I. Zur Geschichte der Caritas-Konferenz 1974 bis 2002 – Begegnen und Helfen –
[Dieser Beitrag von Renate Schäfers ist der Jubiläumsfestschrift der katholischen Kirchengemeinde Bad Westernkotten aus dem Jahre 2002 entnommen.]
Hinaus
Ich öffne alle Türen
Die Welt flutet herein
flutet mit mir hinaus zu blühenden Bäumen
leidenden Brüdern
Rose Ausländer
„Türen“ öffnen, Begegnung ermöglichen, Hinausgehen zu den Mitmenschen, Freude bringen, Not entdecken, Leid mittragen – so kann, den Worten der Dichterin Rose Ausländer folgend, Caritasarbeit umschrieben werden.
Wichtige Momente der Caritasarbeit sind hiermit benannt, doch es fehlt die wesentliche Dimension – die Rückbindung an Gott, an die Kirche. Die Caritas, Zeugnis der geschwisterlichen Kirche, ist verwurzelt in der lebendigen Pfarrgemeinde, denn sie gehört neben der Glaubensverkündigung und der Liturgie zu den drei Säulen christlichen Lebens und Handelns.
Bischof Karl Lehmann formuliert die Sendung zur Caritas im Raum der Gemeinde so, „der Dienst (…) auf Gemeindeebene, der sich nicht zuletzt durch den Besuch in den Häusern und bei den Kranken vollzieht, zeigt eine ganz wesentliche missionarische Dimension heutiger Pastoral.“ 1) An anderer Stelle heißt es: „Die werbende Kraft der Liebe (…) ist von besonderer Bedeutung. Sie fragt nicht zuerst nach dem Glauben des Adressaten. Sie hilft, wo Not ist. Sie hilft absichtslos.“ 2)
Das Wesen der Caritas wird deutlich, wenn die Wurzeln und die Geschichte bedacht werden.
„In der 2000-jährigen Geschichte der Kirche haben Christen auf vielfältige Weise die Menschenfreundlichkeit Gottes erfahrbar gemacht,“ heißt es in den Leitgedanken der Caritas-Konferenzen Deutschlands. 3)
Zwei große Gestalten aus unterschiedlichen Zeiten mit der Motivation zum Helfen seien angeführt: Elisabeth von Thüringen, die „Heilige der Nächstenliebe“, (1207 -1231), sie gibt „Zeugnis von der Nachfolge Jesu;“ und der französische Priester Vinzenz von Paul, (1581 – 1660), er gründet 1617 die erste Frauenkonferenz und gibt der tätigen Nächstenliebe eine organisierte Form, die er „Charité“ nennt, damit formuliert er das Programm: „Die tätige Liebe zum Not leidenden Menschen.“
Im 19. Jahrhundert vollzieht sich durch die industrielle Entwicklung eine tiefgreifende Veränderung der Gesellschaft. Es entsteht die Industriegesellschaft, die vor allem in den Städten geprägt ist durch die Verelendung vieler Lohnarbeiter, die z.T. vom Land in die Städte gekommen sind. Staatliche Sozialpolitik und caritative Organisationen versuchen die „Soziale Frage“ zu entschärfen. So wird in Deutschland um 1840 die erste Gruppe im sozialen Ehrenamt tätiger Frauen in Trier gegründet. In vielen deutschen Städten und Gemeinden entstehen in der Folgezeit ähnliche Gruppen. Nach dem ersten Weltkrieg (1914- 1918) werden die ersten Diözesanverbände gegründet, diese schließen sich 1931 auf nationaler Ebene zusammen, seit 1950 heißen sie „Elisabeth-Konferenzen Deutschlands,“ 1971 werden sie umbenannt in „Caritas-Konferenzen Deutschlands,“ im selben Jahr haben die Caritas-Konferenzen Deutschlands zusammen mit neunzehn anderen nationalen Verbänden die „Association Internationale des Charités (AIC)“ neu konstituiert.
