einige Gerichtsurteile (ca. 180 Seiten) zu diesem Fall.
Nach dieser Zusendung wurde unser Interesse an den Gerichtsurteilen zu diesem Fall größer. Deshalb besuchten wir Anfang Januar das ArbG Paderborn und konnten dort einige Urteile zu diesem Thema einsehen, die auf Bitten des ArbG vom Staatsarchiv Detmold zur Verfügung gestellt worden waren. Da der Direktor des ArbG anmerkte, dass uns das wichtigste Urteil noch fehlte, bekamen wir eine Kopie (ca. 75 Seiten) dieses wenige Tage später zugeschickt.
Besonders erfreut waren wir auch darüber, dass sich alle bemühten uns zu helfen.
Lediglich die Fa. S & S konnte uns ebenso wie der Sohn des damaligen Firmenchefs nicht weiterhelfen.
Nachdem wir unsere Arbeit im Archiv beendet hatten, trugen wir die ganzen Informationen zusammen und erstellten die unten aufgeführten Texte.
Anschließend überarbeiteten wir die Arbeit, gestalteten die einzelnen Seiten und erstellten schließlich ein Buch.
2.Einführung
•2.1. Was ist Kalk?[1]
Während der Kreidezeit (vor 67 – 137 Mio. Jahren) rückte das Meer wieder auf westfälischen Boden vor. Das Meer der unteren Kreidezeit brachte feine Ablagerungen bis ins nördliche und östliche Westfalen. In der jüngeren Kreidezeit rückte das Meer bis zur Ruhr, Lippe und Diemel auf. Damals bildeten sich Sandstein, Kalk und Mergel, die das Münsterland bedeckten und in seinen Randerhebungen Osning, Egge und Haarstrang zu finden sind.
Bei einer Kohlebohrung 1901, die am Kreuzkamp, fünf Kilometer nördlich von Lippstadt angesetzt wurde, traf man in 646 Meter Tiefe devonischen Massenkalk an. Die höheren Schichten aus Ton und Kalk beweisen, dass sich diese Gesteine bei zunehmender Meerestiefe abgesetzt haben, weil sich Ton nur in tiefem Meer bilden kann. Aus der Zunahme von Ton und Kalk kann man schließen, dass das Meer tiefer geworden sein muss. Das Meer wurde so tief, dass sich nur noch feine Bestandteile absetzen konnten, so dass die oberen Schichten nur aus Ton und Kalk bestehen. Je nach Anteil der beiden Bestandteile heißen die Gesteine Mergel, Kalkstein oder Mergelkalk.
Aus diesen Schichten besteht heute ein großer Teil des Haarstrangs. Kalk- und Mergelschichten wechseln sich ab (Plänerschichten). Diese enthalten Reste von Meerestieren, die den Kalk liefern. Das Ammonshorn (lat.: Acanthoceras Rothomagense) ist das Leitfossil dieser Zone, mit dem sich das Alter der kalkig-mergeligen Schichten des Haarstrangs bestimmen lässt. In höheren Schichten sind Kalkbänke seltener anzutreffen. Kalk mit Verunreinigungen wie Ton oder Quarzsplitterchen nennt man Mergel. Er kommt in Erwitte vor.
Mergel ergibt besseren Zement als normaler Kalkstein. Früher dachte man Mergel sei wertlos, weil man, als man ihn erhitzte, eine feste Masse bekam, welche sich nicht in Pulver, geschweige denn in Brei auflöste, wie der reine Kalkstein, wenn man ihn mit Wasser vermengt.
1750 kam man in England durch Zufall darauf, dass dann, wenn man die feste Masse feinmahlt, es den besten Mörtel ergibt. 1819 kam ein deutscher Forscher auf die Idee, dass es ein gewisser Anteil Ton war, der den Unterschied zum herkömmlichen Kalk ausmachte. Von da an war die Herstellung des Zements überall möglich, indem man Kalkstein und Ton günstig zusammen mischte und sogenannten Portlandzement brannte. Dadurch wurde die Errichtung von Betonbauten ermöglicht.
Doch es gab wieder Schwierigkeiten: Der künstliche Portlandzement war durch andere Mischungen veredlungsfähig, doch den Naturzement im Bereich Geseke-Erwitte musste man so hinnehmen wie er war. Der Portlandzement verschaffte sich gegenüber dem Naturzement ein großes wirtschaftliches Übergewicht, daher erschien die Erschießung des Naturzements den Unternehmern als uninteressant und gewagt. Die Herstellung von Portlandzement aus dem Geseker-Erwitter Naturzement war zunächst auch unrealistisch, da große Wassermengen für Dampfmaschinen und Nassaufbereitungsverfahren gebraucht wurden, welche nicht vorhanden waren. Nach dem 1. Weltkrieg konnte man theoretisch Portlandzement herstellen, da man ein Trockenaufbereitungsverfahren kannte und außerdem der Elektromotor erfunden war und man keine großen Wassermengen mehr brauchte.
•2.2. Zementherstellung[2]
Zuerst wird das Rohmaterial (Kalkstein, Kreide und Ton) in Steinbrüchen abgebaut und anschließend in sog. Brechern zu Schotter zerkleinert. Dieser Schotter wird danach in Rohmühlen zu Pulver (Rohmehl) gemahlen und getrocknet. Danach kommt das Rohmehl in einen Elektrofilter, in dem der Staub vom Rohmehl getrennt wird. Nachdem das Rohmehl homogenisiert worden ist, gelangt es in einen Drehofen. Dieser Brennvorgang ist die technisch aufwendigste Herstellungsphase. Im Drehofen, welcher bis zu 100 Meter lang und bis zu sechs Meter breit sein kann, wird das Rohmehl auf 1450°C erhitzt. Bei dieser Temperatur laufen chemische Reaktionen ab, die zur Bildung von Zementklinker führen. Dieses Produkt verlässt den Ofen in Form kleiner Kugeln und wird danach möglichst schnell abgekühlt. Unter Hinzufügung von Hüttensand bzw. Gips wird der Klinker zu Zement gemahlen. Je feiner der Zement gemahlen worden ist, desto schneller erhärtet der aus ihm hergestellte Beton. Den nun entstandenen Zement kann man in mehrere Klassen einteilen:
Portlandzement (besteht fast vollständig aus gemahlenem Zementklinker), Eisenportlandzement (65-94% Zementklinker und 6-35% Hüttensand), Hochofenzement (20-64% Zementklinker und 36-80% Hüttensand).
Nach einer erneuten Lagerung wird der fertige Zement verladen und versandt. Dieser Zement wird jetzt zur Herstellung von Beton und Mörtel verwendet.
•2.3. Die Stadt Erwitte[3]
Zur Lage und Größe: Erwitte, das an der Kreuzung der Bundesstraßen B1 und B55 liegt, ist auch heute noch eine ländliche Kleinstadt mit ca. 16000 Einwohnern, zu der 15 Ortsteile gehören. Der Kernort Erwitte hat etwa 6000 Einwohner.
Die nächste größere Stadt ist Lippstadt (ca. 70.000 Einwohner), das ungefähr sieben Kilometer entfernt ist. Erwitte liegt am Hellweg (B1), der in östlicher Richtung nach Geseke und Paderborn und in westlicher Richtung ins Ruhrgebiet führt.
Zur Geschichte: Ausführlich kann die Geschichte Erwittes erst ab 1027 n.Chr. beschrieben werden. In diesem Jahr übergab Kaiser Konrad II den Königshof in Erwitte, dessen Gründung vermutlich auf Karl den Großen zurückgeht, an die Paderborner Kirche, wodurch der Bischof von Paderborn ein wichtiger Grundherr in dieser Gegend wurde. Aber der Raum Erwitte gehörte, politisch gesehen, ab dem Spätmittelalter zum Herzogtum Westfalen, das dem Erzbischof von Köln unterstellt war. Da beide Erzbischöfe versuchten ihr Reich über die Grenzen von Erwitte auszuweiten, gab es immer wieder Konfliktsituationen, die die Geschichte Erwittes prägten. Erwitte wurde erst 1936 eine selbständige Stadt.
Zur Wirtschaft: Die Hauptwirtschaft in Erwitte ist die Zementindustrie. Seit 1965 ist in Erwitte der weltweit zweitgrößte Heizkörperventilehersteller, die Firma Heimeier, ansässig. Auch im Zentrallager der Hella sind viele Erwitter beschäftigt. Diese Industrien sind die wichtigsten Arbeitgeber in Erwitter, aber natürlich gibt es auch viele kleine andere Firmen.
Zum Wahlverhalten: In Erwitte stellte die CDU – bis auf eine kurze Periode in den 1960er Jahren und von 1989-1991 – durchgängig den Bürgermeister.
2.4. Die westfälische Zementindustrie
Die Zementindustrie ist einer der unbeständigsten Wirtschaftszweige. Dies liegt zum einen daran, dass, wenn Bevölkerung und Wirtschaft keinen Zement benötigt und der Bedarf gesättigt ist, auch durch einen enormen Preisnachlaß der Absatz kaum gesteigert werden kann. Zum anderen kann man den Zement auf Grund der hohen Transportkosten nicht beliebig weit transportieren; es ist somit auch keine unbegrenzt weite geographische Ausbreitung des Absatzgebietes möglich.
Außerdem befinden sich bis heute in der Westfälischen Zementindustrie rohstoffbedingt viele Zementwerke auf engstem Raum: 1975 gab es sechs Werke in Beckum-Ahlen, fünf in Erwitte, vier in Geseke, drei in Enningerloh, zwei in Paderborn und ein Werk in Lengerich.[4] Diese Werke machten 1975 rund 25% der Deutschen Zementindustrie aus.[5]
Nach dem zweiten Weltkrieg setzte ein Bauboom ein, der es den Unternehmen ermöglichte ihre Produktionskapazitäten zu erweitern. Besonders die Nähe des in den Kriegsjahren arg beschädigten Ruhrgebiets wirkte sich günstig auf den Absatz aus.
Zu dieser Zeit gründeten die Unternehmer ein Kartell, das ihnen Preis- und Produktionsabsprachen garantierte. Nach der Auflösung dieses Kartells 1967 durch das Bundeskartellamt brach der „1. Westfälische Zementkrieg“ aus. Die großen Zementhersteller (Dyckerhoff, Anneliese) versuchten, den kleinen Betrieben die Marktanteile strittig zu machen.
Wegen des erneut einsetzenden Baubooms 1970 beruhigte sich die Lage jedoch wieder. Bis 1973 herrschte diese Hochkonjunktur und die Preise stabilisierten sich zunehmend wieder.
Doch dies hielt nicht lange an: Die Erdölkrise traf die Zementindustrie hart, da dieser Rohstoff zur Unterhaltung der Zementöfen intensiv genutzt wurde. Es gab erneut einen Zementkrieg, den „2. Westfälischen Zementkrieg“.
Außerdem setzte ein gewaltiger Rückgang der Wohnungsbauten ein: So waren es 1972 noch 769.000, 1975 aber nur noch 368.000 zum Bau genehmigte Wohnungen.[6] Der Absatz 1974 sank auf den Stand von 1969. Die Produktion von Zement und Klinker ging 1974 von 10,6 Mio. Tonnen um 16% auf 8,9 Mio. Tonnen zurück.[7] Hinzu kam, dass in den Jahren 1970 – 1973 die Zementproduktionsmittel ausgebaut worden waren.
Der Preisverfall machte sich bemerkbar, in Süddeutschland kostete eine Tonne Zement ca. 100 DM, in Westfalen hingegen nur 45 DM.[8] Die Kapazitäten der einzelnen Zementwerke waren im Jahr 1975 im Durchschnitt nur zu 65% – 70% ausgelastet.[9]
Von 1970 – 1974 stiegen die Personalkosten um 43%. Dazu ist anzumerken, dass die Energie-, und Personalkosten ca. 50% der Herstellungskosten für Zement ausmachten.[10]
1975 wurde angedacht, ein Strukturkrisenkartell, auf das nachher noch näher eingegangen wird, zu bilden. Doch dies kam nicht zustande. Auf die weitere Geschichte der westfälischen Zementindustrie gehen wir hier nicht weiter ein, da es den Rahmen des Artikels sprengen würde.
Auf der folgenden Seite: Diagramm zur Zementausfuhr Westfalens im Vergleich zur Zementausfuhr von S & S. Achtung: Verschiedene Einheiten! Erstellt nach Gutachten über den Betriebsunterbrechungsschaden in der Zeit vom 10.03.75-31.01.77. Erstattet durch die Wirtschafts- Revision und Treuhand AG.
•2.5. Zur Geschichte der Erwitter Zementindustrie[11]
In Erwitte wurden 1906 erste Gesteinsproben durch den Bauunternehmer Johannes Postert und den Ziegeleibesitzer Friedrich Sträter entnommen. Diese Proben wurden als für die Zementherstellung geeignet befunden.
Im Erwitter Heimatbuch von 1936 heißt es dazu: „Auf Grund dieser Feststellung nahm der damalige Amtmann und Gemeindevorsteher […] die Angelegenheit mit dem Ziele in die Hand, Kapitalisten für die Errichtung eines Kalk- oder Zementwerkes zu interessieren. In verschiedenen Fachzeitschriften ließ er unter´m 28. Mai 1910 [ein] Inserat veröffentlichen.“
Doch vor dem ersten Weltkrieg kam es zu keiner Errichtung eines Werkes. Schließlich wurde 1919 ein kleines Zementwerk gebaut, das wenig später aber vom Zementsyndikat aufgekauft und anschließend stillgelegt wurde.
Das Zementsyndikat versucht auch weiterhin alle Neugründungen zu verhindern, was bis zum Jahre 1926 auch gelang. In diesem Jahr errichtete ein Fabrikdirektor zusammen mit einem Geseker Direktor einen Kalkringofen. Später wurde dieser unter dem Namen „Kalk- und Zementwerke Felsenfest GmbH“ gerichtlich eingetragen.
1927 bauten die Zwillingsbrüder Karl und Franz Seibel aus Fritzlar ein Naturzementwerk, dass 1931 zu einem Portlandzementwerk umgebaut wurde und 1935 schon 170 Arbeiter beschäftigte (1927 waren es nur 55 Arbeiter). Im Jahre 1928 wurde unter dem Namen „Portlandzementwerke Nordstern GmbH“ ein drittes Werk errichtet, das bis heute im Besitz der Familie Spenner ist.
Im selben Jahr wurden noch drei weitere Werke gegründet:
- – Hugo Miebach und Dr. Schnepper bauten das Naturzementwerk „Wittekind“
- – Das Portlandzementwerk „Hansa“ wurde von Lenze und Schlautmann errichtet, wurde allerdings 1932 wieder geschlossen.
- – Die Gebr. Evers aus Büren (in der Nähe von Geseke) gründeten ein Zementwerk, das sie nach ihrem Namen „Evers“ benannten.
Die Folge dieser vielen Neugründungen war, dass auf diesen Werken viele Arbeiter aus Erwitte und Umgebung Arbeit fanden. Die Weltwirtschaftskrise 1930 überstanden alle Erwitter Werke ohne größere Verluste; im Gegensatz zu Geseke, dort mussten viele Werke schließen.[12]
Im zweiten Weltkrieg wurden nach und nach die meisten Erwitter Zementwerke stillgelegt und Teile der Belegschaften zum Kriegsdienst einberufen.
Nach dem Krieg versuchten die Unternehmer ihre Werke wieder aufzubauen, was auf Grund der hohen Kosten nicht allen gelang: Das Werk „Felsenfest“ wurde
1947 von der Spennergruppe übernommen.
Wegen des bereits oben erwähnten Baubooms der Nachkriegszeit wurden noch
zwei weitere Werke in Erwitte gegründet:
- – 1953 wurde das Werk Seibel & Söhne als Tochterfirma von Gebr. Seibel errichtet.
- – Die Spennergruppe baute 1964 noch ein drittes Werk: „Diamant.“
Einige Jahre, nach der Gründung des Werkes Diamant, wurden die drei Werke „Felsenfest“, „Nordstern“ und „Diamant“ zur Spenner Zement KG zusammen-gefasst.
1970 erwarben die Dyckerhoff AG, Heidelberg AG und Spenner Zement insgesamt 50% des Zementwerkes Evers.[13]
Dieses Werk befand sich seit Ende 1974 in Schwierigkeiten, damals wurde vereinbart, dass die Zahlung der Jahresleistung in Raten ausgezahlt wird. Anfang Februar 1975 wurde der Strom dort abgestellt.[14]
Wenig später wurde es von Hugo Miebach aufgekauft, der es nun als Mühle für sein Werk Wittekind betrieb.[15]
Im Jahre 1977 waren ca. 700 Zementarbeiter in Erwitte beschäftigt.[16]
•2.6. Das Zementwerk Seibel & Söhne
Dieser Text war mit am schwierigsten zu erstellen, da uns die Fa. Seibel & Söhne selbst auf mehrmaliges Bitten (wir fragten sieben Mal an!) hin leider keine Informationen über das Werk damals und heute mitteilen wollte und uns recht schroff abwies. Außerdem schrieben wir F.C. Seibel an und baten ihn, einen von uns erstellten Fragebogen zu beantworten sowie uns Material über den Betrieb zuzusenden. Darauf erhielten wir von seinem Sohn, der uns vorher telefonisch zugesichert hatte, dass sein Vater, F.C. Seibel, den Fragebogen beantworten würde, die Antwort, dass es aus familiären Gründen nicht möglich sei, Informationen an Dritte weiterzugeben (siehe Anlagen 1 und 2).
Das Portlandzementwerk Seibel & Söhne wurde 1953 vom Zementwerk Gebr. Seibel gegründet. 1967 trennte sich S & S von der Stammfirma.[17] Zu F.C. Seibels Vater, der dem Betrieb 1967 vorstand, hatte die Belegschaft ein gutes, fast familiäres Verhältnis.[18] 1967, bei der Firmentrennung, beteiligten sich nach Aussage der Zeitung „Der Patriot“ die Besitzer des Werkes Wittekind sowie der Spenner-Werke zu je 20% bei S & S.[19] Der Autor dieses Artikels war sich selbst nicht ganz sicher: Er schrieb, dass es auch Gerüchte gab, wonach die Brüder Franz Clemens und Konrad Seibel zusammen mit nur 2,7 Mio. DM Grundkapital beim Werk S & S beteiligt waren und dass Hugo Miebach, Besitzer von Wittekind und Spenner mit je 3 Mio. DM Bei S & S beteiligt waren und es daher sein könnte, dass sie darauf bestanden weitere Entlassungen bei S & S durchzuführen. Wir vermuten, dass die erste Theorie stimmt, da sie realistischer erscheint.
Die Belegschaft gehörte dem Werk S & S zum Zeitpunkt des Arbeitskampfes durchschnittlich 12,7 Jahre an.[20] In dem Betrieb S & S wurde 1975 ein Auszubildender angelernt. Von den Streikenden waren nur 14 Leute unverheiratet, die übrigen hatten Familie mit bis zu 8 Kindern.[21] Von den damals Beschäftigten waren 91% in der IG CPK organisiert.[22] Der Betrieb hatte damals einen großen Ofen mit 800 Tonnen Tagesleistung sowie zwei kleinere mit jeweils 400t/Tag. Die Tagesproduktion betrug kurz vor der Arbeitsniederlegung 1294t/Tag.[23]
Aus dem Geschäftsbericht des Prokuristen vom 01.03.1973 geht hervor, dass die Auftragslage so gut ist, dass der Auftragsbedarf für mindestens zwei Jahre gesichert sei. Während der Bauhochkonjunktur in den 70er Jahren herrschte so großer Personalmangel bei S & S, dass die Arbeiter gesetzwidrige Mehrarbeit zu leisten hatten: Wochenschichten im Wechsel von 56 und 64 Stunden; teilweise sogar 400 Stunden im Monat.[24] Diese Mehrarbeit bekämpfte der Betriebsrat erfolglos [25]. Viele der Arbeitnehmer wurden ohne entsprechende Ausbildung als Facharbeiter geführt und entlohnt, was aber bei einer Kündigung in anderen Werken nicht viel gegolten hätte.[26] Im Laufe des Jahres 1974 wurde die Belegschaft von 181 auf 151 Personen verringert. Diese Reduzierung führte zu personellen Engpässen, die die Geschäftsleitung von S & S dazu veranlasste eine Anwesenheitsprämie von 1000,- DM auszuzahlen für diejenigen, die sieben oder weniger Tage im Jahr krank waren.[27] Im November 1974 wurde die Produktion von einem 3-Schicht-System auf ein 4-Schicht-System umgestellt.
1987, also 12 Jahre nach dem Streik, sind wieder 150 Arbeitnehmer bei S & S beschäftigt.[28]
3. Hauptteil
3.1. Hergang der Tatsachen
Wie bereits weiter oben erwähnt, steckte die westdeutsche Zementindustrie 1974 in einer Krise, was einzelne Unternehmer dazu veranlaßte, Kurzarbeit einzuführen. So auch F.C. Seibel, er kündete Anfang Januar 1975 in einer Betriebsversammlung Kurzarbeit an. Daraufhin wollte der Betriebsrat des Werks Gründe für diese Maßnahme dargelegt bekommen und die Rechnungsbücher der Firma S & S einsehen. Dieses wurde dem Betriebsrat verweigert, worauf sich dieser seinerseits weigerte der Kurzarbeit zuzustimmen.
Als F.C. Seibel dann am 24.02.1975 aus Kanada wiederkam, er war dorthin nach der Betriebsversammlung Anfang Januar geflogen, kündigte er im Rahmen einer erneuten Betriebsversammlung 50 Entlassungen an. Am 07.03.75 trat die Belegschaft in einen zweistündigen Warnstreik. Nach einer Protestkundgebung am 09.03.75, besetzte die Frühschicht um 6.00 Uhr morgens spontan das Werk S & S. Die folgenden Schichten schlossen sich dieser, in der Bundesrepublik Deutschland bis dahin noch nie dagewesenen Form des Arbeitskampfes, der Werksbesetzung, an. Nach einigen gewonnen Kündigungsschutzklagen wurde am 02.05.75 diese Besetzung des Werkes aufgehoben. Der Arbeitskampf war aber noch nicht beendet, er wurde lediglich mit anderen Mitteln betrieben.
Die spontane Werksbesetzung der Belegschaft zog noch lange Gerichtsverfahren nach sich, vom Arbeitsgericht Paderborn über das Landesarbeitsgericht Hamm, bis zum Bundesarbeitsgericht in Kassel, auf die in einem späteren Kapitel noch weiter eingegangen wird. Diese Verfahren wurden manchmal erst 12 Jahre nach der Beendigung der Werksbesetzung entschieden.
Heute sind nur noch ganz wenige der damaligen Arbeiter bei S & S beschäftigt, obwohl F.C. Seibel auf richterlichen Beschluß hin alle Arbeiter wieder einstellen musste. Aber die meisten Arbeiter wollten nicht mehr unter diesem Chef arbeiten und haben sich eine andere Arbeit gesucht.
Während des gesamten Streiks hat die IG CPK den größten Teil der Gehälter der streikenden Belegschaft gezahlt, weil Seibel sich weigerte, die Löhne auszuzahlen. Es dauerte über zwei Jahre, bis der Betrieb wieder richtig anlief, doch ein genaues Datum für das Ende des Arbeitskampfes gibt es nicht, da Seibel nur langsam wieder anfing den Betrieb laufen zu lassen und das mit einer völlig neuen Belegschaft. Die alte Belegschaft versuchte jedoch weiterhin vor Gericht ihre Forderungen durchzusetzen. Die Belegschaft wählte das Mittel der Werksbesetzung, da ein „normaler“ Streik nicht genügt hätte, weil genug „Arbeitswillige“ (vom Konkurs gegangenen Nachbarwerk Evers) vorhanden gewesen wären. Ein Wendepunkt des Arbeitskampfes war sicherlich der 02.05.75, als die Belegschaft die Werksbesetzung aufgehoben hat: Einige Arbeiter meinten, dass dies ein großer Fehler gewesen sei, da sie dadurch einen wichtigen „Joker“ aus der Hand gaben, „nämlich das eigene Handeln“ [29]
3.1.1. Die chronologische Abfolge des Arbeitskampfes
06.12.1974: Gerüchte um Betriebseinstellung und -verkauf kommen auf, noch an diesem Tag verkündet F.C. Seibel: „Unser Betrieb ist gesund, die Arbeitsplätze sind sicher!“ Seibel verurteilt die Gerüchte als „Scheißhausparolen.“[30]
07.01.1975: Die Möglichkeit der Kurzarbeit wird in Betracht gezogen. Allerdings soll die Kurzarbeit in der Endproduktion und im Versand eingeführt werden, obwohl dies Abteilungen mit erheblichem Personalmangel sind.[31] Da dies zu einem Stau in der gesamten Herstellung führen würde, gäbe dies einen Grund für F.C. Seibel Entlassungen auszu- sprechen.
28.01.1975: Heftige Auseinandersetzungen bei einer Betriebsratssitzung, da die Geschäftsleitung der Firma Seibel & Söhne die Einsicht in die Rechnungsbücher, aus denen der Umsatz hervorgeht, verweigert. Daraufhin verweigert der Betriebsrat die Zustimmung zur Kurzarbeit.[32]
14.02.1975: Auf einer Betriebsratssitzung ist nicht mehr von Kurzarbeit die Rede, sondern von der Kündigung von 50 Arbeitern. Der Betriebsrat und Vertreter der IG CPK weisen die Entlassungen als wirtschaftlich unbegründet zurück. Daraufhin erhöht F.C. Seibel die Kündigungen.[33]
18.02.1975: Einer der beiden kleineren Öfen wird wieder angefahren, es wird auf Vorrat produziert.[34]
19.02.1975: 96 Arbeiter sollen entlassen werden, unter ihnen hohe Betriebsräte, unter Kündigungsschutz stehende Schwerbehinderte und Betriebsratskandidaten. Die Kündigungen dieser Personen müssen wider- rufen werden. Von den 151 Arbeitnehmern (darunter 31 Angestellte) sollen nur 32 gewerbliche Arbeitnehmer und 23 Angestellte weiter-
arbeiten. Es wird insgesamt 96 Arbeitnehmern gekündigt, darunter Schwerbehinderte, Betriebsratsmitglieder und -kanditaten und Wahlvorstände. Der Betriebsrat will für jeden entlassenen Arbeiter eine Kündigungsschutzklage anstrengen.[35]
25.02.1975: Die Geschäftsleitung nimmt Stellung zur Krise und begründet die Entlassungen mit der schlechten Wirtschaftslage. Die Geschäfts-
leitung hat „fachliche und soziale Umstände bei den Entlassungen berücksichtigt.“ Die Produktion muss auf ein Viertel reduziert
werden. Es ist nur noch ein Ofen in Betrieb.[36]
27.02.1975: Der Betriebsrat erhält eine korrigierte Liste, die auf 86 Namen ver- ringert ist.[37] Es fehlen die oben genannten Personengruppen (Wahl- vorstände, Betriebsräte etc.).
02.03.1975: Den 86 gekündigten Arbeitern wird der Kampf um die Arbeitsplätze durch den Bevollmächtigten der Stadt Erwitte Hans Rasche und
durch den Amtsdirektor a.D. Franz Reichmann zugesagt. Die IG CPK sichert den gekündigten Arbeitnehmern die volle Ausnutzung
der politischen und juristischen Mittel zu.[38]
06.03.1975: Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Vertretern der IG CPK mit Seibel. Anschließend verteilt der Geschäftsführer der IG CPK,
Verwaltungsstelle Neubeckum, Herbert Borghoff, Flugblätter auf denen er die Bevölkerung aufforderte, Solidarität mit den Arbeitern zu zeigen. Arbeiter: „Seibels Existenz ist gesichert, was wird aus uns und unseren Familien?“
Um erneut zu verhandeln stellt die Firmenleitung dem Betriebsrat
folgende Forderungen: – Der Betriebsrat muss vorab einer Ein- führung von Kurzarbeit für sechs Monate bei zwanzig Wochenstunden zustimmen.
– Ein Reduzierung der Belegschaft von 150
auf 125 Mitarbeiter bis zum Jahresende.
– Beschränkung der Laufzeit des Haupttarif-
vertrags auf sechs Monate.
Daraufhin stellte der Betriebsrat folgende Forderungen an die
Betriebsleitung: – Rücknahme aller Kündigungen
– Erstellung eines Sozialplans für die von der
Reduzierung betroffenen Mitarbeiter.
– Keine Veränderung der Laufzeit für Tarifverträge
– Zustimmung zur Kurzarbeit hängt von der Vorlage
exakter wirtschaftlicher Daten des Betriebs ab.[39]
07.03.1975: Verhandlungen kommen nicht zustande, da niemand aus der Betriebsleitung erscheint. In einem zweistündigen Warnstreik fordern die aufgebrachten Arbeiter sofortige Verhandlungen. Aufforderun- gen, die Arbeit wieder aufzunehmen, durch den technischen Leiter Dr. Billhardt werden ignoriert. Die Betriebsleitung kündigt Ver- handlungen mit dem Wirtschaftsausschuss des Werkes an, um an- schließend mit dem Betriebsrat zu sprechen. Doch auch diese Ver- handlungen finden nicht statt. Alle Erwitter Bürger und Arbeiter an- derer Zementfirmen werden am Sonntag, dem 9.3. zu einer Kundgebung in die Hellweghalle eingeladen.[40] (siehe Anlage 3)
09.03.1975: Bei der Protestkundgebung erscheinen 2000 Menschen. Unter
ihnen hohe Vertreter von Rat und Verwaltung. Bei dieser Veran-
staltung gibt der Bürgermeister bekannt, dass er kürzlich um ein Ge-
spräch mit Seibel bat, worauf er aber keine Antwort erhielt.[41]
10.03.1975: Seit sechs Uhr wird das Werk Seibel & Söhne bestreikt. Morgens besetzt die Frühschicht das Betriebsgelände, alle späteren Schich- ten schließen sich an. Lkw´s versperren das Werkstor, so dass
keine Lieferungen mehr möglich sind. Der Streik soll erst wieder
aufgehoben werden, wenn Seibel mit dem Betriebsrat über die Auf-
hebung der Massenentlassungen verhandelt. Nach Meinung der Ge-
schäftsführung ist der Streik illegal und die Streikenden halten die
arbeitswilligen Kollegen davon ab, ihre Arbeit aufzunehmen. In
einem Brief von Seibel kündigt er an, dass alle, die sich am Streik
beteiligen, fristlos entlassen sind. Mit diesem Schreiben ist das
Hausverbot gegen die Streikenden ausgesprochen.[42]
Noch am selben Tag veranlasst F.C. Seibel, dass die Öfen abgestellt werden.
11.03.1975: Entscheidung des Arbeitsgerichts, wonach die Massenentlassungen
bis zum 11.4.75 nicht rechtskräftig sind. Seibel setzt mit der Begrün-
dung, das Geld für die Streikschäden einzubehalten,die Februarlöhne
aus. Auf Nachfrage des Betriebsrats, was denn für Schäden entstan-
den seien, antwortet Seibel, dass Schäden am Ofenfutter aufgetaucht
sind. Worauf der Betriebsrat entgegnet: „Wir wollten die Öfen in
Betrieb halten, worauf uns gesagt wurde, dass wegen des hohen
Energieverbrauchs die Öfen abgestellt werden müssen!“ Erste
Sympathiebekundungen für die Streikenden durch Bürger, die
Zigaretten, Obst und heiße Getränke spenden. Eine Angestellte
erreicht, dass sie wieder eingestellt wird. Ein Wirtschaftsexperte der
IG CPK erhält Einblick in die Rechnungsbücher.[43]
12.03.1975: Der Wirtschaftsausschuss der Fa. S & S stellt fest, dass kein Grund besteht die Arbeiter zu entlassen, da der Betrieb eine „gesunde Basis“ hat und zu den wirtschaftlich stabileren Betrieben gehört. Verhandlungen ergeben, dass F.C. Seibel nicht von seiner Meinung abweicht. Er kündet für den 27.März die Anmeldung zur Kurzarbeit an und droht den Betrieb vorübergehend stillzulegen, wenn sich die Belegschaft weiterhin so verhält. Beim Landesarbeitsamt in Düsseldorf wird erreicht, dass die Kündigungsfrist um sechs Wochen verlängert wird. F.C. Seibel kündigt die erneute Entlassung von 43 Arbeitern wegen der Versperrung der Tore an.[44]
14.03.1975: F.C.Seibel trifft sich heimlich mit Evers-Mitarbeitern, denen er einen
Arbeitsvertrag für sechs Monate und 2000 DM Handgeld anbietet.
Von diesem Treffen erfährt die Belegschaft erst knapp einen Monat
später.
Die betroffenen Ehefrauen der Arbeitnehmer kommen zusammen, um sich besser kennenzulernen und um die Probleme ihrer Männer zu verstehen. Ein ARD-Kamerateam filmt die Veranstaltung.[45]
18.03.1975: Weitere 37 Arbeiter erhalten fristlose Kündigungen. Damit ist
der gesamten Belegschaft gekündigt, bis auf die Sekretärin, den Prokuristen und die Betriebsleitung. Gegen die Kündigungen hat der Betriebsrat Widerspruch erhoben. Die Schlichtungsverhandlungen in Dortmund sind vertagt worden. Die Gewerkschaft zahlt indes die Februarlöhne aus. Die IG CPK will die Löhne einklagen.[46]
20.03.1975: Erneute Streikversammlung der Betroffenen. Eine Delegation von Streikenden will Seibel von der Massenentlassung umstimmen, doch er zeigt keine Verhandlungsbereitschaft. Die Polizei hat der Forderung von Seibel, den Betrieb zu räumen, nicht nachgegeben. Seibel hat den angesetzten Termin beim Landesschlichter in Düssel- dorf zugesagt. Im Eifer des Gefechts hatte F.C. Seibel zwei Putz- frauen nicht entlassen. Dies holt er verspätet nach.[47]
24.03.1975: Familientag beim Werk Seibel & Söhne. Die Angehörigen der Streikenden und die Erwitter Bürger sind eingeladen worden, sich vor Ort über den Streik zu informieren.
Trotz des Streiks finden Betriebsratswahlen statt. Der alte Betriebs- rat wird bei einer Wahlbeteiligung von 97,4% wiedergewählt.[48]
26.03.1975: Ein Spendenkonto wird bei der Volksbank in Erwitte eröffnet. Der Wittekindunternehmer Hugo Miebach gerät ins Kreuzfeuer der Kritik, weil er dem geplanten Strukturkrisenkartell nicht beitreten will.[49]
28.03.1975: Eine dritte Streikversammlung findet statt.Der Betriebsrat beschließt, den Betrieb noch mindestens bis zum 3. April, dem Termin beim Landesschlichter, besetzt zu halten.[50]
01.04.1975: Die Belegschaft von Seibel & Söhne marschiert geschlossen zum benachbarten Werk Gebr. Seibel. Die Inhaber von Gebr. Seibel, Carlo und Heinz Seibel, Vettern von F.C. Seibel, überreichen einen Scheck über 15.000 DM, und sprechen ihre Solidarität aus. Sie bekunden Interesse das Werk Seibel & Söhne zu übernehmen. Wenn dies der Fall wäre, würde automatisch die gesamte Belegschaft mit übernommen, so Carlo Seibel.[51]
03.04.1975: Die Verhandlungen beim Landesschlichter ergeben nichts Neues. Auf einen Kompromissvorschlag der Gewerkschaft sagt Seibel, dass
50 Arbeiter sofort entlassen werden müssen, 20 könnten die Arbeit wieder aufnehmen und die restlichen Arbeiter müssten ein halbes Jahr lang Kurzarbeit verrichten. Was nach dem halben Jahr geschieht, müsse man sehen, so F.C. Seibel.
Die Geschäftsleitung von Seibel & Söhne klemmte der Streikleitung die Telefone ab. Daraufhin sorgten der Rat und die Stadt Erwitte für einen neuen Anschluss direkt in den, von hilfsbereiten Bürgern bereitgestellten Wohnwagen der Streikleitung vor dem Werkstor.[52]
10.04.1975: Ein Strukturkrisenkartell kommt nicht zustande, da Vertreter von Wittekind und S & S nicht zum Krisenkolloquium kommen[53] und ohne die beiden die Bildung eines Kartells ausgeschlossen ist, da sie sonst dieses unterlaufen könnten.
11.04.1975: Ein zweites Schlichtungsgespräch beim Landesschlichter Peter Kraft kommt gar nicht erst zustande, da F.C. Seibel mit der Begründung, dass er seine Belegschaft wegen „grobfahrlässiger Treueverletzung“ als Gesprächspartner ablehnt, erst gar nicht erscheint.[54]
F.C. Seibels Rechtsanwälte (Dr. Wolf, Daniels und Klein) zeigen den Geschäftsführer der IG CPK, Verwaltungsstelle Neubeckum, Herbert Borghoff, wegen Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens, an.[55] (Anmerkung: Dr. Wolf, einer der Anwälte Seibels, war zu der Zeit Spitzenkandidat der FDP in Lippstadt und Bürgermeister der Stadt Lippstadt.)
18.04.1975: Der Gütetermin vor dem Paderborner Arbeitsgericht, zu dem F.C. Seibel erst auf Anordnung des Richters erscheint, bleibt ergebnislos.
Die Arbeitnehmer fordern, dass alle Kündigungen zurückgenommen werden. Sie sind auch dazu bereit, über die Einführung von Kurzarbeit zu verhandeln, vorausgesetzt, der Nachweis für die wirtschaftliche Notwendigkeit wird erbracht. Außerdem wollen sie bis zum Jahresende die Arbeiter auf 125 durch „Altersabbau“ reduzieren.
Die Geschäftsleitung fordert Proben des Zements, ob dieser noch zu
gebrauchen sei. Wenn die Betriebsbesetzung aufhört, wird die Pro-
duktion Stück für Stück wieder aufgenommen und entsprechend
wieder eingestellt. Beim Gerichtstermin erklärt Seibel, dass er sich, falls die Kündi gungen als unwirksam erklärt werden, als „Opfer des Rechtsstaates“ ansehen müsse.
Am Schluss der Verhandlungen verkündet F.C. Seibel, dass er sich auf seine Anwälte verlasse. Der Richter darauf: „Und ich verlasse mich auf das Recht!“ [56]
21.04.1975: Seibel klagt den Betriebsratsvorsitzenden und drei weitere Mit- glieder der Streikleitung als Rädelsführer (sog. Rädelsführerklage) vor dem Gericht an und fordert, dass ihnen das Betreten des Werkes verwehrt wird.[57]
22.04.1975: Die Streikenden erhalten die Lohnzahlungen für die ersten März- tage, was natürlich viel zu spät (sollte eigentlich bis zum zehnten des
nächsten Monats ausgezahlt sein) und daher gesetzwidrig ist.
Rechtsanwalt Klein spricht von falschen Berechnungen des Lohn-
büros, das sich gegen die Vorwürfe wehrt.
Seibel stellte außerdem die Lohnabrechnung widerrechtlich auf
tägliche Abrechnung um, wodurch er Lohngelder pfändete.[58]
25.04.1975: Den Arbeitern werden erste Gelder aus der Solidaritätskasse ausge- zahlt: 120 DM pro Mann und 50 DM für jedes weitere Kind. Insge-
samt werden ca. 25000 DM ausgezahlt.[59]
30.04.1975: Es finden Gerichtsverhandlungen in Paderborn vor dem Arbeits- gericht statt. Die Kündigungen werden für unwirksam erklärt. Danach erklärt die Belegschaft, dass die Besetzung aufgehoben
wird, um mit F.C. Seibel über die Wiederaufnahme zu verhandeln.
Gleichzeitig erklärt sie aber ausdrücklich, dass der Arbeitskampf noch nicht beendet ist, sondern dass die Besetzung des Werkes nun von außen erfolgt.[60]
01.05.1975: Ein bedeutsames Datum für die Streikenden. Die sog. Maikund- gebung findet auf dem Erwitter Marktplatz statt. Zu dieser Protest- kundgebung erscheinen ca. 15.000 Menschen. Zahlreiche Musik- gruppen und Politsänger (z.B. Franz-Josef Degenhardt) unterstützen
die Kundgebung, die unter dem Motto „Gegen Unternehmerwillkür-
Für die Erhaltung der Arbeitsplätze bei Seibel & Söhne“ steht. Hauptreferent Werner Vitt, stellvertretender Vorsitzender der IG CPK, in seiner Rede:„ Diese Belegschaft kämpft nicht nur um ihr Recht, sondern darüber hinaus auch beispielhaft für viele Arbeiter in der Bundesrepublik Deutschland.“ Während der Kundgebung erhält der Betriebsratsvorsitzende eine Uhr des französischen Uhrenwerkes LIP, das auch bestreikt, besetzt und schließlich wieder in Betrieb genommen wurde. Die Uhr sollte ein Zeichen dafür sein, „damit Seibel wisse, wann seine Uhr schlage.“[61] Die Streikleitung hat sich nun im Haus der Arbeiterwohlfahrt (heute: Stadtarchiv) eingerichtet.