Bundesweit engagieren sich im Jahr 2000 rund 80.000 Ehrenamtliche – zu 96% Frauen – im Verband der Caritas-Konferenzen Deutschlands (CKD). (In vielen Gemeinden bestehen Vinzenz-Vereine, die von Männern getragen werden.) Mit 20.000 Mitgliedern ist der Paderborner CDK-Diözesanverband der größte in Deutschland. 4)
Eingebunden in diese große Gemeinschaft und mitgetragen von ihr, fühlt sich die kleine Caritas-Konferenz unserer Pfarrei St. Johannes Evangelist; diese Gruppe steht in der Tradition caritativer Tätigkeit in unserem Ort; denn die Anliegen der Caritas – die Aufgaben sind geblieben, geändert haben sich die Bedingungen – werden von unterschiedlichen Gruppen im 20. Jahrhundert übernommen.
Auskunft geben schriftliche Quellen, und zwar für den Beginn der Tätigkeit das Pfarrarchiv in Form von Einzelschriftstücken und eines Protokollbuches für die Jahre 1923 – 1936.
Eindeutig dokumentiert ist die Notwendigkeit, Hilfe im Sinne der Caritas für die Gemeinde zu erhalten, durch die Bemühungen des Pfarrers Franz Bokel aus Westernkotten, eine Niederlassung von Ordensschwestern zu erbitten, die im Seelsorgerischen und im Sozialen tätig werden sollen. Das besagt ein Brief, den Pfarrer Bokel im April 1914 an die Königl. Regierung in Arnsberg sendet. 5)
Wegen des auch damals herrschenden Schwesternmangels kann der Orden der Armen Dienstmägde Christi in Dernbach die Bitte Pfarrer Bokels nicht sofort erfüllen; erst im Jahre 1921 kommen die ersten Schwestern nach Westernkotten.
Der segensreiche Dienst der Ordensfrauen, 1962 verlassen die letzten Schwestern Westernkotten, ist anschaulich ausgeführt in dem Artikel „Das Elisabethheim – Eine Stätte caritativen Dienstes“ in dieser Festschrift.
Anhand einiger Dokumente aus den zwanziger und dreißiger Jahren, die im Pfarrarchiv erhalten sind, soll exemplarisch die Tätigkeit des seit 1923 in der Pfarrei bestehenden Caritasausschusses beleuchtet werden.
Aus einem „Fragebogen für Caritasausschüsse in kleinen Städten und Landgemeinden,“ dem ältesten vorhandenen Dokument, geht hervor, dass die acht Mitglieder des Ausschusses, der nach Bedarf tagt, sich aus dem Ortspfarrer und je einem Vertreter der Kirchen und der weltlichen Vereine zusammensetzt; die Ordensschwestern werden als „hauptamtliche Kräfte“ geführt. Als „Finanzierungsquelle des Pfarrcaritasausschusses“ werden „Haussammlungen, Kirchenkollekten und Gaben in Naturalien“ genannt. Tätigkeitsfelder sind „Kindererholungsfürsorge und Vermittlung öffentlicher Unterstützung,“ diese Unterstützung wird gewährt durch Lebensmittel, Kleidungsstücke und Geldmittel; bezüglich der „Kranken- und Familienpflege“ heißt es, dass die Ordensschwestern des Elisabethheimes dieses besorgen. „Auf Wunsch der Schwester Oberin sind die Ordensschwestern nicht im Caritas-Ausschuß vertreten.“6) Eine Begründung ist nicht angeführt.
Bemerkenswert ist ein Brief aus dem Jahre 1925 an den Ortspfarrer von Westernkotten; der Brief besagt, dass die Pfarrämter des Kreises Lippstadt sich verpflichtet haben, das Caritassekretariat zu Lippstadt durch einen jährlichen Beitrag zu unterstützen. Dieser wird auf „M.3.00 (3 Mark) je 100 Seelen“ bemessen, für die Pfarrei Westernkotten sind das „bei einer Seelenzahl von 1300 – 39,- M. (39 Mark).“
Wie die Gemeinde und der „Caritas-Ausschuß“ zum Wohle der Gemeindemitglieder zusammenarbeiten, zeigt ein vom 29. September 1925 datierter Brief des Gemeindevorstehers zu Westernkotten an den „Caritas-Ausschuss;“ Der Ortsvorsteher macht aufmerksam auf die „bedrängte Lage“ einer Familie und auf die geringe Rente einer Witwe mit fünf Kindern; Vertraulichkeit wird erwartet bei der Hilfeleistung.