02.05.1975: Die Belegschaft räumt wie versprochen das Werk, weist aber noch einmal darauf hin, dass der Arbeitskampf noch nicht vorbei sei, Ent- gegen anderer Meldungen der Presse.
06.05.1975: Die Gewerkschaft schlägt vor, den Betrieb in drei Phasen anlaufen zu lassen:
1.) Die Belegschaft fängt an, den vorhandenen Zement zu verladen und zu versenden.
2.) Dann werden die Klinker gemahlen.
3.) Die dritte Gruppe muss den Ofen wieder in Betrieb setzen. Der Rechtsvertreter von F.C. Seibel sagt, dass es generell möglich wäre den Stufenplan auszuführen.
Das Strukturkrisenkartell ist durch Miebachs Veto endgültig ge- scheitert. Daraufhin kündet Dyckerhoff eine neue Preisoffensive an und senkt den Preis einer Tonne Zement auf 35 DM.[62]
07.05.1975: F.C. Seibel legt Widerspruch gegen die Urteile vom 30.4. ein.[63]
10.05.1975: Seibel boykottiert den Stufenplan. Er meint der jetzige Betriebsrat müsse schleunigst zurücktreten, weil man mit ihm nicht verhandeln könne. Voraussetzung für weitere Verhandlungen sei, dass sich F.C. Seibel die 75 für den Stufenplan vorgesehenen Arbeiter selber aussucht. [64]
14.05.1975: Die VEW stellt dem Werk Seibel & Söhne den Strom ab, weil sich F.C. Seibel weigerte die Rechnung zu bezahlen. [65]
22.05.1975: Erneute Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht finden statt. Seibel ist gegen den Vorschlag des Stufenplans. Selbst der Arbeitsrichter Sauerländer versucht Seibel zum Einlenken zu bewegen, jedoch ohne Erfolg. Das Urteil wird nun nächste Woche erwartet.
Die Arbeiter verlässt allmählich der Mut. Sie glauben nicht mehr daran, noch einmal die Arbeit bei Seibel & Söhne aufnehmen zu können. Die Gewerkschaft will notfalls alle Instanzen durchlaufen, um zu ihrem Ziel zu kommen.[66]
27.05.1975: Das Urteil des Paderborner Arbeitsgerichts wird verkündet. Die Ar- beitnehmer bekommen Recht. Für alle Arbeitsverhältnisse besteht Lohnzahlungspflicht. Die IG CPK hat das Recht einen Strafantrag zu stellen. Die Märzlohnklagen sind eingereicht worden. Die Streikkosten (über eine Millionen DM) sind F.C. Seibel auferlegt worden. Die letzte Streikversammlung tagt.[67]
28.05.1975: Die Arbeitnehmer finden sich sechs Uhr vor dem Betrieb in Arbeitskleidung ein. Falls sie nicht die Arbeitserlaubnis von Seibel bekommen, reicht die IG CPK einen Strafantrag beim Arbeits- gericht ein. Doch Seibel ist offenbar verhandlungsbereit. Er will mit dem Betriebsrat über die Arbeitsaufnahme sprechen. Der Betriebsrat zeigt sich daraufhin kompromissbereit und sagt, dass bei einer Er- stellung eines Sozialplans ein beschränkter Stellenabbau nicht aus- zuschließen sei.[68]
Ein leitender Angestellter wird von den Arbeitnehmern auf dem Werk herumgeführt und bestätigt schriftlich, dass durch den Streik nichts beschädigt wurde. Falls F.C. Seibel die noch ausstehenden Februarlöhne nicht zahlen will, ist die Gewerkschaft bereit, sie einzuklagen.[69]
29.05.1975: Bei den Verhandlungen zwischen Seibel und dem Betriebsrat ergibt sich, dass der Betriebsrat bis Montag ( noch vier Tage ) einen Stufenplan zur schrittweisen Wiederaufnahme erstellen soll. Sollte am Montag Einigung erzielt werden, so könnte innerhalb von zwei Wochen mit dem Anlaufen der Produktion zu rechnen sein.[70]
30.05.1975: Die gesamte Belegschaft von Seibel & Söhne stimmt dem Stufenplan zu. Er besteht aus vier Phasen. In der ersten Phase soll die Pro- duktion wieder aufgenommen werden. Es sollen 36 Arbeiter beteiligt sein. Bereits in der dritten Phase sollen 100 Arbeiter beschäftigt sein. Für die nicht sofort wieder Eingestellten soll Kurzarbeitsgeld aus- gezahlt werden.[71]
03.06.1975: Die Verhandlungen um den 4-Stufen-Plan sind gescheitert, da Seibel nicht zur Verhandlung erschien. Darauf hin melden sich alle Arbeitnehmer arbeitslos. Die Arbeitnehmer wollen sogar auf ihre Löhne (ca. 1,5 Mio. DM) verzichten, nur um den Betrieb in Gang zu halten. Doch F.C. Seibel verwarf diese Möglichkeit. Er will sich für die weitere Arbeit 38 Arbeiter aussuchen. Die anderen Arbeiter dürfen das Werk nicht mehr betreten. Seibel geht außerdem gegen das Urteil vom 27. Mai in Berufung. Die IG CPK erwirkt eine einstweilige Verfügung gegen das Werksverbot. [72]
06.06.1975: Die von Seibel ausgesuchten Arbeiter wurden auch mit einem Werksverbot belegt. Das Paderborner Landgericht löst den Betriebs- rat auf. Gegen dieses Urteil wird Revision eingelegt. Der Betriebs- rat bleibt vorerst im Amt.[73]
11.06.1975: Der Firmenchef verweigert die Unterschrift, die nötig ist, damit die Arbeitnehmer ihr Arbeitslosengeld erhalten. Die ausstehenden Februarlöhne müssen innerhalb von acht Tagen von Seibel aus- gezahlt werden, ansonsten wird der Betrag von 32.000 DM vom Gerichtsvollzieher zwangsvollstreckt.[74]
13.06.1975: Die Ehefrauen der Arbeiter marschieren vom Hauptbahnhof in Lippstadt mit Sprechchören und Transparenten durch die Einkaufszone bis zu Seibels Villa.[75]
Dies ist das erst Mal, dass sich die Frauen der Streikenden in einer großen Aktion in der Öffentlichkeit sehen lassen.
Seibel läßt durch einige Meister die Packerei wieder in Gang setzen.[76]
16.06.1975: Vor dem Paderborner Arbeitsgericht ist die strittige Arbeitsordnung
von der Geschäftsführung zum 30.09.75 vorsorglich gekündigt worden, nachdem die Rechtswirksamkeit der Arbeitsordnung ange- fochten wurde, da die Unterschriften beider Parteien fehlten.[77]
18.06.1975: Strafantrag gegen Seibel wegen ständiger Belästigung des Betriebs- rats.[78]
24.06.1975: Die Meistergruppe, die den Betrieb wieder herrichtet, wird in einem Gespräch aufgefordert das Verpacken des Zements einzustellen, ansonsten droht ihnen der Ausschluß aus der Gewerkschaft.[79].
25.06.1975: Die von der Streikleitung verurteilte Meistergruppe und einige technische Angestellte treten aus der IG CPK aus.
Es stellt sich außerdem heraus, dass der Angestelltenvertreter schon wochenlang Informationen über alle Sitzungen der Belegschaft Seibel gegenüber berichtet hat.[80]
02.07.1975: Vor dem Paderborner Arbeitsgericht wird der Betriebsrat aufgelöst,
da er sich nach Auffassung des Gerichts an einem rechtswidrigen Streik beteiligt hat, es wurde Berufung eingelegt.[81]
07.07.1975: Ein Gerichtstermin in Paderborn kommt nicht zustande, da die Rechtsvertreter von F.C. Seibel den Richter wegen Befangenheit ablehnen.[82]
15.07.1975: Vor dem Paderborner Arbeitsgericht werden zwei Entscheidungen gefällt: 1.)Der Antrag, den Richter Sauerländer als befangen zu erklären, wird als unbegründet zurückgewiesen.
2.)Die am 3. Juni ausgesprochene Aussperrung wird für rechtswidrig befunden, da sie als Angriffsaussperrung zu bewerten ist. Damit kann das Arbeitsamt endlich Arbeitslosenunterstützung zahlen.[83]
17.07.1975: Die Arbeiter bieten Seibel an, wieder zu arbeiten. Doch er lehnt dies
ab. Ein erneuter Schlichtungstermin mit dem Landesschlichter wird von Seibel erneut abgelehnt, da er diesen, sowie den amtierenden Betriebsrat als Verhandlungspartner ablehnt.[84]
28.07.1975: Die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit hat das Landesarbeitsamt in Düsseldorf angewiesen, das Arbeitslosengeld für die Streikenden rückwirkend vom 4. Juni an, auszuzahlen.[85]
30.07.1975: Gegen das Flugblatt (siehe Anlage 7) hat Seibel eine einstweilige Verfügung beim Amtsgericht Lippstadt erwirkt, wonach das Flugblatt nicht weiter verteilt werden darf. Gegen Borghoff wurde als Verantwortlicher für das Flugblatt Strafantrag wegen Beleidigung und übler Nachrede gestellt.[86]
31.07.1975: Nachdem das Arbeitsgericht Paderborn einem Vollstreckungsantrag statt gegeben hat, erscheint ein Gerichtsvollzieher beim Werk und pfändet ein mit 1200t Portlandzement gefülltes Silo. Dies als Aus- gleich für die von Seibel einbehaltenen Februarlöhne (32.000DM).[87]
20.08.1975: Dem Betriebsrat wird unter Androhung einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch untersagt, das Büro für die wöchentliche Sprechstunde
zu betreten.[88]
22.08.1975: Seibel löst mit einem Scheck über 34.000 DM seinen gepfändeten Zement aus.[89]
17.09.1975: Seibel lässt durch seinen Anwalt Dr. Schmidt Briefe an 12 Beleg- schaftsmitglieder verschicken, in denen sie aufgefordert werden,
bis zum 25.09.1975 schriftlich zu bestätigen, dass sie für den
entstandenen Schaden aufkommen werden, andernfalls erfolgt eine
Klage auf Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht.[90]
08.10.1975: Die IG CPK erwägt eine Anzeige wegen Mordversuchs, da Seibel versuchte, zwei Vertrauensleute auf dem Betriebsgelände zu über- fahren.[91]
09.10.1975: Das LAG Hamm erklärt die fristlosen Kündigungen von sechs Ar- beitern für unwirksam.[92]
27.10.1975: Eines der verwirrendsten Urteile während des gesamten Arbeits-
kampfes vor dem LAG Hamm: Sämtliche gegen die Belegschaft
ausgesprochenen fristgemäßen Kündigungen wurden, wie schon in
der ersten Instanz, für rechtsunwirksam erklärt.
Während vor der vierten Kammer schon 16 fristlose Entlassungen zugunsten der Belegschaft entschieden wurden, sprach die fünfte Kammer nur bei drei Arbeitnehmern von 23 der Belegschaft Recht zu.[93]
06.11.1975: Das LAG Hamm verfügt, dass der Betriebsrat weiter im Amt bleibt.
Die Werksbesetzung wird als nicht legitimes, aber verständliches
Mittel des Kampfes gegen die Unternehmerwillkür bezeichnet.
Erneute Beschwerde gegen das Urteil wird nicht zugelassen.[94]
08.12.1976: Das LAG Hamm entscheidet in 38 Fällen von fristloser Kündigung, dass diese nicht gerechtfertigt sind. Doch F.C. Seibel hat die fristlos Gekündigten nun fristgemäß gekündigt.[95]
03.01.1976: Seibel verpachtet sein Unternehmen an die „Seibel Betriebs- und Vertriebsgesellschaft mbH und Co. KG“. Gesellschafter sind mit je 50 % Konrad und Franz Clemens Seibel.[96] Durch diesen Trick ist es ihnen möglich, einen neuen Kredit für eine Ingangsetzung des Betriebes aufzunehmen.[97]
19.01.1976: Die Verhandlungen vor der Einigungsstelle Arnsberg bleiben erfolglos, da F.C. Seibel bei diesem Interessenausgleich, der das Ziel hatte, das die Produktion stufenweise wieder in Gang gesetzt wurde, von der IG CPK ein zinsloses Darlehen in Höhe von 16 Mio. DM auf 99 Jahr fordert, um die Kosten, die aufkommen würden, um das
Werk anzukurbeln, bezahlen zu können.[98]
16.02.1976: Zum zweiten Termin vor der Einigungsstelle Arnsberg erscheint Seibel erst gar nicht persönlich. Sein Anwalt stimmt auch dem Vorschlag des neutralen Vorsitzenden zur Wiederaufnahme der Produktion nicht zu, da es „aus wirtschaftlichen Gründen“ nicht
möglich ist. Die Arbeiterseite hingegen stimmt dem Vorschlag zu.[99]
10.03.1976: Erster Jahrestag des Arbeitskampfes: Bei einer Veranstaltung unter dem Thema „Gegen Willkür – für Solidarität“ referiert der Vor- sitzende des DGB, H.O. Vetter[100]. Er fordert eine Ausweitung des Streikrechts, mehr Mitbestimmung für die Belegschaft und den Betriebsrat und ein Verbot der Aussperrung.[101]
Auf der Veranstaltung macht sich teilweise Resignation breit. So hat u.a. ein Plakat den Titel „Die Prozesse haben wir gewonnen, die Arbeitsplätze nicht bekommen!“[102]
Obwohl vorher, am selben Tag, Seibels Klage, den Betriebsrat zu entlassen, vor dem Paderborner Arbeitsgericht abgewiesen wurde.[103]
08.04.1976: Die Belegschaft lehnt das Angebot des Arbeitgebers ab, die Pro- duktion wieder aufzunehmen, da es „ein Kompromiss mit tausend Pferdefüßen ist!“ (Borghoff). Der Vorschlag greift einige frühere Positionen der Belegschaft zum Stufenplan auf.[104]
14.04.1976: Beim dritten Schiedsgerichtsverfahren in Arnsberg stimmt Seibel zu, die Produktion wieder aufzunehmen und alle Beschäftigten spätestens im Juni nach einem 4-Stufen-Plan wieder einstellen.[105]
„Ohne die Solidarität untereinander läge dieses Ergebnis heute nicht auf dem Tisch!“ lobt die Einigungsstelle die Belegschaft.[106]
16.04.1976: Die Streikenden feiern mit ihren Frauen ein Fest, da sie fest davon überzeugt sind, dass der Arbeitskampf bald zu Ende ist.[107]
Mai 1976: Mit der Zementmahlung wird wieder begonnen.[108]
20.05.1976: Einige Arbeitnehmer (etwa 25) erscheinen zu einem Gespräch über die Arbeitsaufnahme, zu dem sie vorher schriftlich eingeladen wurden. Hier legt F.C. Seibel eine Vereinbarung, mit der sich die
Arbeitnehmer verpflichten, sämtliche gegen die Firma erhobenen Klagen zurückzunehmen und keine neuen Klagen zu erheben, zur Unterschrift vor. Dies wertet die IG CPK als eine „unerhörte Beugung“ der Vereinbarung der Einigungsstelle. Einige Arbeiter sollen trotzdem unterschrieben haben.[109]
25.05.1976: Ordentliche Mitgliederversammlung des VDZ (Verein Deutscher Zementwerke e.V.) in Baden-Baden wegen des Strukturkrisen- kartells. Von jedem Werk erscheint ein Vertreter, außer vom in Konkurs gegangen Werk Evers sowie von S & S, Wittekind und ei-
nem anderen Werk.[110]
01.06.1976: Eigentlich sollen heute einige alte Arbeiter wieder bei S&S anfangen zu arbeiten. Doch sie werden schon am Tor beschimpft und sollen
oben genannte Papiere unterzeichnen; u.a. wird Herr Köchling als „Lakai der Gewerkschaft“ beschimpft. Vertreter der Presse werden mit den Worten „Ihr macht doch alles wieder kaputt!“ vom Werksgelände verwiesen.[111]
Aug. 1976: F.C. Seibel wirbt mit großen Zeitungsanzeigen um neue Arbeiter. Angeblich hat er auch schon wieder einige neue Arbeiter eingestellt, doch ohne den Betriebsrat um J. Köchling zu befragen.[112] (Siehe Anlage 4)
27.08.1976: F.C. Seibel wird vom alten, rechtmäßigen Betriebsrat aufgefordert, Auskunft über seine Personalpolitik zu geben.
Doch er erscheint genauso wie am 27.7.76 und 16.8.76 nicht.[113]
Sept. 1976: Mit der Klinkerproduktion wird begonnen.[114]
01.10.1976: Ein Ofen wird wieder in Betrieb genommen.[115]
08.10.1976: Betriebsratswahlen bei S & S, obwohl noch ein alter Betriebsrat im Amt ist.[116] In den folgenden Tagen gibt es zwei Leserbriefe in der
heimischen Presse.
In diesen Briefen klagen sich der „alte“ und der „neue“ Betriebsrat gegenseitig an.
01.03.1977: Ein zweiter Ofen wird in Betrieb genommen.[117]
03.03.1977: Das Amtsgericht Arnsberg verurteilt Seibel zu einer Geldbuße von knapp 7000 DM, wegen fortgesetzter Verletzung des Betriebsver- fassungsrecht.[118] Angesicht seines Reichtums eine Kleinigkeit für ihn.
10.03.1978: Die IG CPK veranstaltet anläßlich des dritten Jahrestages des Arbeitskampfes eine Solidaritätskundgebung.[119]
•3.1.2. Was hat sich durch den Arbeitskampf geändert?
Für die Belegschaft der Firma Seibel & Söhne ist durch den Arbeitskampf ihre Arbeitssituation nicht verbessert worden. Lediglich ca. 30 Arbeitnehmer der ehemals 151-köpfigen Belegschaft wurden weiterhin beim Werk Seibel & Söhne beschäftigt. Die anderen haben sich entweder umschulen lassen und einen anderen Beruf ergriffen, bzw. haben bei einer Konkurrenzfirma weitergearbeitet, oder sie sind in Rente gegangen. Aber der Arbeitskampf hatte nicht nur negative Auswirkungen:
– Das politische Interesse steigerte sich, ebenso wie das gesellschaftliche Interesse, da die Arbeiter nicht mehr, wie vor dem Arbeitskampf, nur „malochen und schlafen“ wollten.
– Die Ehefrauen der bei Seibel & Söhne Beschäftigten wurden durch ihre Auftritte in der Öffentlichkeit selbstbewußter. Sie wollten am gesellschaftlichen Leben teilhaben, sie wollten nicht nur für den Haushalt verantwortlich sein.
– Vorurteile gegenüber anderen Gruppen, wie z.B. Studenten oder Kommunisten, wurden aufgrund häufiger Begegnungen abgebaut.
– Vor dem Arbeitskampf war die Belegschaft nur zum Arbeiten beisammen, während des Arbeitskampfes entwickelte sich ein stärkerer Zusammenhalt untereinander.
Je länger dieser Arbeitskampf dauerte, desto größer wurde der Hass der Belegschaft auf den Unternehmer F.C. Seibel.
Dazu ein Zitat eines Arbeitnehmers: „Der könnte mir 1000 DM die Stunde geben, da ging ich nach dem Schweinehund nicht mehr hin“.[120]
Die Belegschaft stellte auch fest, „dass es nicht so sehr auf die Person des Unternehmers ankommt“[121], sondern dass hinter den Entlassungen oft das Profitstreben der Arbeitgeber steht.
Für den Unternehmer F.C. Seibel hat sich durch diesen Arbeitskampf nicht sehr viel geändert. Er hat sein Vermögen über die Zeit des Arbeitskampfes gerettet und mit einer neuen Belegschaft seinen Betrieb wieder anlaufen lassen. Nur sein Ruf hat nachhaltig darunter gelitten.
Die IG CPK hatte, im Gegensatz zum Unternehmer, erhebliche Verluste zu beklagen. Durch den Umstand, dass F.C. Seibel die Löhne aussetzte, musste die Gewerkschaft Notlagenunterstützung an die Belegschaft von Seibel & Söhne zahlen. Außerdem hatten beide Parteien, die Gewerkschaft wie der Unternehmer, hohe Prozesskosten zu tragen.
Während dieser Prozesse wurde eine Lücke im Arbeitsrecht sichtbar, denn es gab kein Gesetz, das die Aussperrung der Belegschaft verbot.
3.1.3. Was haben die Beteiligten während des Streiks gemacht?
In den ersten Tagen der Betriebsbesetzung war für die Streikenden noch alles völlig neu und somit auch nicht langweilig. Später setzte dann der „graue Alltag“ des Streiks ein. Den streikenden Arbeitnehmern, die nicht immer alle gleichzeitig im Betrieb waren, sondern in den normalem Schichten „arbeiteten“, wurde die Zeit auch durch die vielen Solidaritätsaktionen der Bevölkerung verkürzt, so dass von Langeweile keine Rede sein konnte.
Ziemlich zu Anfang wählte die Belegschaft eine Streikleitung, die aus sieben Belegschaftsmitgliedern und Herbert Borghoff, dem Gewerkschaftssekretär der IG CPK, Verwaltungsstelle Neubeckum, bestand. Diese Streikleitung war für die Einteilung der Streikposten, die kontrollierten, dass nur Personen mit Genehmigung das Werk betraten und für die Herausgabe der „Streikstimme“ bzw. später „Solidaritätsstimme“ verantwortlich. Die „Streikstimme“ sollte die Bürger aus der Sicht der Belegschaft über die neuesten Ereignisse des Arbeitskampfes informieren. Die vierte Ausgabe (Juni 1975) wurde in „Solidaritätsstimme“ umbenannt um zu zeigen, dass es der Belegschaft mit ihrem „Angebot der Arbeitskraft ernst ist, aber dass sie sich bei einer Wiederaufnahme der Arbeit ebensowenig spalten lassen wie zuvor im Arbeitskampf.“ [122]
Außerdem war die Streikleitung nicht nur dafür verantwortlich, sondern sie kontrollierte auch noch, dass die Beschlüsse, die auf Streikversammlungen getroffen worden waren, eingehalten wurden und war Ansprechpartner für die Presse. Außerdem verwaltete sie die Solidaritätskasse und organisierte den Einsatz der Belegschaftsmitglieder, die in Delegationen auf verschiedene Einladungen kommen sollten. Die streikenden Arbeiter und vor allem deren Frauen waren nämlich „heiß begehrt“, da der „Fall Seibel“ besonders für Studenten interessant war und die Streikenden authentisch darüber berichten konnten.[123]
Nachdem die Werksbesetzung aufgehoben wurde, nahmen die Streikenden und ihre Ehefrauen öfter an Schulungen der IG CPK teil; dadurch konnten sie viel qualifizierter gegen F.C. Seibel auftreten.
Während der Streikschichten wurde oft bei Bier und Würstchen über „Gott und die Welt“ diskutiert. Die Streikenden waren plötzlich viel interessierter in politischen Fragen und beurteilten manche Dinge auch anders.
Heinrich Mertin schreibt in seinem Gedicht, dass die treuen Arbeiter, die schon den Betrieb Seibel & Söhne mit aufgebaut haben, entlassen wurden. Er kann nicht fassen, dass die, die jahrelang Überstunden gemacht haben und auch bei Krankheit kamen, jetzt Opfer des Kapitalismus werden. Es hört sich ein bißchen wehmütig an, wie er z.B. schreibt, dass in den 20 Jahren, seit denen der Betrieb besteht, kein einziger Vogel wegen des Lärms in die Nähe des Werkes kam, und jetzt, wo sich im Betrieb nichts mehr rührt, die Vögel angeflogen kommen. Mertin möchte, dass der Betrieb wieder läuft, und er kann sich nicht über die Vögel freuen. Er ist stolz, dass in diesem Betrieb sehr auf Qualität geachtet wird, und er ist auch bereit dafür Opfer zu bringen, sprich er macht Überstunden etc., nur um dem Betrieb weiter laufen zu lassen. Er will mit diesem Gedicht die Leser aufrütteln, wir meinen, dass dem ein oder anderen mit diesem Gedicht bewußt wurde, wie sehr ein Arbeiter an seinem Betrieb hängen kann.
3.1.4. Das Strukturkrisenkartell
Erst einmal ist es notwendig zu klären was ein Strukturkrisenkartell ist. Im Gegensatz zum „normalen“ Kartell, welches rechtswidrig ist, erlaubt das Strukturkrisenkartell Preisabsprachen zwischen Unternehmern einer Branche; in diesem Fall der Zementindustrie. Solch ein Strukturkrisenkartell benötigt die Zustimmung des Bundeskartellamtes. Dafür muss nachgewiesen werden, dass sich die betroffene Branche in einer wirtschaftlichen Krise (Strukturkrise) befindet.
Dies war 1975, wie schon weiter oben ausgeführt, in der Zementindustrie in Westfalen der Fall. Um den ruinösen Preiskampf in der Zementindustrie aufzuhalten, wurde ein Strukturkrisenkartell ebenso von den Politikern (besonders engagiert war dabei Engelbert Sander, der sich auch im Bundestag dafür einsetzte), wie auch von der IG CPK und den Belegschaften der Zementwerke angestrebt.
Dies wäre das erste Strukturkrisenkartell in der westdeutschen Zementindustrie mit staatlicher Genehmigung gewesen, wenn es zustande gekommen wäre. Dieses Kartell sah vor, dass die Unternehmer Preisabsprachen untereinander tätigen und dass in allen Betrieben Überkapazitäten abgebaut werden konnten. Ebenso sollte die Beschäftigtenzahl durch Altersabbau planvoll reduziert werden und es war geplant einen Sozialfond einzurichten, der eine Vermeidung von sozialen Härtefällen vorsah. Diese Punkte sollten den unerbittlichen Preiskampf verhindern, indem die Unternehmer versuchten sich gegenseitig zu unterbieten und damit Marktanteile des anderen zu erobern.
Von diesem Preiskampf waren besonders die mittelständischen Betriebe betroffen, da sie keine Möglichkeit hatten gegen die großen Betriebe, wie z. B. Dyckerhoff, anzukommen. Durch diesen Preiskampf waren außerdem viele Arbeitsplätze gefährdet (ca. 1000). Dieses Kartell kam jedoch nicht zustande, weil sich Hugo Miebach, der Unternehmer von Wittekind, und F.C. Seibel weigerten, diesem Kartell beizutreten.
Wir vermuten, dass F.C. Seibel sein Werk stilllegen wollte, um beim Werk Wittekind den neugebauten Ofen voll auszunutzen. Dieses Kartell, welches eine Preiserhöhung vorsah, hätten Miebach und Seibel unterlaufen können, indem sie billiger als die anderen produzieren. Dadurch wäre die Idee des Kartells zunichte gewesen.
3.1.5. Die Fortsetzung des Arbeitskampfes vor den Gerichten
Der vorliegende Text ist nur eine kurze Zusammenfassung der Gerichtsverhandlungen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Während der Gerichtsprozesse stellte sich heraus, dass F.C. Seibel ein wahrer „Rechtsanwaltsverschleißer“ war: Er beschäftigte insgesamt vier Anwaltskanzleien, zu denen teilweise sogar neun Anwälte gehörten, zur Durchsetzung seiner Forderungen. Die Arbeitnehmer und die IG CPK wurden zuerst von einem Assessor der IG CPK vertreten (H. Unterhinninghofen), später dann von einer Münsteraner Anwaltskanzlei bei der Peter Körbel beschäftigt war. Dieser übernahm 1981 die alleinige Verantwortung für den Fall. Doch wenig später beging er Selbstmord.[124] Danach war ein Hannoveraner Rechtsanwalt (vor allem) für die Millionenklagen zuständig.
Es gab insgesamt über 1600 Klagen gegen F.C. Seibel.[125]
Der vorliegende Fall beschäftigte die Arbeitsgerichte aller Instanzen, angefangen vom Arbeitsgericht Paderborn über das Landesarbeitsgericht Hamm bis hin zum Bundesarbeitsgericht in Kassel, bis weit in die 80er Jahre hinein. Besonders für das Arbeitsgericht Paderborn waren die Gerichtsverhandlungen über den Fall Seibel & Söhne etwas besonderes, da sie viel bedeutender als die „normalen“ Fälle waren. Ein Richter, der sich damals mit diesem Fall beschäftigt hatte, teilte uns mit, dass dies sein bedeutendster Fall gewesen ist.[126] Die Bedeutung dieser Verfahren zeigt sich auch darin, dass das Staatsarchiv Detmold, das die Akten, die wir einsehen wollten, dem ArbG Paderborn zuschickte, die meisten Akten aufbewahrt hat. Dazu muss man wissen, dass das Staatsarchiv immer am Ende des Jahres die wichtigsten Akten vom Arbeitsgericht, das die Akten fünf Jahre aufbewahrt hat, bekommt.
Vor den Gerichten wurden verschieden Prozesse geführt; u.a. Rädelsführerprozesse, Kündigungsschutzprozesse, Schadensersatzprozesse etc. Die Urteile dieser Prozesse sind in Tatbestand und Entscheidungsgründe unterteilt.
Im Folgenden gehen wir auf einige der einzelnen Verfahren ein:
a) die Kündigungen betreffend:
Nachdem das ArbG die Kündigungsprozesse noch als ein Verfahren führte, wurden diese Prozesse bei den höheren Gerichten in mehrere Verfahren aufgeteilt. Bei dieser Aufteilung spielte es eine Rolle, an welchem Datum den Arbeitnehmern gekündigt worden war und da F.C. Seibel fast an jedem zweiten Tag im März Kündigungen aussprach, gab es eine ganze Reihe von Verfahren. Diese Kündigungen wurden noch einmal in fristlose und fristgemäße Kündigungen unterteilt. Die fristgemäßen Kündigungen begründete F.C. Seibel mit der schlechten wirtschaftlichen Lage des Betriebes, die fristlosen Kündigungen begründete er dadurch, dass sich die Arbeitnehmer am wilden Streik am 7.3.75 beteiligt hätten. (Den Gerichten war jedoch klar, dass er vor allem die Teilnahme an der Werksbesetzung am 10.3.75 meinte.) Einigen Arbeitnehmern wurde sogar erst fristgemäß und später fristlos gekündigt.
Für die Streikenden sprach bei der Entscheidung, dass der Betriebsrat zu den Entlassungen nicht befragt wurde, wie es in der Betriebsordnung vereinbart worden war. Doch unter dieser Betriebsordnung fehlten die Unterschriften des Betriebsrats und der Geschäftsleitung; es war lediglich ein Stempel beider Parteien vorhanden (siehe Anlage 5). Außerdem führten die Gerichte aus, dass der Betriebsrat bei sogenannten „Kampfkündigungen“ nicht befragt werden muss.
Bei diesen Verfahren machte auch der Prozessbevollmächtigte der Arbeitnehmer einen „Fehler“: Auf wichtige Schriftstücke setzte er anstatt seiner eigenhändigen Unterschrift eine gedruckte Unterschrift. Der zweite Senat des BAG befand jedoch, dass die Schriftstücke gültig sind, wenn sie mit dem Wissen des Verfassers
beim Gericht eingegangen sind und dies ausgewiesen werden kann. Bürokratie !?
Für die Arbeitnehmer sprach jedoch wiederum, dass sie sich nicht so genau mit der Arbeitsgerichtsbarkeit auskannten und sie daher nicht wissen konnten, dass die Arbeitsniederlegung illegal war. Durch die frühe Unterstützung durch die IG CPK und die Bevölkerung mussten die Streikenden annehmen, sie seien im Recht. Durch das „vorwerfbare Verhalten“[127] von F.C. Seibel wurden die Arbeitnehmer in ihrer Auffassung bestärkt, dass sie ein Notwehrrecht hatten.
Trotzdem befanden die Gerichte, dass es keine Rechtfertigung für die Arbeitsniederlegung der Belegschaft gab.
Zwischendurch versuchte F.C. Seibel so zu tun, als ob ihn die Kündigungen nichts mehr angingen, da er die Firma S & S an die „Seibel Be- und Vertriebsgesellschaft“, wo er selber geschäftsführender Gesellschafter war, verpachtet hatte und somit nicht mehr „passiv legitimiert“ sei. Doch dies nahmen ihm die Gerichte nicht ab.
In den meisten Gerichtsurteilen wurde für die Arbeitnehmer entschieden, in einem der uns vorliegenden Urteile bekamen die Arbeitnehmer jedoch nur auf Umwegen Recht: Das ArbG Paderborn sprach den Arbeitnehmern Recht, auf eine Berufung von F.C. Seibel bekam dieser jedoch vor dem LAG Recht. Auf die Revision der Arbeitnehmer, entschied das BAG auf Recht für die Kläger (in diesem Fall: Arbeitnehmer) und verwies das Verfahren zurück an das LAG-Hamm. In der zweiten Berufungsinstanz bekamen die Kläger diesmal Recht. Auf eine erneute Revision F.C. Seibels wurde den Arbeitnehmern wiederum Recht zugesprochen.
Dieses Verfahren durchlief also insgesamt fünf Instanzen!
b) die Schadensersatzklagen betreffend:
1.) technischer Schaden:
Bei diesem Verfahren waren die beiden „persönlich haftenden Gesellschafter“, F.C. und sein Bruder Konrad Seibel, die Kläger. Die Beklagten waren Herbert Borghoff, Josef Köchling und die IG CPK.
Nachdem das ArbG Paderborn darauf entschied, dass die Beklagten 444.400,20 DM (Verhältnis der Haftverteilung 60 : 40) plus 8% Zinsen seit dem 11.8.77 für den technischen Schaden bezahlen mussten (Seibel hatte ursprünglich 740.667 DM gefordert), gingen beide Parteien in Berufung. Die Berufungsinstanz entschied in einem Teilurteil 1981 darauf, dass beide Parteien 50% des entstandenen technischen Schaden bezahlen mussten.
Die beim BAG eingereichten Nichtzulassungsbeschwerden beider Seiten blieben erfolglos.
Da aber bei dem Teilurteil des LAG nur fünf der 75 Einzelpositionen des technischen Schadens bearbeitet worden sind, wurde das Verfahren beim LAG weitergeführt. Die Beklagten verpflichteten sich in einem Vergleich noch einmal 144.000 DM plus Zinsen (siehe oben) an F.C. und Konrad Seibel zu bezahlen.
2.) wirtschaftlicher Schaden:[128]
Bei diesem Verfahren waren die Rollen genauso wie bei der Schadensforderung
auf technischen Schaden verteilt. Die Beklagten, Borghoff, Köchling und die IG CPK wurden zwar als Gesamtschuldner verpflichtet, an die Firma S & S 2.537.348 DM und 8% Zinsen seit dem 11.08.1977 [bei der Urteilsverkündung ca. 10 Jahre später – 19.06.1987- waren es dann mit Zins und Zinseszins 5.477.945 DM] zu zahlen, jedoch war der Betrag nur 50% des gesamten wirtschaftlichen Schadens, denn auch F.C. Seibel war für die Hälfte des wirtschaftlichen Schadens verantwortlich, befand das Gericht.
Die Beklagten waren schuldig, da sie einen wilden Streik entweder geführt, organisiert bzw. unterstützt haben. Aber F.C. Seibel machte sich ebenfalls schuldig, da er eine Fülle von Rechtsbrüchen begangen hatte und er die Belegschaft durch sein Verhalten provoziert hatte.
Ursprünglich forderte F.C. Seibel von den drei Beklagten 6.218.940 DM; mit Zins und Zinseszins über 13,4 Mio. DM!
Um sich eine günstigere Rechtslage zu verschaffen, versuchte F.C. Seibel zu beweisen, dass der Arbeitskampf einen Tag vorher in einem Erwitter Café unter der Leitung H. Borghoffs beschlossen und geplant worden war. Doch das Gericht glaubte ihm dies nicht. Darüber hinaus versuchte F.C. Seibel auch noch die entstandenen Folgeschäden bei der „VWG – Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. Leasing- und Baustoffhandelsgesellschaft“, bei der er ebenfalls geschäftsführender Gesellschafter war, einzuklagen. Mit Erfolg.
Das Gericht stellte fest, dass die Produktion damals nicht vor Anfang 1977 wieder aufgenommen werden konnte, weil es wegen des schlechten Bildes F.C. Seibels in der Öffentlichkeit sowie aufgrund der miserablen wirtschaftlichen Lage der gesamten westfälischen Zementindustrie.
Bei dem Gerichtsprozess ist uns aufgefallen, dass der Gutachter der Fa. S & S, die Treuhand AG, einen höheren Schaden als der des Gerichts, Dr. Simons, ermittelt hatte. Immerhin ein Unterschied von über 1 Mio. DM.
3.2. Wer unterstützte die Beteiligten?
Die Unterstützung der Bevölkerung, im allgemeinen Sinne, war einer der wichtigsten Faktoren für das lange Durchhalten der streikenden Belegschaft.
Wir haben das Thema „Solidarität“ noch in mehrere Gruppen aufgeteilt, da sich nicht alle Gruppen in gleicher Weise mit den Streikenden solidarisierten.
Durch alle unten aufgeführten Solidaritätsaktionen mussten die Streikenden, wie es die Gerichte ausdrückten, sich im Recht sehen, obwohl sie an einer illegalen Werksbesetzung teilgenommen hatten. Als es z.B. um die Auflösung des Betriebsrats ging, hieß es, dass der Betriebsrat durch die Solidaritätsaktionen denken könne, er sei im Recht.[129]
Eine exemplarische Solidaritätsbekundung haben wir als Anlage 6 beigefügt.
3.2.1. Ehefrauen der Streikenden
Wie uns unsere Gesprächspartner, Herr Borghoff, Herr Köchling, Herr Billhardt und Herr Sander, übereinstimmend mitteilten, war die Unterstützung der Arbeiter durch ihre Ehefrauen enorm wichtig.
So wurde schon von Anfang an versucht, die Frauen über die Situation ihrer Ehemänner in Kenntnis zu setzen und ihnen so die Notwendigkeit des Streiks zu erklären. Denn, eins wusste die Streikleitung genau, wenn die Männer am Abend vom langen Streiktag müde nach Hause kommen und sich dann auch noch Vorwürfe ihrer Frauen anhören müssten, dann würden die Streikenden dies nicht lange durchhalten können.
Einige Frauen der Streikenden gründeten auf Anregung der „Frauenaktion Dortmund“ (FAD) eine eigene Frauengruppe, die Frauengruppe Erwitte.[130] Nach einigen Informationsnachmittagen der IG CPK trafen sich ungefähr 25 Frauen wöchentlich um über aktuelle Themen zu diskutieren. 1977 trafen sich dann immerhin noch acht dieser Frauen im Alter von 28-50 Jahren[131] , die auch ein eigenes Buch, „Ehefrauen der Zementwerker in Erwitte berichten“, herausgaben, in dem sie über ihre neue Situation berichteten.
Für die Ehemänner war es auch ein Vorteil, dass sie zu Hause über die Vorfälle während des Arbeitskampfs diskutieren konnten und sich so „den Frust von der Seele reden konnten.“
Die Frauen unterstützten ihre Männer auf verschiedene Weise: Zum einen nahmen sie an Solidaritäts- und Informationsveranstaltungen teil und organisierten auch solche und zum anderen waren sie bei den Gerichtsverhandlungen dabei.[132] Ihre größte und spektakulärste Aktion war sicherlich der Demonstrationsmarsch in Lippstadt zu F.C. Seibels Villa. Außerdem nahmen die Frauen auch an den Streikversammlungen der Belegschaft teil.
Die Frauen der streikenden Arbeitnehmer dichteten sogar ein Lied:
„Gewerkschaft steht für alle,
keiner schiebt uns weg!
Gewerkschaft steht für alle da,
keiner schiebt uns weg!
So wie ein Baum beständig steht am Wasser,
keiner schiebt uns weg!
Keiner und auch der Seibel nicht!
So wie ein Baum beständig steht am Wasser,
keiner schiebt uns weg!