Auch damals versucht man, sich Geldquellen zu erschließen durch den Verkauf von „Wohlfahrts-Briefmarken“ und eine „Sammlung von Haus zu Haus“, das ist ersichtlich aus einem Brief des Caritasverbandes für das Bistum Paderborn vom 9.12.1926.
Ein anderes Dokument (Dezember 1931) führt die Ergebnisse von Sammlungen im Winter 1931 an; besonders Naturalien (Kartoffeln, Brotkorn, Hülsenfrüchte, Fleisch und Eier) werden gesammelt, zudem Wäsche, Kleider und Bargeld; fast die Hälfte des Gesammelten geht nach auswärts, z.B. an das Kathol. Waisenhaus in Lippstadt.
Ein auffallendes Dokument in dieser Sammlung ist der sogenannte „Betriebs-Fragebogen“ vom 1. Februar 1937 der „Deutschen Arbeitsfront – Reichsbetriebsgemeinschaft Freie Berufe.“ Diese „Deutsche Arbeitsfront“ hat – wie ein Begleitschreiben des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn vom 28. Januar 1937 aussagt – innerhalb der „Reichsbetriebsgemeinschaft Freie Berufe“ eine Fachgruppe Freie Wohlfahrtspflege gebildet, die die Betriebe der katholischen Wohlfahrtspflege umfasst. Dieses Begleitschreiben des Caritasverbandes gibt Stütze zur Beantwortung des Fragebogens. Einige Fragen, die den Nationalsozialismus in Geist und Sprache deutlich machen, und die Antworten seien angeführt:
“ 1. Name des Betriebes: St.-Elisabethheim
3. Zu welchem Zusammenschluss gehörig: Deutscher Caritasverband.
4. Betriebstätigkeit: Ambulante Krankenpflege, Kindergarten, Nähschule.
6. Name und Wohnung des Betriebsführers: Pfarrer Schreckenberg
7. Name des stellvertr. Betriebsführers: Schwester Oberin
9. Höchstzahl der Gefolgschaft: 6″
Unterzeichnet ist der Fragebogen von Pfarrer Schreckenberg und Schwester Rolandis,
Oberin, Westernkotten, den 1. Februar 1937.
Damit es nicht zu Schwierigkeiten kommt und die Arbeit der Schwestern ungestört weitergehen kann, wird in der Begleitschrift des Caritasverbandes zu knappem, richtigem Ausfüllen des Fragebogens geraten.
Für die folgenden Jahre sind nur wenige Schriftstücke in dieser Loseblattsammlung vorhanden: Kurzberichte über die Caritasarbeit in der Pfarrei Westernkotten für die Jahre 1937 und 1938 geben als Caritaskräfte fünf Schwestern an, zudem ist die Unterstützungsfürsorge für Familien vor allem durch Lebensmittelgaben genannt.
Neben den angeführten Einzeldokumenten des Pfarrarchivs ist dort ein Protokollbuch für die Jahre 1923 – 1936 mit dem Titel „Caritas-Ausschuss zu Westernkotten“ erhalten, Einnahmen und Ausgaben sind ab 1923 festgehalten.7)
Das 1. Protokoll, 16.12.1923, beziffert die Abgabe für den Caritasverband auf 32 Billionen (Inflation!) als 2/5 der Kirchenkollekte. Fünf Namen, die „sämtlichen Mitglieder“ der Caritasausschusssitzung, sind angeführt. unter ihnen Pfarrer Ronnewinkel.
Die soziale Lage einiger Bewohner des Ortes ist ablesbar an folgenden Aufzeichnungen: Gutscheine für Brot und Bargeld werden verteilt; eine Spende von 9 Zentnern Kartoffeln zur „Verteilung an Bedürftige“, gegeben vom „Landwirtschaftlichen Lokalverein zu Westernkotten,“ wird mit Datum vom 17.12.1923 angeführt.
Auch von anderer Seite wird das Bemühen des Caritasausschusses gestützt, z.B. durch eine Sammlung des Kathol. Müttervereins, vor allem Naturalien (Mehl, Wurst, ein Ei oder zwei Eier) sind angeführt, 9.1.1924. Anlässlich des Schützenfestes, 21.7.1924, ist eine Geldspende von 45,30 Mark angegeben, und zur gleichen Zeit werden Naturalien und Bargeld bei einer Hochzeit gespendet als Gabe für Bedürftige.