Wir haben Recht auf Arbeit!
Keiner schiebt uns weg!
Wir kämpfen mit den Männern!
Keiner schiebt uns weg!
Wir stehen fest zusammen!
Keiner schiebt uns weg!
Besetzen wir Fabriken!
Keiner schiebt uns weg!
Wir fordern unsere Löhne!
Keiner schiebt uns weg!
Wir kommen heute mal nach Lippstadt!
Keiner schiebt uns weg!“
•3.2.2. Firmen und Konkurrenzfirmen
Auch viele Belegschaften von anderen Firmen unterstützten die Streikenden. In vielen Betrieben wurden sogar Spenden für die Zementwerker gesammelt. Einige der Belegschaften, die sich solidarisch zeigten, befanden sich in einer ähnlichen Situation (z.B. DEMAG).
Die streikenden Arbeitnehmer haben sich besonders über die Solidarität der französischen Uhrenfabrik LIP am 1.Mai gefreut. Dieses Werk sollte von einem schweizer Konzern aufgekauft und anschließend stillgelegt werden. Doch nach einem 20-monatigem Arbeitskampf, in dem die Arbeiter die Uhren sogar selber verkauften, waren alle Arbeitsplätze gesichert.
Auch der Arbeitgeberverband Norwestdeutscher Zementwerke, dem F.C. Seibel nicht angehörte, distanzierte sich vom Verhalten F.C. Seibels. Ebenso wie der wegen der Kooperationsvorwürfe mit F.C. Seibel in Verruf geratene Besitzer des Werks Wittekind, Hugo Miebach.
Die anderen Zementunternehmer zeigten sich zu diesem Fall nicht besonders in der Öffentlichkeit, nur die Vettern von F.C. Seibel, Carlo und Heinz Seibel, die das Werk Gebr. Seibel besitzen, zeigten sich solidarisch. Nur, sie unterstützten nicht, wie wir vorher angenommen hätten, ihren Verwandten, sondern sie unterstützten die Arbeiter von S & S und stellten ihren „lieben“ Vetter in der Öffentlichkeit geradezu bloß, als sie dessen Belegschaft Geld spendeten (15.000 DM) und sogar anboten, den ganzen Betrieb aufzukaufen. Hier haben wir gemerkt, dass eine abgrundtiefe Abneigung zwischen den verwandten Zementwerksbesitzern herrscht.
3.2.3. Gewerkschaft
Die IG CPK ist die zuständige Gewerkschaft für den Bereich Zement. Der Hauptsitz dieser Gewerkschaft befindet sich in Hannover. Für die Region Erwitte – Geseke war die Verwaltungsstelle Neubeckum verantwortlich. Der damalige Gewerkschaftsführer in Neubeckum, Herbert Borghoff, war sehr engagiert bei diesem Arbeitskampf: Er organisierte Veranstaltungen, veröffentlichte Flugblätter und bereitete Gerichtsverhandlungen vor.
Doch für die Durchsetzung ihrer Forderungen, mußte die IG CPK einen hohen Preis zahlen (Über sechs Millionen DM). Außerdem kamen über eine Millionen DM zusammen, welche für Notlagenunterstützung, Prozesskosten etc. ausgegeben wurden. Doch ohne diese Unterstützung hätten die Arbeiter den Arbeitskampf wahrscheinlich nicht durchstehen können, da sie eine Familie ernähren mussten und sonst keine Geldeinnahme hätten.
Ein Arbeiter sagte dazu: „Ohne die Gewerkschaft, da müssten wir heute trocken Brot fressen!“ [133]
3.2.4. Bevölkerung
Dadurch, dass die Bevölkerung die streikenden Arbeitnehmer so massiv unterstützte, wurde das lange Durchhalten der Belegschaft erst möglich. Denn vor allem während der Besetzung des Werkes kamen täglich viele Leute vorbei, die die Streikenden aufmunterten und ihnen kleine Präsente, wie z.B. Getränke und Süßigkeiten oder eine Geldspende, überreichten.
Die Zementwerker wurden auch von vielen Organisationen unterstützt: z.B. spendete die Arbeiterwohlfahrt eine Suppe.
Aber auch staatliche Institutionen zeigten sich mit den streikenden Arbeitnehmern solidarisch: Die Polizei, die von F.C. Seibel aufgefordert wurde, dass Werk räumen zu lassen, tat dies nicht, da für sie das Streikrecht höher als das Eigentumsrecht war; die Bundespost legte kostenlos einen neuen Telefonanschluss ins Werk, nachdem F.C. Seibel den vorhandenen Anschluss gesperrt hatte.
Aber die Belegschaft tat auch selber einiges, um auf den Streik aufmerksam zu machen: An Informationsständen, die die Streikenden in den größeren Städten in der Umgebung errichtet hatten, konnten sich die Bürger über den neuesten Stand des Arbeitskampfs unterrichten. An diesen Informationsständen wurden auch insgesamt 12.000 Beutelchen Zement (vom Zementwerk Gebr. Seibel gespendet) zum Preis von je 1DM verkauft. Der Erlös des Verkaufs kam in den Solidaritätsfond. Die Bürger forderten sich auch untereinander auf, Solidarität zu zeigen; es gab z.B. Autoaufkleber auf denen stand: „Solidarität mit den Werksbesetzern!“
Die wohl verrückteste Solidaritätsaktion lieferte ein Arbeiter aus Bayern, der, da er so arm war und nicht mehr spenden konnte, anbot, sein Frühstück nach Erwitte zu schicken.
Den Höhepunkt der Solidarität bildete der 1.Mai 1975: An diesem Tag kamen fast 15.000 Leute nach Erwitte und demonstrierten „gegen Unternehmerwillkür und für den Erhalt von Arbeitsplätzen“ (Motto der Kundgebung und der Titel unserer Arbeit). Unterhalten wurden die Teilnehmer dieser Protestkundgebung durch bekannte Musiker und Politbarden, wie Franz-Josef Degenhardt, Peter Maiwald, Fasia Jansen etc.
Auch in den örtlichen Schulen wurde der „Fall Seibel“ behandelt. Eine neunte Klasse der Erwitter Hauptschule schrieb sogar einen Aufsatz darüber, nachdem sie das Werk auch selber besichtigt hatte.
Es solidarisierten sich eigentlich alle Bevölkerungsschichten mit den Werksbesetzern. Deshalb gab es fast keine schlimmen Gerüchte um die Belegschaft. Lediglich die vielen roten Fahnen auf der Protestkundgebung am 1.Mai wurden mißverstanden und rasch entstanden Gerüchte, dass auf der Kundgebung viele „verkappte Kommunisten“ (Zeitungszitat) gewesen waren.
Auch als die Belegschaft ihr Broschüre „Fabrikbesetzung“ zusammenstellen wollte, bekam sie Unterstützung von Fotografen, die ihre Fotos, die sie selbst auf dem Werk geschossen hatten, kostenlos zur Verfügung stellten. An Geldspenden kamen insgesamt 500.000 DM zusammen.
3.2.5. Politiker
Die streikenden Arbeiter wurden von Politikern aller Parteien, ob es nun CDU, SPD oder FDP war, unterstützt. F.C. Seibel bekam nicht einmal von der FDP, in der er Mitglied war, Unterstützung.
Einige Politiker unterstützten die Streikenden aber nur deshalb, weil der Streik in der Öffentlichkeit so beliebt war und sie so neue Wählerstimmen gewinnen konnten. Dies wurde auch dadurch deutlich, dass, wenn ein Politiker das Werk besucht hatte, sofort ein Artikel mit Foto in der Zeitung stand.
Aber nach den Kommunal- und Landtagswahlen 1975 kamen viel weniger (kommunale) Politiker. Wie uns Herr Borghoff am 15.10.98 mitteilte, kamen keine Politiker mehr von der FDP, von der CDU vereinzelt und auch von der SPD kamen nur noch wenige.
Da die SPD ja die traditionelle Arbeiterpartei ist, hat sie sich auch mehr für die Streikenden eingesetzt.
Die streikenden Zementarbeiter bekamen aber nicht nur von den kommunalen Politikern Solidarität ausgesprochen, sondern auch von einzelnen Bundes- und Landtagsmitgliedern. Die SPD-Bundesfraktion schickte sogar ein Telegramm. Vielen der „höheren“ Politiker war es auch wichtig, „dass die Streikenden erkennen, auf welcher Seite die Bundesregierung in diesem Konflikt steht“, wie es der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium H. Buschfort (SPD) ausdrückte. [134]
Eine große Freude wurde den Streikenden auch durch die „Falken“, eine Jugendorganisation der SPD, bereitet. Die „Falken“ stellten den Kindern der Arbeiter 50 Ferienplätze in einem Zeltlager kostenlos zur Verfügung.
Auch die sonstigen Jugendgruppen der Parteien unterstützten die Zementwerker: Die Junge Union und die Jungsozialisten schmierten Brötchen und sammelten Geld für die Solidaritätskasse.
3.2.6. Solidarität – Was wäre, wenn nicht…?
Wir sind uns beide sicher, dass der Arbeitskampf ohne die Solidarität eine völlig andere Wendung genommen hätte. Wenn z.B. die Bevölkerung die Werksbesetzer nicht immer und immer wieder aufgemuntert hätte, hätte die Belegschaft auf keinen Fall so lange durchgehalten. Nehmen wir ein anderes Beispiel: Hätte die IG CPK den Streikenden ihre finanzielle Unterstützung versagt, hätten diese ihre Werksbesetzung sofort nach der ersten Woche aufgeben können. Noch ein letztes Beispiel: Die Ehefrauen. Wären diese ihren Ehemännern in den Rücken gefallen und hätten diese immer wieder zum Abbrechen der Besetzung aufgefordert, dann wären die Arbeiter zwischen zwei Mühlsteinen (die Frauen und F.C. Seibel) zerrieben worden.
All dies haben die Streikenden auch selber eingesehen. Deshalb haben sie versucht, die Bürger möglichst oft über die Situation bei Seibel & Söhne aufmerksam zu machen. Die Information der Bevölkerung ist ihnen durch die Presse erleichtert worden, denn in den ersten Wochen der Besetzung standen täglich neue Meldungen darüber in der Zeitung.
•3.3. Was sagten die Medien dazu?
3.3.1. Fernsehen
Dieser Arbeitskampf wurde auf Grund seiner wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Bedeutsamkeit natürlich auch im Fernsehen dokumentiert. In den Nachrichten wurden häufig Berichte über die Situation bei S & S gesendet. Diese Ausstrahlungen machten den Arbeitskampf in der gesamten Bundesrepublik bekannt. Aber auch über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus wurde über den Fall berichtet; u.a. waren Fernsehteams aus Frankreich (ORTF) und der Sowjetunion vor Ort.
Des weiteren gab es mehrere Dokumentationen darüber: die ARD strahlte in der Sendung „Monitor“ mehrmals Reportagen darüber aus, ebenso wie „Vor Ort“ vom WDR.
In den beiden Berichten, die wir uns angeschaut haben, ergriffen die Reporter mehr für die Streikenden Partei. Das lag vor allen Dingen daran, dass die Geschäftsleitung nicht zu einem Interview bereit war. Um den Firmenchef F.C. Seibel vor die Kamera zu bekommen, legte sich das „Monitor“-Team sogar in einem Straßengraben auf die Lauer. Mit Erfolg, wie im Video zu sehen ist.
In den beiden uns vorliegenden Fernsehsendungen kamen bis auf eine Ausnahme nur Leute zu Wort, die entweder Arbeiter bei S & S waren oder den streikenden Arbeitnehmern zumindest positiv gegenüberstanden. Besonders in „Vor Ort“: Dort sprachen fast nur die Arbeiter. Bei dieser Sendung wunderten wir uns über die unruhige Kameraführung und darüber, dass kein zusätzlicher Kommentar gesprochen wurde.
3.3.2. Presse
Wie wir von unseren Gesprächspartnern und auch selber im Archiv erfahren haben, hat fast die gesamte Presse im Sinne der streikenden Arbeiter berichtet. Die lokale Presse, zu der Zeit waren es „Der Patriot“ und der „Lippstädter Anzeiger“, machten auf den Rechtsbruch F.C. Seibels aufmerksam. Die einzigen Zeitungen, die positiv für F.C. Seibel berichteten, waren das „Göttinger Tageblatt“ und die „Hannoversche Allgemeine“, die jedoch den selben Text verwendeten. Diese Zeitungen waren auch die einzigen, die über eine (angebliche) Morddrohung gegen F.C. Seibel schrieben: „Wenn nicht innerhalb der nächsten vierzehn Tage die Sache bereinigt ist, geht jede Woche ein Familienmitglied über die Klinge!“[135] Leider wissen wir nicht, ob es wirklich diese Morddrohung gab oder nicht. Die meisten größeren Zeitungen, wie z.B. „Die Welt“, „Die Zeit“ und der „Spiegel“, berichteten sehr sachlich über den Vorfall.
Beim Recherchieren im Archiv fiel uns auf, dass die „Bild“ nur ganz kleine Artikel über den Arbeitskampf verfasste. Die Auflösung lieferte uns Herbert Borghoff am 15.10.98. Er teilte uns mit, dass er mit der gesamten Belegschaft, nachdem die „Bild“ falsch über den „Fall Seibel“ berichtet hatte (die „Bild“ titulierte z.B. das Streikgeschehen als „Lager- und Wirtshausromantik“, wonach sich die Streikenden Arbeiter gar nicht fühlten), abgestimmt hat, ob die „Bild“ noch über den Arbeitskampf berichten darf oder nicht. Die Abstimmung fiel gegen die „Bild“ aus und somit durfte kein „Bild“-Reporter mehr das Werk betreten. Zu einem späteren Zeitpunkt druckte die „Bild“ jedoch ein „Exklusiv-Interview“ mit F.C. Seibel ab. Wegen der unrühmlichen Vorgehensweise dieser Zeitung wissen wir nicht, ob F.C. Seibel dieses Interview wirklich gegeben hat.
Aber auch mit einer anderen Zeitschrift machten die Streikenden schlechte Erfahrungen, nämlich mit der Zeitschrift „Quick“, die in ihrer Nr.8 vom 12.2.76 die Überschrift „Stur und stur verträgt sich nicht“ brachte. Weiterhin beschrieb diese Wochenzeitschrift Erwitte als einen „Wallfahrtsort für Radikale“. Prompt kam auch ein Leserbrief von Herrn Borghoff, der diese Meldung kritisierte. Dieser Beschwerdebrief wurde auch in der Zeitschrift „Quick“ abgedruckt.
Wir waren auch verwundert, dass so viele kommunistische Zeitungen, wie z.B. „Roter Morgen“ und „Rote Fahne“ über den „Fall Seibel & Söhne“ berichteten. Aber diese Zeitungen schrieben nur ein oder zweimal über den Fall. Einzig die Zeitung der Deutschen kommunistischen Partei (DKP), „Unsere Zeit“, berichtete regelmäßig über den Arbeitskampf.
Wir haben beim Durchlesen der Zeitungsartikel im Archiv auch gemerkt, dass einige Zeitungen maßlos übertrieben und z.B. schrieben, dass F.C. Seibel in seiner Villa Wasserhähne aus Gold und bronzene Klodeckel habe.
Oft waren die Zeitungen auch viel zu voreilig, so berichteten einige Zeitungen gleich zweimal, nämlich nach den Verhandlungen vom Paderborner Arbeits-gericht am 30.4.75 und nach dem dritten Schlichtungsgespräch vor der Arnsberger Einigungsstelle am 14.4.76, dass der „längste Arbeitskampf in der Bundesrepublik Deutschland“ zu Ende ist.
Am radikalsten gegen F.C. Seibel berichteten die Zeitungen der Gewerkschaften; vor allem natürlich die „Gewerkschaftspost“, die Zeitung der IG CPK, die F.C. Seibel u.a. als einen „egozentrischen, hochnäsigen Sproß einer Unternehmerfamilie“ betitelte. Aber auch „Metall“, Zeitung der IG Metall, und „Leder-Echo“(IG Leder) hielten sich nicht zurück.
Wir haben auch festgestellt, dass die Streikenden durch die Presse versuchten, Druck auf F.C. Seibel auszuüben, was aber, wie uns auch Herr Billhardt mitteilte, nicht gelang, weil F.C. Seibel sich dadurch nicht irritieren ließ und aufgrund seines entfernter liegenden Wohnortes nicht direkt von den Geschehnissen berührt wurde.
3.4. Zeitzeugen berichten
Interview mit Herrn Herbert Borghoff, geb. am 12.8.1927
Herr Borghoff war unser erster Gesprächspartner. Er hatte eine herausragende Rolle in diesem Arbeitskampf, denn er war der Geschäftsführer der IG CPK, Verwaltungsstelle Neubeckum. Seinen Namen erfuhren wir, wie die Namen aller unserer Gesprächspartner, aus verschieden Zeitungsberichten.
Freundlicherweise stellte er uns die Dipl. Arbeit seines Sohnes leihweise zur Verfügung, die uns wichtige Informationen lieferte.
Zuerst teilte uns Herr Borghoff am 15.10.98 einige, wie er es selbst nannte, „Hintergrundinformationen“ mit, was wir in einem Interview veröffentlichen wollten. Als wir ihm dies schriftlich vorzeigten, war er davon überrascht, dass wir daraus ein Interview gemacht hatten, da er angenommen hatte, wir würden dies für ein besseres Hintergrundverstehen verwerten. Deshalb schlug er uns ein erneutes Treffen vor, bei dem er seine Aussagen, die er freundlicherweise zeitaufwendig vorbereitet hatte, kurz und prägnant darstellte. Vor unseren Fragen gab er uns noch eine Kurzüberblick über die Geschehnisse damals, da wir das aber weiter oben schon in etwa aufgeführt haben, haben wir es herausgenommen.
Die folgenden Aussagen sind original von Tonbandaufnahmen vom 09.12.98 zitiert:
Frage: Warum kam man beim Streik ausgerechnet auf Sie zu sprechen ?
B.: Ich war damals Geschäftsführer der IG-CPK in der Verwaltungsstelle Neubeckum und unter anderem auch für unsere Mitglieder in der Zementindustrie zuständig.
Frage: Wie sah der Streikalltag aus ?
B.: Die Werksbesetzung zwang uns dazu, den vorhandenen Schichtplan des Betriebs bestehen zu lassen, dass heißt, dass während der Betriebsbesetzung die Beschäftigten nach der üblichen Schichteinteilung zum Betrieb kamen, die Werkstore versperrten, Anlagen warteten und darüber wachten, dass, ohne Zustimmung der Streikleitung, keine fremden Personen das Werksgelände betreten konnten. Zum Streikalltag gehörten auch Bildungsmaßnahmen, die Herstellung von Publikationen, z.B. Flugblätter, und das Verteilen dieser Schriften an die Bevölkerung. Die streikende Belegschaft empfing zahlreiche Delegationen wie Einzelpersonen, Politiker und Schüler, informierten sie über Hintergründe der Werksbesetzung und begleiteten sie bei den vielen Werksbesichtigungen. Große Veranstaltungen gab es an den Wochenenden, auf dem Werksgelände, wenn Besucherscharen kamen, um ihre Solidarität zu bekunden. Die Gäste wurden bewirtet und unterhalten. Jeder Streikende hatte hierbei seine Aufgabe, je nach Fähigkeit und Talent. Eine bedeutende Herausforderung war die Teilnahme von Seibel-Belegschaften an Veranstaltungen von Gewerkschaften, Verbänden und Studentenschaften im ganzen Bundesgebiet. Hier mussten die Repräsentanten der Belegschaft die Ursachen des Arbeitskampfes und das Streikziel erläutern. Später mussten sie auch über die Arbeitsgerichtsprozesse berichten. Bei diesen Gelegenheiten wurden kleine, mit Zement gefüllte, Beutelchen für einen Symbolpreis von 1 DM
verkauft, die – auch diese Arbeit gehörte zum Streikalltag – von den Werksbesetzern abgefüllt und mit einer Aufschrift „Solidaritätsspende für die Werksbesetzer in Erwitte“ versehen wurden. So kamen mit vielen Spenden fast 500.000 DM zusammen.
Frage: Wie gingen diese Gerichtsverfahren schließlich aus?
B.: Bis zur rechtskräftigen Entscheidung mussten wir lange warten. Die Kündigungsschutzklagen dauerten bis zu 3 Jahren, im sogenannten „Rädelsführerprozess“ 4 Jahre und mehr. Diese Verfahren wurden allesamt gewonnen, ebenso wie die Lohnleistungsklagen. Bei den Schadensersatzklagen, die F.C. Seibel gegen uns führte, war die Sache komplizierter, da diese vom Gericht in Paderborn aufgeteilt wurden, nämlich in technische und wirtschaftliche Schäden. Diese Verfahren dauerten bis zu 14 Jahren und wurden vor dem LAG Hamm entschieden. Die von F.C. Seibels Anwälten geforderten Schadenssummen betrugen ca. 14 Mio. DM. Ohne Unterlagen kann ich heute keine präzisen Aussagen treffen. Wir haben darstellen können, dass vor allem kein technischer Schaden entstanden war. Deshalb wurden die Forderungen bis auf eine geringe Summe vom Gericht abgelehnt. Mit diesen Verfahren beschäftigten sich jahrelang das Arbeitsgericht Paderborn, das LAG Hamm und das BAG Kassel.
Frage: Wann ist der Arbeitskampf zu Ende gegangen?
B.: Trotz der gewonnenen Kündigungsschutzprozesse hat erst ein langwieriges Schlichtungsverfahren den Arbeitskampf nach ca. zweieinhalb Jahren beendet. Es wurde damals ein Stufenplan zur Ingangsetzung der Produktion vereinbart, der vorsah, dass Familienväter in der ersten Stufe eingesetzt wurden. F.C. Seibel, welcher immer wieder die Arbeitsgerichte narrte, hielt sich nicht an den Plan und beging erneut Rechtsbruch. Erst nach erneuten Verhandlungen konnte die Produktion aufgenommen werden.
Frage: Haben Sie von Anfang an gewusst, dass der Arbeitskampf so lange dauern würde?
B.: Obwohl ich bei Seibel fast mit allem gerechnet habe, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es Seibel auf die Spitze treiben würde. Ich bin nicht davon ausgegangen, dass der Streik diese Dauer und Dimension erreichen könnte. Seibel stand mit seinen vielfach ausgewechselten Anwälten allein, von der Öffentlichkeit geächtet und von den Arbeitgebern verurteilt. Trotzdem konnte er auf Grund der Verfügungsgewalt über seine Produktionsmittel und mit Hilfe seines, durch den Fleiß seiner Arbeitnehmer angehäuften Kapitals, Recht brechen, Willkür ausüben und Gerichte und die Gesellschaft verhöhnen. Für seine vielschichtigen Rechtsbrüche hat er nur eine geringe Strafe zahlen müssen (weniger als 5000,- DM). Sein Terror gegen die Belegschaft ist niemals geahndet worden.
Frage: Gab es Ereignisse während des Streiks, die Sie in besonderer Erinnerung haben ?
B.: Ja. Unvergessen bleibt bei mir der erste Streiktag. Eine streikunerfahrene Belegschaft besetzt in Notwehr den Betrieb und zeigt sich entschlossen, für ihr Recht zu kämpfen. Die Disziplin und die Courage, mit der die Belegschaft agiert hat, haben mich stark beeindruckt. In guter Erinnerung geblieben sind auch die großen Kundgebungen in der Hellweghalle am 09.03.1975 sowie die Großveranstaltungen zu den Jahrestagen des Arbeitskampfes 1976 und 1977. In ganz besonderer Erinnerung habe ich die riesige Solidaritätskundgebung am 01.05.1975 in Erwitte, bei der 15.000 Menschen ihre Solidarität mit den Werksbesetzern bekundeten.
Frage: Wie standen die Frauen der Streikenden zum Arbeitskampf ?
B.: Außerordentlich positiv. Für sie war F.C. Seibel der böswillige Verursacher der Auseinandersetzung. Sie wussten ja, dass ihre Männer Tag für Tag in schwerer Schichtarbeit den Lebensunterhalt verdienen mussten und den Launen des Arbeitgebers ausgesetzt waren. Von Anfang an wurden die Frauen in den Kampf integriert. Sie hielten, im ganzen Land, Vorträge über die Situation bei Seibel & Söhne, referierten an Universitäten, bei Partei-, und Gewerkschaftsversammlungen, organisierten in Lippstadt eine Demonstration vor dem Haus von Seibel und gründeten eine Frauengruppe, die noch lange Zeit nach dem Ende des Kampfes bestand. Keine dieser Frauen hat sich beklagt, solidarisch standen sie an der Seite ihrer Männer.
Frage: Wie verhielten sich die politischen Parteien zum Arbeitskampf ?
B.: Sie alle verurteilten Seibel und bekundeten in unterschiedlicher Deutlichkeit ihre Sympathie mit der Belegschaft. Besondere Unterstützung kam von der SPD, die sich bis auf Bundesebene mit den Betriebsbesetzern solidarisierte und ihnen politisch den Rücken stärkte. Die SPD verurteilte das Verhalten von Seibel mit klaren, unmißverständlichen Worten als Rechtsbruch. Von CDU und FDP kam schwacher örtlicher Protest gegen Seibel. Die Seibel-Belegschaft wurde von Parteienvertretern auch auf dem Werksgelände besucht. Die Landtagswahlen 1975 standen vor der Tür, aufgrund der Popularität des Streiks in den Massenmedien konnten die Vertreter der Parteien sicher sein, dass durch ihren Besuch ein Quentchen Beliebtheit für sie und ihre Partei abfallen würde. Nach der Wahl kamen nur noch wenige. Es kamen nur noch Abgesandte der SPD, der Jungsozialisten sowie Abgesandte der Falken. Die örtliche Solidarität war allerdings dauerhafter. Manche Hilfe wurde bis zum Ende des Kampfes erbracht.
Frage: Wurden und werden Sie noch öfter auf den Arbeitskampf angesprochen ?
B.: Ja. Insbesondere bei Streikschulungen in Gewerkschaftskreisen wird die Betriebsbesetzung thematisiert, als ein exemplarischer Arbeitskampf, der seine Nachahmung gefunden hat. Es liegt natürlich an der Zeit, dass Fragen nach den Vorgängen bei Seibel nicht mehr häufig gestellt werden. Die Streik- und Rechtsgeschichte weist den Kampf von Seibel dauerhaft nach.
Frage: Wurden Sie von Ihrer Familie bei dem Arbeitskampf unterstützt ?
B.: Ohne Verständnis für die Situation durch die Familie ist die Last der großen Verantwortung kaum durchzustehen. Meine Frau hat mir zu Hause den Rücken frei gehalten und auch von meinen Kindern, besonders von meinem Sohn, der damals Student war, habe ich jede Unterstützung erfahren. Ich hatte also keine privaten Sorgen und konnte mich voll auf meine Arbeit konzentrieren.
Die besondere Unterstützung habe ich von allen Organisationsgremien meiner Verwaltungsstelle erhalten, sowie von den Betriebsräten und gewerkschaftlichen Vertrauensleuten.
Frage: Gab es Leute, die sich öffentlich mit F.C. Seibel solidarisierten?
B.: Nein, er stand völlig isoliert da, die öffentliche Meinung war eindeutig für uns.
Frage: Gab es Leute oder Organisationen von denen Sie keine Hilfe oder Solidaritätsbekundungen haben wollten?
B.: Eigentlich nicht, wir waren bei dem extrem langen Arbeitskampf für jede ermutigende Bekundung dankbar, wir haben niemanden abgelehnt.
Frage: Wie war das Verhältnis zwischen F.C. Seibel und seinen Vettern, die das Werk Gebr. Seibel führten?
B.: Auf beiden Seiten bestand Feindschaft und Hass. Von seinen Vettern und dem Betriebsrat der Firma wurden wir während des Streiks mit der gesamten Belegschaft zu einer Betriebsversammlung eingeladen. Hier wurde uns von den Vettern ein Scheck im Wert von 15 Tsd. DM überreicht. Von dieser Firma bekamen wir auch den Zement, den wir in Beutelchen abgefüllt für 1 DM verkauften. Der Erlös kam auf das Solidaritätskonto der Belegschaft.
Frage: Wenn Sie heute über den Streik nachdenken: Würden Sie heute anders handeln als damals?
B.: Niemals hätte ich diese Belegschaft, die zu 99,3 % in der Gewerkschaft organisiert war, die diszipliniert und fleißig gearbeitet hat und letztlich kampfbereit und kampffähig war, im Stich lassen können. Ich habe in diesem Kampf einen Akt der Notwehr gegen Willkür und Terror eines unbelehrbaren, gesetzbrecherischen Arbeitgebers gesehen und den Kampf von Anfang an unterstützt. Auch das BAG erkannte das Notwehrrecht der Belegschaft an.
Wenn ich heute wieder vor einer solchen Entscheidung stehen würde, so könnte ich nicht anders handeln als damals.
Frage: Hat sich Ihre Weltanschauung durch den Streik verändert?
B.: Wenn Sie meine politische Überzeugung vom real existierenden Kapitalismus meinen, dann hat sich mein Bild über die Macht des Kapitals nicht geändert, im Gegenteil, das Verhalten von Seibel, der über die vom Vater geerbten Produktionsmittel verfügte und mit Hilfe dieser Mittel Machtmißbrauch betrieb, bestärkte mich in meiner Auffassung von der Notwendigkeit der Vergesellschaftung der Wirtschaft. Seibel war extrem und brach die Gesetze. Andere (Unternehmer) gehen abgestufter vor. Aber letztlich sind den Kapitaleignern die Erträge wichtiger als die Menschen. Werden Massenentlassungen angekündigt, steigen die Börsenkurse. Es ist so, dass die zusätzlichen Rationalisierungsgewinne nicht für gesellschaftliche Zwecke Verwendung finden, sondern zur Kapitalflucht und zur Fusionspolitik mißbraucht werden. Wir haben seit vielen Jahren Massenarbeitslosigkeit und zunehmende Armut. Die Jugend hat wenig Perspektiven. Die Gesellschaft ist inhumaner geworden. Zu meinem Weltbild gehört, dass die Kinderarbeit und der Hunger in der Welt beseitigt werden und die Ausbeutung der Menschen und die Vernichtung der Natur aufhört. Das ist mein Weltbild, mein politisches Credo, das nicht erst durch meine Erfahrungen bei Seibel entstanden ist. Der Streik bei Seibel hat mich gelehrt, dass auch Arbeiter und Angestellte in einem ländlich und konservativ strukturierten Gebiet willens und in der Lage sind, erfolgreich gegen Unrecht und für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu kämpfen. Die Kollegen und Kolleginnen aus Erwitte bleiben mir in lieber und guter Erinnerung.
Autorisiert am 14.1.99
Interview mit Herrn Josef Köchling, geb.1930
Josef Köchling (K.) war zu der Zeit des Streiks Betriebsratsvorsitzender bei Seibel & Söhne. Er arbeitete beim Anfang des Arbeitskampfes schon seit 23 Jahren in dem Betrieb.
Wir sprachen am 5.11.98 mit Herrn Köchling. Folgendes haben wir sinngemäß (nach unseren Notizen) zitiert:
Frage: Wann begann für Sie der Arbeitskampf?
K.: Der Arbeitskampf begann für mich am 10.März mit einem Telefonat, indem mir mitgeteilt wurde, dass das Werk bestreikt wird.
Frage: Wie sah für Sie der Streikalltag aus?
K.: Katastrophal, mir wäre es lieber gewesen, wenn wir schneller weiter gearbeitet hätten. Aber so sind die drei Schichten genauso erschienen wie sonst. Außerdem fand jeden Tag eine Streikversammlung statt, in der Meinungen ausgetauscht und Entscheidungen getroffen wurden.
Frage: Wie war ihr persönliches Verhältnis zu Herrn Seibel?
K.: Ich hatte persönlich ein gutes Verhältnis zu ihm, da ich ihn schon von Kindesbeinen an kannte. Mit Seibel ist das so: Mal ist er der beste Freund und zwei Stunden später genau das Gegenteil. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass er allen eins auswischen wollte, da er in der Schule oft von seinen Kameraden wegen seiner Größe geärgert wurde. Seibel war ein spontaner Mensch, deshalb dachte ich auch am Anfang, dass es wieder eine seiner spontanen Aktionen sei. Außerdem ist er auch schon Mitglied von fast jeder Partei gewesen; er suchte sich immer die aus, die ihm am besten passte.
Zwischendurch hatte er ganz gute Ideen. Einmal sagte er: „Wer heute nicht krank ist, der kriegt sofort 1000 DM!“ Als ich ihn darauf hinwies, dass das den Kranken gegenüber unfair sei, weil sie ja nichts für ihre Krankheit konnten, sagte er, dass man auch ihnen das Geld geben sollte.
Frage: Können Sie sich vorstellen, dass das Ganze bei einem anderen Chef auch passiert wäre?
K.: Nein. Ich war 23 Jahre bei seinem Vater beschäftigt, da wäre so etwas nie passiert. F.C. Seibel war einfach zu machtbesessen und diese Macht ließ er die Arbeiter auch spüren.
Das Ganze war ein Willkürakt Seibels, weil der Betrieb vorher gut lief. Seibel wartete immer wieder mit neuen Dingen auf: Er entließ den Betriebsrat und Schwerbehinderte, die beide unter Kündigungsschutz stehen.
Frage: Was würden Sie heute anders machen?
K.: Ich würde heute fast alles genauso machen. Ich weiß auch nicht, was ich hätte besser machen können, außer einigen kleinen Dingen.
Frage: Haben Sie persönlich Verluste zu beklagen gehabt?
K.: Ich habe keine materiellen Verlust, also keine finanziellen, Verluste gehabt, sondern höchstens geistige. Es war eine sehr hohe Anspannung während des Streiks, was an den Nerven zerrte. Aber trotz dem Streß und dem vielen Ärger waren es auch schöne Tage, weil die Gemeinschaft sehr gut war.
Frage: Denken Sie noch oft an den Streik?
K.: Ich denke nur noch daran, wenn ich an den Zementwerken vorbeifahre. Manchmal träume ich auch noch nachts von dem Streik. Aber man will den Streik irgendwie verdrängen, doch so etwas vergißt man nicht.
Frage: Erinnern Sie sich noch an ein besonderes Ereignis währen des Arbeitskampfes?
K.: Jeder Tag war ein neues Erlebnis. In Erwitte war so etwas noch nie dagewesen, deswegen war die Situation völlig neu für uns.
Frage: Haben alle Arbeiter bei Seibel & Söhne weitergearbeitet?
K.: Nein, die meisten wollten nachher nicht mehr unter Seibel arbeiten. Viele haben sich umschulen lassen und sind nachher noch etwas anderes geworden. Ich habe danach noch 16 Jahre im öffentlichen Dienst gearbeitet. Aber die Stellensuche gestaltete sich für mich als sehr schwierig. Ich wurde oft als Revolutionär bezeichnet. Doch auch für die anderen Arbeiter war die Stellensuche nicht einfach. Man sagte: „Die von Seibel, die brauchen wir hier nicht!“ Ich hatte zwar schon vorher ein Arbeitsangebot bekommen, wartete aber, bis auch der letzte Arbeit gefunden hatte.
Frage: Wurden die Streikenden von ihren Angehörigen unterstützt?
K.: Natürlich, ohne so eine Unterstützung kann man so etwas nicht durchstehen. Besonders erstaunt war ich über das Engagement der Frauen, die erst über die Situation informiert wurden und später dann die Öffentlichkeit informierten. Sie haben z.B. aufgezeigt, was so ein Streik für die Familie bedeutet. Nur im Verbund kann man stark sein, einzeln wird man untergraben.
Frage: Wie war der Umgang mit den Medien?
K.: Eigentlich sehr gut, denn die lokale Presse hat ausgezeichnet über uns berichtet, vor allem eine Reporterin vom „Patriot“, die sehr reell geschrieben hat. Das war wichtig für uns, denn die Presse war etwas neues für uns. Oft haben auch die Kommunisten mit ihren Zeitungen Propaganda gemacht.
Frage: Wie gingen die Gerichtsverhandlungen schließlich aus?
K.: Über die letzten Einzelverfahren weiß ich auch nicht genau Bescheid, aber ich weiß, dass die IG-CPK ziemlich viel Geld bezahlen sollte, was dann aber durch verschiedene Vergleiche weniger wurde, da Seibel auch Geld an die Gewerkschaft zahlen musste. Ich habe auch gemerkt, wie schwierig es ist, wenn sich Arbeitnehmer wehren wollen, denn es gibt in solchen Fällen einfach zu wenig Möglichkeiten für uns Arbeitnehmer. Außerdem hatten wir auch noch Pech mit den Rechtsanwälten, denn einer von denen, die für uns verantwortlich waren, hat uns eine große Enttäuschung beigebracht; er beging sogar Selbstmord.
Das warf uns natürlich wieder weit zurück. Auch beeinflußte Seibel jemanden vom Betriebsrat, der zu seinem Gunsten aussagen sollte, doch dieser starb zwei Tage vor der Gerichtsverhandlung, bei der er aussagen musste. Insgesamt gesehen sind mir die Gerichtsverhandlungen über den Kopf gewachsen, überhaupt kam nachher keiner mehr richtig mit den Verhandlungen klar. Zu dem kam auch noch, dass die Gerichte unterschiedlich werteten, so war z.B. das LAG-Hamm strenger als das AG-Paderborn
Frage: Gab es für Sie große Enttäuschung während des Streiks?
K.: Natürlich war es immer eine sehr große Enttäuschung, wenn das Gericht Seibel Recht zusprach. Aber besonders enttäuscht war ich auch davon, dass wir nach dem 1.Mai nicht, wie vorher mit Seibel verabredet worden war, weiter arbeiten durften, sondern Seibel aus heiterem Himmel sein Veto einlegte. Später kamen auch Gerüchte auf, dass ich mein Haus verkaufen müsse, um die Schulden zu tilgen, was allerdings nicht stimmte.
Frage: Wie empfanden Sie die Solidarität?
K.: Die Solidarität war ganz toll. Ich hätte nie gedacht, dass sich so viele mit uns (der Belegschaft) solidarisieren wie z.B. andere Arbeitgeber, Parteimitglieder (sie kamen nach der Wahl [Kommunal- bzw. Landtagswahl, Anm. der Verf.] leider nicht mehr so häufig) natürlich auch der Bürgermeister der Stadt Erwitte und unzählige Bürger aus Erwitte und den umliegenden Dörfern und Städten. Oft haben auch Leute Geld gespendet, die noch ärmer waren als wir, das war mir in einigen Situationen nicht Recht. Gefreut hat mich auch die Solidarität untereinander. Zwar wollten einige Angestellte ihre Position nicht verlieren, aber trotzdem machten fast alle Arbeiter und Angestellten mit.
Frage: Haben Sie am Anfang daran gedacht, dass es soweit kommen würde?
K.: Nein, damit konnte man nicht rechnen. Der Streik war eine spontane Aktion der Belegschaft und war nicht vorher mit dem Betriebsrat abgesprochen. Am Anfang war das Ganze nur als Protest gedacht.
Frage: Werden Sie heute noch häufig auf den Arbeitskampf angesprochen?
K.: Nein, denn die Zeit heilt Wunden.
Interview mit Herrn Engelbert Sander, geb. am 30.1.1929
Wir haben uns Herrn Sander als Gesprächspartner ausgesucht, da mehrere Zeitungen meldeten, dass er sich besonders für das Strukturkrisenkartell stark gemacht hat. Außerdem war er zu dem Zeitpunkt SPD-Mitglied des Bundestages und 1. Bevollmächtigter der IG Metall. Da er MdB war, war es für uns interessant zu sehen, ob der Fall Seibel auch in höheren politischen Kreisen diskutiert wurde.
Die Aussagen sind meist originalgetreu nach Tonbandaufnahmen zitiert, teilweise wurden auch unwesentliche Nebensächlichkeiten ausgelassen. Folgendes teilte uns Herr Sander (S.) am 10.11.98:
J.: Was war ihrer Meinung das Wichtigste für die Streikenden?
S.: Wichtig für die Streikenden war die Solidarität. Denn sie wußten: „Wenn wir auseinanderfallen, dann haben wir auch bei den Arbeitsgerichten keinen Erfolg!“ Dann fragt das Arbeitsgericht nämlich: „Wie viele seid ihr denn? – Fünf? Fünf Arbeiter? Und wo sind die anderen 50?“ – „Die machen nicht mit!“
M.: Hatten sie vorher schon einmal so einen Arbeitskampf miterlebt?
S.: Ich hab´s das erste Mal mitbekommen. Zwar war in Bayern mal so etwas gewesen, aber dies war in dieser Region das erste Mal.
M.: Wie haben Sie es empfunden, dass die Solidarität für die Streikenden sogar aus dem Ausland kam?
S.: Es war eine gute Sache, aber beeinflußt hat das den Seibel nicht. Die Frage war natürlich damals, was beeinflußt ihn überhaupt, nachdem deutlich wurde, dass er so sehr gar nicht an dem Betrieb interessiert war. Wenn ich mit einer Sache befaßt bin, die mich letztlich gar nicht kümmert, dann kümmert mich auch nicht, was da von Paris oder sonstwo angereist kommt.
M.: Hat sich ihre Partei, die SPD, auch für die Streikenden eingesetzt?
S.: Ja, aber was sollte eine Partei machen? Natürlich haben wir als Partei auch auf Unterbezirksparteitagen Solidaritätsadressen und Spenden abgegeben. Aber die Partei war ja nicht der Ansprechpartner. Die Partei hat das lediglich unterstützt und begleitet. Sie konnte ja keine Verhandlungen führen oder sich so einbringen, dass sie am Verhandlungstisch saß. Und das wir Sozialdemokraten uns mehr gerührt haben als die CDU, das ergab sich aus der Sache.
M.: Was sagen sie zu dem Vorwurf, dass sich nach den Wahlen kaum noch Vertreter der politischen Parteien haben blicken lassen?
S.: Ich persönlich habe die Sache bis zuletzt begleitet. Obwohl der damalige IG CPK-Vorsitzende Hermann Rappe, der im Bundestag hinter mir saß, des öfteren sagte: „Mach´ doch bitte Deinen Einfluß für einen raschen und befriedigenden Abschluß der Aktion geltend. Sie soll sich nicht noch viele Jahre hinziehen.“
Aber am 9.3.75 und 1.5.75 war für mich noch kein Wahlkampf. [Anm. des Verfassers: Für Herrn Sander als MdB waren die Bundestagswahlen ´76 wichtiger als die Kommunal- und Landtagswahlen ´75.] Für mich stand sowieso die Wahl nicht im Vordergrund, sondern die Solidaritätsverpflichtung, die sich aus meiner gewerkschaftlichen Aufgabe und aus meiner Mitgliedschaft im Bundestag ergab. Das hatte mit Wahlkampf nichts zu tun. Die Not einer Belegschaft kann man nicht für eigene, private Zwecke ausnutzen; das verbietet sich schon aus Solidarität.
Ich habe mich auch mit der Sache persönlich identifiziert, weil ich regelrecht empört war. Ich habe das nicht wie manche andere Politiker gemacht und einfach nur eine Solidaritätsadresse abgegeben und gesagt: „Seht mal zu, wie ihr klar kommt! Mich interessiert das nicht! Ich habe meine Pflicht getan!“
J.: Hätten sie als Politiker anders gehandelt?
S.: Nein, denn in der Arbeitsgruppe, in der das neue Betriebsverfassungsgesetz beraten wurde und in der ich aktiv mitgearbeitet habe [Anm. d. Verf.: Herr Sander war der Vorsitzende], haben wir genau die Punkte herausgearbeitet um das, was sich hier tat, zu verhindern. Das heißt, Seibel hat gegen „mein“ Gesetz gehandelt, das hat mich sowieso schon auf die Barrikaden gebracht.
J.: Wurde im Bundestag auch darüber debattiert?
S.: Nein, außer mit Hermann Rappe, dem IG CPK-Vorsitzenden , der ja, wie gesagt mein Bundestagskollege war, und Werner Vitt, dem stellvertretenden Gewerkschaftsvorsitzenden, der zwar nicht im Bundestag war, aber dort des öfteren erschien.
M.: Dachten Sie am Anfang des Streiks, dass es soweit kommen würde?
S.: Nein, das hat keiner erwartet.
J.: Hätten Sie sich an Stelle der Streikenden anders verhalten?
S.: Ich hätte mich wahrscheinlich genauso verhalten, denn hier musste jemandem die Zähne gezeigt werden, hier musste gesagt werden: „Wir sind nicht mehr im Jahre 1890!“ Ob ich das so lange gemacht hätte, weiß ich nicht.
M.: Gab es ein Ereignis während des Streiks, das Sie besonders in Erinnerung haben?
S.: Was mir damals sehr imponiert hat, war der Einsatz der Frauen, die in einer rückhaltlosen Weise Ihre Männer und Brüder unterstützt haben. Dass sie, die nicht unmittelbar davon betroffen waren, so lange durchgehalten haben.
J.: Gab es Leute, die hinter Seibel standen?
S.: Das mag es wohl gegeben haben. Über die Solidarität in der Belegschaft, die 100 % war, war ich auch selbst überrascht, ich hatte befürchtet, dass sich einige abspalten und dann die gemeinsame Front verlassen würden.
J.: Würden Sie das Ganze nur an der Person von Herrn Seibel festmachen?
S.: Ja, ich für mich schon. Seibel war ein Paradiesvogel. Das hat man ja daran gesehen, dass die anderen Unternehmer das nicht getan haben. Die ganze Geschichte wäre mit einem anderen Unternehmer nicht passiert. Das war menschliche Schwäche von ihm. Seibel verhielt sich nach dem Motto: „Ich bin hier der Chef und ihr habt zu machen, was ich sage!“
M.: Werden Sie noch oft auf das Thema angesprochen?
S.: Nein, ihr seid die ersten seit 15 Jahren.
J.: Denken Sie noch oft daran?
S.: Immer, wenn es sich ergibt, Assoziationen nennt man das. Das Ganze ist ja 23 Jahre her, man erinnert sich nur daran, wenn man auf etwas ähnliches stößt.
Also, ich beschäftige mich nachts, wenn ich im Bett liege, nicht mit Seibel.
J.: Meinen Sie, dass es eine Lücke im Gesetz gab?
S.: Nach dem, wie ich es damals beurteilt habe, gab es keine Lücke im Gesetz, weil Seibel im Grunde gegen das gesamte Gesetz verstoßen hat. Vielleicht hätte man das Problem, wenn sich jemand gegen das Gesetz vergeht, mit härteren Strafen lösen können. Seibel kümmerte das nicht, was das Gesetz sagte. Denn Seibel brauchte den Betrieb nicht, es ging gar nicht um seine Existenz.
Die Arbeiter waren die Verlierer! Das hängt ja auch mit unserem Eigentumsrecht zusammen. Der Eigentümer einer Sache kann mit ihr machen, was er will. Das haben wir ja dann in Deutschland eingeschränkt durch die Formel der sozialen Marktwirtschaft, das heißt, wir haben gesagt: „Eigentum verpflichtet!“ Aber das ist ja das Problem: Dieses Eigentumsrecht ist immer noch so weit verankert, dass man es dem, der es besitzt, nicht wegnehmen kann. Man kann lediglich Eigentum wegnehmen, wenn man es für den öffentlichen Gemeinbedarf gebraucht.
M.: Aber dann könnte Seibel im Prinzip sagen: „Ich beschäftige die nicht mehr!“ und dann stehen die auf der Straße!
S.: Ja, das hat er ja auch gemacht. Normalerweise ist es aber auch so, dass unsere Unternehmer die Gerichtsentscheide akzeptieren.
M.: War der Fall auch Thema in ihrer Familie?
S.: Ja, die Familie hat es auch dadurch mitbekommen, dass ich lautstark darüber geschimpft habe. Ich habe z.B. gesagt: „Da hat doch dieser Bursche von Seibel sich wieder diese Sache da gerissen und ich muss jetzt wieder überlegen: Was kann man da machen?“
J.: Ich muss noch einmal auf die Gesetze zurückkommen: Die Arbeiter müssen sich ja schon komisch vorgekommen sein, sie hatten gewonnene Kündigungs-schutzklagen in der Tasche und konnten trotzdem nicht weiterarbeiten…..
S.: Das war ja die Geschichte vom Seibel, der sagte: „Was schert mich euer Gesetz? Ich mache, was ich will!“ Hier wurde die Macht gegen das Recht eingesetzt. Hier wurde ein Gesetz mit Füßen getreten. Und das war, was mich so sehr empört hat.
J.: Wir haben gehört, dass in den Jahren 1968-1970 die mittelständische Zementindustrie, zu der auch die westfälische Zementindustrie gehörte, in einer großen Krise steckte…..
S.: Die ganze mittelständische Zementindustrie stand vor der Frage der Auflösung und die Großen, Dyckerhoff/Heidelberg und andere, waren dabei, ihnen die Luft abzudrehen. Dann habe ich sie alle nach Bonn geholt, das muss 1970 gewesen sein. Ich habe ihnen nur eins gesagt: „Wenn ihr den kleinen die Luft abdreht, dann werden wir uns auch einiges überlegen, wettbewerbsrechtlich, um euch bestimmte Kartelle zu untersagen!“ Die Brüder hatten das ja so verabredet: „Die Kleinen schmeißen wir raus, dann machen wir einen Verbund, ein Kartell und dann einigen wir uns über die Preise und dann wird nur noch abgesahnt!“ Ich habe gesagt: „Wenn ihr glaubt, dass das so geht bei dieser sozialdemokratisch geführten Regierung, dann seid ihr schief gewickelt!“ Da wurden sie doch kleinlaut.
M.: Und hätten Sie Verluste zu beklagen gehabt, wenn das mit dem Kartell anders gelaufen wäre?
S.: Arbeitsplätze! Bei jedem Zementwerk waren ca. 100 Leute beschäftigt. Bei zehn Werken sind das dann schon 1000 und das sind ja nicht nur die Belegschaften der Werke, sondern da hing noch ein ganzer Rattenschwanz an Beschäftigung ´dran, die wären auch in Mitleidenschaft gezogen worden. Es war ja auch eine Frage der Stabilität der wirtschaftlichen Struktur in dieser Region.
M.: War der Umgang mit den Medien für Sie eher gut oder schlecht?
S.: Ich hatte im Grunde nichts mit den Medien zu tun. Ich war ja auch nicht der Ansprechpartner für sie, wozu auch? Wenn sie wissen wollten, wieviel Geld schon in der Solidaritätskasse sei, dann fragten sie nicht mich, sondern riefen direkt bei der Streikleitung an.
Autorisiert am 11.12.98
Interview mit Herrn Dr. Hermann-Wolfram Billhardt, geb.1939
Zur Zeit des Arbeitskampfes war Herr Billhardt technischer Leiter, also Angestellter, bei Seibel & Söhne. Er stand weder voll auf der Seite Seibels, noch auf der Seite der Arbeiter.
Nachdem Herr Billhardt uns erst am Telefon mitteilte, dass er die „Geschichte nicht noch einmal aufwärmen“ (wörtlich) wollte, war er später doch noch zu einem Gespräch bereit, da inzwischen viele der damals Beteiligte verstorben sind.
Wir sprachen mit Herrn Billhardt am 17.11.98 im Verwaltungsbüro des Zementwerkes Spenner, wohin er 1979 „wechselte“, da ihm das Arbeitsklima bei S & S nicht mehr gefiel. Folgendes, was wir meist (nach leider sehr schlechten Tonbandaufnahmen) original zitiert haben, teilweise auch sinngemäß, teilte uns Herr Billhardt mit:
B.: Am besten erzähle ich euch erst einmal, was aus meiner Sicht damals passiert ist. Da hole ich am besten erst einmal etwas weiter aus.
Also, hier in Westfalen im Bereich von Erwitte bis Paderborn gibt es ein Gestein, das ideal für die Zementherstellung ist. Dementsprechend sind hier viele Zementwerke in den 20er und 30er Jahren entstanden. Es herrschte eine regelrechte Goldgräberstimmung. Viele Bauern, die Land besaßen, haben sich umgestellt auf diese Umstände. Es waren jedoch nur kleine Produktionseinheiten. Aber mit dem Fortschritt der Technik wurden die Produktionseinheiten immer größer. Und kleine Betriebe, die sich nicht umstellen konnten, blieben auf der Strecke. Nach dem Krieg setzte sich der Konzentrationsprozess fort. Die kleinen Betriebe, die nicht bereit waren oder es nicht konnten, auf einen hohen technischen Standard zu kommen, hatten es schwer, gegen die Großen zu bestehen.
Nun kann man den Zementabsatz nicht einfach steigern, denn wenn die Leute keinen Zement brauchen, werden sie ihn auch nicht geschenkt nehmen. Im Gegensatz z.B. zu einem Computer, den läßt man sich gerne schenken. Also, über den Preis können sie nicht viel machen. Sie können den Zement auch nicht weit schicken, weil dann die Transportkosten höher als der Zement sind. Wegen all dieser Faktoren herrschte in der Zementindustrie oft ein Verdrängungswettbewerb mit hartem Preiskampf. Man spricht auch von verschiedenen Zementkriegen.
Anfang der 70er Jahre entstanden dann wieder große Öfen, die dann auch wieder mehr produzierten, weshalb auch mehr abgesetzt werden musste. Dies führte automatisch zu einem weiteren Preis- und Verdrängungskampf.
In Beckum ist ein großer Ofen gebaut worden, bei Readymix und in Erwitte, nämlich bei Wittekind. Das brachte Unruhe in den Markt. Die Preise gingen runter und es wurde trotzdem keine Tonne mehr verkauft, sondern nur der Einzelne konnte sich ein größeres Tortenstück am Markt erarbeiten. Deshalb konnten nicht alle bestehen. Und genau das hat F.C. Seibel gesehen. Er sagte sich: „Wenn jetzt wieder ein westfälischer Zementkrieg tobt, dann gehe ich aus dem Markt raus, gehe in totale Kurzarbeit und komme erst wieder, wenn die Preise sich erholt haben. Die Stillstandskosten sind ja niedriger als die Produktionsverluste.“
Zu der Zeit hatte die Gewerkschaft, die IG CPK Geschäftsstelle Neubeckum, einen Geschäftsführer, Herrn Borghoff, der die Sache sehr engagiert anging. Dieser H. Borghoff ist ebenso wie F.C. Seibel eine interessante Persönlichkeit. Und beide prallten jetzt voll aufeinander. Jeder wollte dem anderen zeigen, was er kann. H. Borghoff sagte: „Das kann der nicht! Der muss sich an die Spielregeln halten! Ich werd´ den schon dazu zwingen! Der kann keine Kurzarbeit machen!“ Aber F.C. Seibel lag nicht nur sein Werk am Herzen, sondern er dachte auch an sein Vermögen.
Wenn der Herbert Borghoff zum Betriebsratsvorsitzenden, der, ich möchte fast sagen, ein bedingungsloser Gefolgsmann von ihm war, sagte, das machen wir jetzt (z.B. Proteste, Kundgebung, Warnstreik), dann wurde das auch gemacht. Von H. Borghoff war es schon eine Redensart: „Den (F.C. Seibel) mach´ ich so fertig, dass kein Hund mehr eine Schnitte von ihm will!“ Das kam natürlich toll an bei den Leuten. Doch da hatte er sich bei Seibel geschnitten, denn dieser wohnte außerhalb und bekam von den Protesten in Erwitte gar nichts mit. Und was in der Presse stand, das hat ihn gar nicht interessiert. Also ließ er sich nicht erpressen. Da aber Seibel nicht in die Knie ging und kapitulierte, wurde der Streik illegal. Je länger der Streik dauerte, um so illegaler wurde er. Das gab F.C. Seibel die Chance, die Leute nicht nur auf Kurzarbeit zu setzen, sondern fristlos zu entlassen. Was besseres konnte ihm gar nicht passieren. Meiner Meinung nach ist der Gewerkschaftsführer Borghoff dem F.C. Seibel voll auf den Leim gegangen. Und am dümmsten dran, das war leider so, waren die Arbeiter. Die wurden in dem Arbeitskampf total zerrieben. Sie bekamen zunächst kein Arbeitslosengeld, sie bekamen nur kleine Spenden aus der Bevölkerung und von der Gewerkschaft.
Die Gewerkschaft im Dachverband war sich im Klaren darüber, dass etwas passieren muss. Sie, die IG CPK, hat sich darum gewunden, ob sie das nun unterstützen sollte oder nicht. Aber andererseits konnten sie ihren Gewerkschaftssekretär nicht im Stich lassen. Das war eine ganz schwierige Entscheidung. Das Ganze war ihnen auch sehr peinlich, weil sie erkannten, dass Seibel nicht umfallen wird.
Also, die Arbeiter hätten das Ganze für sich alleine vor den Arbeitsgerichten durchziehen müssen, anstatt die Gewerkschaft um Hilfe zu bitten. Ich bin davon überzeugt, dass jeder einzelne von ihnen Recht und vollen Lohnausgleich bekommen hätte. Hätten die Leute auf der Straße protestiert, dann wäre die Sache wahrscheinlich anders gelaufen. Aber durch die Besetzung des Werks wurde das Ganze illegal.
J.: Welche Aufgabe hatten Sie damals bei Seibel & Söhne?
B.: Ich war damals technischer Leiter und für die Produktion verantwortlich.
M.: Welche Aufgabe haben Sie jetzt bei Spenner?
B.: Die selbe Aufgabe wie bei S & S, jedoch jetzt mit mehr Verantwortung, da Spenner größer und vielfältiger ist.
J.: Warum sind Sie zu Spenner gewechselt?
B.: Mit dem Streik hatte das auch etwas zu tun, bei S & S stimmte das Betriebsklima nicht mehr. Deshalb habe ich auch gekündigt und meine Gehaltsnachforderungen alleine vor dem Arbeitsgericht durchgesetzt. Bei Spenner ist das Klima wesentlich besser.
M.: Wie sah für Sie der Streikalltag aus?
B.: Tja, böse Zungen behaupten, das war Lagerfeuerromantik, andere sagen genau das Gegenteil. Die Streikenden vertrieben sich die Zeit mit der Vorbereitung medienwirksamer Aktionen, mit Kartenspielen, Bier und Würstchen. Andere kümmerten sich um neue Arbeit; wieder andere waren verzweifelt. Ich war während des Streiks zu Hause.
M.: Wie war Ihr persönliches Verhältnis zu Herrn Seibel?
B.: Seibel war ein sehr spontaner Mensch. Mal kam ich gut mit ihm aus, ein anderes Mal habe ich mich dann mit ihm überworfen.
J.: Hätten Sie an Stelle von Herrn Seibel anders gehandelt?
B.: Ich hätte entschieden anders gehandelt. Aber, wenn man es recht bedenkt, hat der Seibel aus seiner Situation das Beste gemacht, denn er bekam später gerichtlich hohe Schadensersatznachforderungen von der IG CPK zugesprochen.
Autorisiert am 10.1.99
Auswertung der Interviews:
Natürlich haben unsere Gesprächspartner untereinander eine andere Meinung vom Arbeitskampf, da ihn jeder aus einer anderen Sicht betrachtet. Wir merkten, dass Herbert Borghoff den Arbeitskampf am meisten glorifizierte, weil sein Arbeitsplatz dadurch nicht direkt gefährdet war und dieser Arbeitskampf sein wichtigster gewesen ist. Insgesamt ist uns aufgefallen, dass Herr Borghoff eine wichtige Stütze der Belegschaft während des Arbeitskampfes war und diese ohne Herrn Borghoff nicht so lange durchgehalten hätte.
Im Kontrast zu dieser Meinung steht Dr. Hermann-Wolfram Billhardt, der den Arbeitskampf nüchterner beurteilte und uns klar machen wollte, dass an solch einem Arbeitskampf nichts großartiges sei. Dies lag daran, dass Dr. Billhardt in der Firmenleitung beschäftigt war und ihm dieser Arbeitskampf viele Probleme bereitete, z.B. ein schlechtes Bild in der Öffentlichkeit etc.
Josef Köchling merkten wir an, dass er möglichst alles hinter sich lassen wollte. Er hatte unter diesem Arbeitskampf sehr gelitten, weil er von F.C. Seibel als einer der Hauptverantwortlichen für die Auslösung der Arbeitsniederlegung hingestellt wurde und sich somit noch jahrelang mit dem Fall vor den Gerichten beschäftigen musste. Während dieser langen Zeit musste er auch um seine Existenz fürchten, da F.C. Seibel Schadensersatz von ihm forderte. Er versicherte uns auch mehrmals, dass er im Nachhinein keinem Beteiligten mehr böse ist und auch allen verziehen hat. Beim Gespräch mit Herrn Köchling kam bei uns zum ersten Mal fast ein Gefühl von Mitleid für F.C. Seibel auf.
Engelbert Sander hingegen hatte keine existentiellen Probleme damit, weil er kein unmittelbar Beteiligter dieses Arbeitskampfes war. Er war nicht persönlich davon betroffen, sondern er setzte sich als Vermittler ein, schon wegen seines politischen Amtes.
•3.4. Eigene Meinung zum Streik
Die beiden folgenden Texte wurden von den Verfassern unabhängig von einander geschrieben und beinhalten eine stärker subjektive Bewertung.
Marcus Ferdinand:
„Als wir am Anfang unserer Arbeit standen, hatte ich sehr viel Sympathien für die Arbeitnehmer im Gegensatz zu F.C. Seibel, den ich verachtet habe. Ich fand es mutig von der Belegschaft geschlossen den Betrieb Seibel & Söhne zu besetzen und gegen die Spontaneität und Willkür des Unternehmers F.C. Seibel zu protestieren. Da wir diese Bewertung als einen der letzten Texte schrieben, hat sich meine Meinung über den Arbeitskampf ein wenig geändert. Ich kann mittlerweile auch ein bißchen F.C. Seibel in seinem Handeln nachvollziehen, obwohl ich immer noch nicht mit seinen Entscheidungen einverstanden bin.
Doch mir ist klar geworden, dass es auch für ihn, ebenso wie für die Belegschaft, eine sehr schwierige Zeit war. Jeder war gegen ihn und er hatte keine Befürworter für sein Handeln. Außerdem habe ich festgestellt, dass so ein Arbeitskampf nichts Glorreiches an sich hat, sondern nur Leid, Hilflosigkeit und Existenzangst mit sich bringt.
Enttäuscht hat mich die Reaktion der Fa. S & S, die zu keiner Stellungnahme uns gegenüber, den Arbeitskampf 1975 betreffend, bereit war, obwohl dieses Ereignis fast 25 Jahre zurückliegt. Durch diese Arbeit habe ich aber auch sehr viele positive Erfahrungen gemacht. Viele der von uns angeschriebenen Institutionen haben uns sehr gut unterstützt und auch unsere Gesprächspartner zeigten sich sehr offen, und ich war überrascht, dass solch ein Arbeitskampf ein Menschenleben so stark prägen und verändern kann.
Ich hoffe, dass sich solch ein Ereignis nicht oft wiederholt; obwohl für die Nachwelt immer interessant, ist es für die Beteiligten ein Ereignis mit sehr negativen Aspekten und Gefühlen.“
Jan Marcus:
„Beim Entstehen dieser Arbeit bin ich in meiner Meinung immer wieder hin- und hergerissen worden. Zuerst, als wir die Zeitungsberichte lasen, war ich radikal für die „kleinen Arbeiter“ und fragte mich, was für ein Unmensch dieser Seibel denn sein müsste. Dies wurde mir auch dadurch erleichtert, dass uns die heutige Firma regelrecht auf den Arm nahm, da sie uns ungenügende, besser gesagt gar keine Informationen über den Betrieb gab.
Später ist mir dann mehr und mehr bewusst geworden, dass F.C. Seibel so, wie er agierte, nicht aus Menschenverachtung oder zum Ärgernis der Belegschaft gehandelt hat, sondern nur einzig und allein aus dem Grund, dass er seinen Reichtum und seinen Betrieb erhalten wollte. Und genau das ist für mich sein Fehlverhalten. Nicht, dass er die Kündigungen aussprach, sondern wie und aus welchem Grund er das tat, ist für mich das Verachtbare. Denn in einer wirtschaftlichen Notsituation müssen oft Arbeiter entlassen werden, jedoch darf dies nicht völlig willkürlich geschehen, sondern muss den Gekündigten genau dargelegt werden und auch wirtschaftlich begründet sein.
Außerdem glaube ich, dass es besser gewesen wäre, wenn man das Werk nicht besetzt hätte, sondern wenn die gekündigten Arbeitnehmer in Ruhe vor Gericht gezogen wären, hätten sie wahrscheinlich Recht bekommen. Aber ob man dies den Arbeitnehmern hätte zumuten können? Nämlich dass sie in Seelenruhe zusehen, wie ihre Kollegen entlassen werden.
4.Anhang
4.1. Quellenverzeichnis
Schriftliche Quellen
- – Arbeitsgericht Paderborn (Hrsg.), Urteil vom 27.5.1975; AZ: 2 Ca 478/75
- – Arbeitsgericht Paderborn (Hrsg.), Urteil vom 15.7.1975; AZ: 2 Ca 1096/75
- – Arbeitsgericht Paderborn (Hrsg.), Urteil vom 19.6.1987; AZ: 1 Ca 1167/76
- – Borghoff, Volker; Diplomarbeit: Fabrikbesetzung in Erwitte 1975 – Unternehmerwillkür und Gegenwehr, Kampferfahrungen und politischer Bewußtseinsprozess der Belegschaft; dokumentiert bei der Abteilung Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Dortmund; 1985
- – Bundesarbeitsgericht Kassel (Hrsg.), Urteile vom 14.2.1978; AZ: 1 AZR 276/76; 1 AZR 76/76; 1 AZR 154/76; 1 AZR 103/76; 1 AZR 54/76; 1 AZR 765/75; 1 AZR 276/76; 1 AZR 278/79
- – Bundesarbeitsgericht Kassel (Hrsg.), Urteil vom 14.7.1981; AZ: 1 AZR 278/79
- – 1100 Jahre Erwitte, Münster 1936
- – Frauengruppe Erwitte (Hrsg.), Ehefrauen der Zementwerker in Erwitte berichten, Erwitte 1977 [Broschüre, 107 Seiten]
- – Industriegewerkschaft Chemie – Papier – Keramik, Verwaltungsstelle Neubeckum (Hrsg.), Dokumentation 1976-1979 [Sammlung von Zeitungsartikeln, Flugblättern usw.]
- – Dieselbe (Hrsg.), Pressestimmen Nr. 1-5; in: Nachlaß Stakemeier im Stadtarchiv Erwitte
- – Landesarbeitsgericht Hamm (Hrsg.), Urteil vom 19.10.1977; AZ: 9 Sa 293/77
- – Landesarbeitsgericht Hamm (Hrsg.), Urteil vom 08.12.1978: AZ: 5 Sa 1195/78
- – Landesarbeitsgericht Hamm (Hrsg.), Urteil vom 28.1.1982; AZ: 9 (7) Sa 969/81
- – Lüüs, Edgar, Zementindustrie am Hellweg, in: Heimatkalender des Kreises Soest 1977, S. 45-48
- – „Monitor“ vom 24.3.1975 [Videokassette des WDR; 10 Minuten zum Thema]
- – Nachlaß Stakemeier im Stadtarchiv Erwitte [diverse Zeitungsartikel, Briefe usw.]
- – Nolte, Melanie, Aspekte des langen Arbeitskampfes in der Erwitter Zementindustrie 1975. Pilotstudie zum Wettbewerb 1998/99 „Zivilcourage, Ungehorsam und Protest im historischen Wandel“, Geseke o.J.[ca. 1998 erstelltes, 30seitiges Manuskript]
- – Spenner, Dirk, Preiskampf und Wettbewerb in der rheinisch-westfälischen Zementindustrie, Frankfurt am Main; Berlin; Bern; New York; Paris; Wien: Europäische Hochschulschriften 1996: Reihe 5, Volks- und Betriebswirtschaft; Band 1940 [181-seitige Doktorarbeit]
- – Spenner Zement GmbH u. Co. Kommanditgesellschaft (Hrsg.), Spenner Zement, Erwitte o. J. [12seitige Firmenbroschüre]
- – Verein deutscher Zementwerke e.V./Forschungsinstitut der Zementindustrie (Hrsg.), Beton. Hart im Nehmen. Stark in der Leistung. Fair zur Umwelt, Düsseldorf 1996 [48 Seiten]
- – Vertrauenskörperleitung der Belegschaft von Seibel und Söhne (Hrsg.), Fabrikbesetzung. Arbeitskampf der Zementwerker bei Seibel und Söhne in Erwitte 1975, Erwitte 1975 [Broschüre, ca. 60 Seiten]
- – „Vor Ort“ vom 5.4.1975 [Videokassette des WDR; 45 Minuten]
- – Zacharias, J., Beiträge zur Heimatkunde des Kreises Lippstadt und seiner nächsten Umgebung, Heft 8: Hellweg und Haar, Lippstadt 1958
Mündliche Quellen
- – Interviews mit Herbert Borghoff, Neubeckum, vom 15.10.98 und 9.12.98
- – Interview mit Josef Köchling, Erwitte, vom 5.11.98
- – Interview mit Engelbert Sander, Lippstadt, vom 10.11.98
- – Interview mit Dr. Hermann-Wolfram Billhardt, Erwitte, vom 17.11.98
•4.3. Anlagen
- 1.) Fragebogen an Franz Clemens Seibel vom 21.11.98
- 2.) Antwortschreiben von Philipp Seibel vom 30.12.98
- 3.) Aufruf zur Kundgebung am 9.3.75
- 4.) Zeitungsinserat von F.C. Seibel, um neue Arbeiter anzuwerben
- 5.) Auszug aus der Betriebsordnung von S & S; links sollten eigentlich beide Parteien (Betriebsrat und -leitung) unterschreiben
- 6.) Eine exemplarische Solidaritätsbekundung
- 7.) Zweiseitiges Flugblatt von H. Borghoff, auf dem die Namen der „Streikbrecher“ stehen. Auf dieses Flugblatt gab es mehrere Beschwerdebriefe.
- [1] Alle Informationen über das Thema Kalk wurden dem Erwitter Heimatbuch von 1936 (1100 Jahre Erwitte), einer Informationsbroschüre der Fa. Spenner und einem Lexikon entnommen
- [2] Alle Informationen stammen aus der Doktorarbeit von Dirk Spenner und aus der Broschüre „Beton“ vom VdZ
- [3] Alle Informationen wurden der Broschüre „Erwitte“ entnommen, die von der Stadtverwaltung der Stadt Erwitte 1995/96 herausgegeben wurde
- [4] vgl. Schreiben des Arbeitgeberverbandes Nordwestdeutscher Zement- und Kalkwerke e.V. vom 12.3.75
- [5] ebd.
- [6] vgl. einen Brief des Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Zementindustrie e.V. (BDZ) an seine Mitglieder; Köln im Mai 1976
- [7] vgl. Schreiben des Arbeitgeberverbandes……. a.a.O.
- [8] vgl. Göttinger Tageblatt vom 10.04.1975
- [9] vgl. Brief des Präsidenten des BDZ ….ebd.
- [10] vgl. Doktorarbeit von Dirk Spenner S. 126
- [11] Alle Informationen zu diesem Text sind, soweit nicht anders vermerkt, dem Heimatbuch der Stadt Erwitte entnommen
- [12] vgl. Lüüs, Edgar im Heimatkalender des Kreises Soest 1977
- [13] vgl. Doktorarbeit von Dirk Spenner S.169
- [14] vgl. Der Patriot vom 28.2.75
- [15] vgl. Westfälische Rundschau vom 19.6.76
- [16] vgl. Lüüs, Edgar im Heimatkalender des Kreises Soest 1977
- [17] vgl. Anzeiger vom 12./13.04.1975
- [18] vgl. Dipl. Arbeit von Volker Borghoff S.95
- [19] vgl. Patriot vom 08.04.1975
- [20] berechnet aus Anlage zu 5 Sa 718/75 (Urteil des LAG Hamm, verkündet am 14.02.1978)
- [21] vgl. ebd.
- [22] vgl. Dipl. Arbeit von Volker Borghoff S.64
- [23] vgl. Urteil des ArbG Paderborn vom 19.6.87: 1 Ca 1167/76
- [24] vgl. die Stellungnahme von H. Unterhinninghofen (Assessor der IG CPK) zur wirtschaftlichen Lage beim Zementwerk S & S
- [25] vgl. ebd.
- [26] vgl. Dipl. Arbeit von Volker Borghoff S.63
- [27] vgl. die Stellungnahme von H. Unterhinninghofen (Assessor der IG CPK) zur wirtschaftlichen Lage beim Zementwerk S & S; siehe auch unser Interview mit Josef Köchling
- [28] vgl. Urteil des ArbG vom 19.6.87: 1 Ca 1167/76
- [29] vgl. Dipl. Arbeit von Volker Borghoff S.72
- [30] vgl. „Fabrikbesetzung“
- [31] vgl. ebd.
- [32] vgl. ebd.
- [33] vgl. Dipl. Arbeit von Volker Borghoff S.43
- [34] vgl. Urteil des BAG vom 14.07.1981 (1 AZR 278/79)
- [35] vgl. Der Patriot vom 25.2.75
- [36] vgl. Der Patriot vom 26.2.75
- [37] vgl. Dipl. Arbeit von Volker Borghoff S.43
- [38] vgl. Der Patriot vom 3.3.75
- [39] vgl. Der Patriot vom 7.3.75
- [40] vgl. Der Patriot vom 8.3.75
- [41] vgl. Der Patriot vom 10.3.75
- [42] vgl. ebd. vom 11.3.75
- [43] vgl. Der Patriot vom 13.3.75
- [44] vgl. Der Patriot vom 14.3.75
- [45] vgl. Anzeiger – Lippstädter Zeitung vom 15./16.3.75
- [46] vgl. ebd. vom 19.3.75
- [47] vgl. Der Patriot vom 21.3.75
- [48] vgl. Der Patriot vom 25.3.75
- [49] vgl. Anzeiger – Lippstädter Zeitung vom 27.3.75
- [50] vgl. Frankfurter Rundschau vom 29.3.75
- [51] vgl. Anzeiger – Lippstädter Zeitung vom 2.4.75
- [52] vgl. Der Patriot vom 5.4.75
- [53] vgl. Der Patriot vom 11.4.75
- [54] vgl. Neue Westfälische Zeitung vom 12.4.75
- [55] vgl. Der Patriot vom 12.4.75
- [56] vgl. Anzeiger – Lippstädter Zeitung vom 19.4.75
- [57] vgl. Dipl. Arbeit von Volker Borghoff
- [58] vgl. Anzeiger – Lippstädter Zeitung vom 24.4.75
- [59] vgl. Die Glocke vom 29.4.75
- [60] vgl. Dipl. Arbeit von Volker Borghoff
- [61] vgl. Frankfurter Rundschau vom 3.5.75
- [62] vgl. Dipl. Arbeit von Volker Borghoff
- [63] vgl. „Fabrikbesetzung“
- [64] vgl. Anzeiger – Lippstädter Zeitung vom 10./11.5.75
- [65] vgl. Der Patriot vom 15.5.75
- [66] vgl. Neue Westfälische Zeitung vom 23.5.75
- [67] vgl. Der Patriot vom 28.5.75
- [68] vgl. Westfälische Rundschau vom 29.5.75
- [69] vgl. Hannoversche Allgemeine vom 29.5.75
- [70] vgl. Anzeiger – Lippstädter Zeitung vom 29./30.5.75
- [71] vgl. Anzeiger – Lippstädter Zeitung vom 31.5./1.6.75
- [72] vgl. Anzeiger – Lippstädter Zeitung / Der Patriot vom 4.6.
- [73] vgl. Süddeutsche Zeitung vom 7.6.75
- [74] vgl. Der Patriot vom 12.6.75
- [75] vgl. Gewerkschaftspost Juli 1975 Nr.7
- [76] vgl. Dipl. Arbeit von Volker Borghoff
- [77] vgl. Der Patriot vom 17./18.6.75
- [78] vgl. Westfälische Rundschau vom 19.6.75
- [79] vgl. Dipl. Arbeit von Volker Borghoff
- [80] vgl. Dipl. Arbeit von Volker Borghoff
- [81] vgl. Westfälische Rundschau vom 3.7.75
- [82] vgl. Die Glocke vom 8.7.75
- [83] vgl. Der Patriot vom 17.7.75
- [84] vgl. ebd.
- [85] vgl. Kölner Stadtanzeiger vom 29.7.75
- [86] vgl. Der Patriot vom 31.7.75
- [87] vgl. Der Patriot vom 1.8.75
- [88] vgl. Soester Kreisblatt vom 22.8.75
- [89] vgl. Dipl. Arbeit von Volker Borghoff
- [90] vgl. Der Patriot vom 18.9.75
- [91] vgl. Der Patriot vom 9.10.75
- [92] vgl. Der Patriot vom 13.10.75
- [93] vgl. Der Patriot vom 29.10.75
- [94] vgl. Dipl. Arbeit von Volker Borghoff
- [95] vgl. Der Patriot vom 9.12.75
- [96] vgl. Handelsblatt vom 12./13.3.76
- [97] vgl. Urteil des ArbG Paderborn vom 19.6.87: 1Ca 1167/76
- [98] vgl. Welt der Arbeit vom 12.3.76
- [99] vgl. Anzeiger – Lippstädter Zeitung vom 17.2.76
- [100] Heinz Oskar Vetter war von 1969-82 Vorsitzender des DGB und von 1974-79 Präsident des Europäischen Gewerkschaftsbundes. Außerdem war er von 1979-89 Mitglied des Europaparlaments.( vgl. Meyers großes Taschenlexikon in 24 Bänden 1995; Band 23 S.174)
- [101] vgl. ebd. vom 11.3.76
- [102] vgl. Westfalenpost vom 12.3.76
- [103] vgl. Frankfurter Rundschau vom 12.3.76
- [104] vgl. Der Patriot vom 9.4.76
- [105] vgl. Westfälisches Volksblatt vom 15.4.76
- [106] vgl. Anzeiger – Lippstädter Zeitung Osterausgabe 1976
- [107] vgl. Der Patriot vom 20.4.76
- [108] vgl. Urteil des ArbG Paderborn vom 19.6.87: 1 Ca 1167/76
- [109] vgl. Anzeiger – Lippstädter Zeitung vom 20.5.76
- [110] vgl.Brief des Vorsitzenden des VDZ an seine Mitglieder mit einer „Teilnehmerliste“ der anwesenden Werke
- [111] vgl. Anzeiger – Lippstädter Zeitung vom 2.6.76
- [112] vgl. Gewerkschaftspost Nr.10 – Okt.1976
- [113] vgl. Westfälische Rundschau vom 21.9.76
- [114] vgl. Urteil des ArbG vom 19.6.87: 1 Ca 1167/76
- [115] ebd.
- [116] vgl. Der Patriot vom 11.10.76
- [117] vgl. Urteil des ArbG vom 19.6.87: 1 Ca 1167/76
- [118] vgl. Gewerkschaftspost Nr.4 – April 1976
- [119] vgl. Anzeiger-Lippstädter Zeitung vom 13.3.78
- [120] vgl. „Ehefrauen der Zementwerker in Erwitte berichten“, von der Frauengruppe Erwitte
- [121] vgl. Streikstimme Nr. 1
- [122] vgl. Solidaritätsstimme Nr.4 – Juni 1975
- [123] alle Informationen über die Streikleitung sind der Dipl. Arbeit von Volker Borghoff entnommen (S.74)
- [124] siehe unser Gespräch mit Herrn Köchling
- [125] vgl. Anzeiger – Lippstädter Zeitung vom 30.12.76
- [126] Dies teilte er uns bei einem kurzen Gespräch am 8.1.99 im ArbG Paderborn mit
- [127] so wörtlich im Urteil des BAG vom 14.2.78 (1 AZR 276/76)
- [128] alle Informationen entnahmen wir dem Urteil des ArbG Paderborn vom 19.6.87: 1 Ca 1167/76
- [129] vgl. Dipl. Arbeit von Volker Borghoff S.78
- [130] vgl. Dipl. Arbeit von Volker Borghoff S.89
- [131] vgl. „Ehefrauen der Zementwerker in Erwitte berichten“ S.1, von der Frauengruppe Erwitte
- [132] vgl. Dipl. Arbeit v. Volker Borghoff S.90
- [133] vgl. Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 10.1.76
- [134] Zitat wurde dem Anzeiger – Lippstädter Zeitung vom 16.4.75 entnommen
- [135] vgl. Göttinger Tageblatt vom 10.4.75