Am Beispiel einer Büchsensammlung, durchgeführt durch die Jungfrauen am 27.3.1927, werden die Verpflichtungen für Paderborn, die „hiesigen Ordensschwestern“, den Caritasverband Lippstadt, die Rechnungen der Geschäftsinhaber für Geliefertes genau aufgelistet. Stichpunktartig halten die Sitzungsprotokolle aus den Jahren 1925 – 1936 die Zuwendungen an bedürftige Familien fest; die kleinen Geldbeträge und Sachspenden machen deutlich, wie viel Not in einigen Familien des Ortes herrscht; einige Beispiele seien angeführt: „… 2 Hemden bewilligt… – …pro Woche 1 Brot… – …für das Schulkind…wird für die Wintermonate per Tag 1 Tasse Milch mit Semmel bewilligt…“, als „Weihnachtsunterstützungen“ werden gegeben 5,00 Mark an einige Familien; zur Unterstützung von Erstkommunikanten werden 7 Paar Schuhe angeführt. (Protokoll vom 9.3.1926)
Aus diesen Einzelangaben ist zu ersehen, dass in diesen Jahren auch in unserem Ort erhebliche Not eine Reihe von Familien bedrückt und die Mitglieder des Caritasausschusses bemüht sind, etwas Hilfe zu leisten.
Trotz dieser Situation ist man bestrebt, über den Tellerrand hinauszusehen, besonders wenn es darum geht, Kindern zu helfen. Seit dem 1. Weltkrieg ist die ländliche Bevölkerung aufgerufen, „Kinder aus der städtischen und Industriebevölkerung“ aufzunehmen. Der Ortspfarrer Ronnewinkel ist jeweils Ansprechpartner für die weltlichen und kirchlichen Stellen. Listen, die im Pfarrarchiv erhalten sind, zeigen, dass eine Reihe von Familien seit 1916 Kinder aufgenommen haben.
Auf Dokumente aus den Jahren 1921 sei besonders verwiesen:
In dem Brief vom 18.4.1921 des Amtmanns von Erwitte an Pfarrer Ronnewinkel zwecks Unterbringung von Kindern „der städtischen und Industriebevölkerung“ ist zu lesen, „(…) die noch immer sehr schwierige Ernährungslage in den Industriezentren und die dadurch hervorgerufene Unterernährung von Tausenden von Kindern erfordern auch in diesem Jahre wieder eine ganz besonders rege Tätigkeit, umso mehr, da das Interesse der Landbevölkerung geschwunden ist. Ich bitte daher nach Kräften das Liebeswerk zu fördern, insbesondere durch Aufklärung der Bevölkerung von der Kanzel aus.“ 8)
Wie sehr überzeugende Worte zur Hilfe bewegen können, zeigt die spontane Bereitschaft von 21 Westernkötter Familien, Kinder aufzunehmen, nachdem ein Dortmunder Kaplan am Himmelfahrtsfeste 1921 in der Kirche gesprochen hat.
In der Pfingst-Nummer der Zeitung „Der Patriot“, Westernkotten, 10.Mai 1921, ist unter dem Titel „Karitastat“ zu lesen:
„Ein praktisches Beispiel, wie dem Reden die Taten folgen können, wenn die Worte in empfängliche Herzen fallen, gab vor kurzem unsere Pfarrgemeinde. Am Himmelfahrtsfeste sprach auf Einladung des Ortspfarrers ein Kaplan aus der Liebfrauenpfarrei in Dortmund über die ungeheure Not der Stadtkinder, und zwar mit solcher Wärme und Überzeugungskraft, daß noch am nämlichen Tage 21 Familien, darunter auch eine Reihe schlichter Leute aus dem Arbeiterstande und kleiner Beamter sich zur Aufnahme eines Stadtkindes bereit erklärten. Wenn in allen ländlichen Bezirken unseres Kreises eine gleiche „Karitaswilligkeit“ herrschte, wäre es ein Leichtes, Hunderten von Not leidenden Kindern für einige Zeit Erholung und bessere Verpflegung zuteil werden zu lassen.
Darum: Vivant sequentes!“
Dass nachfolgenden Familien dieses Tun ein Ansporn gewesen sein mag, ist zwei Briefen des Caritasverbandes für das Bistum Paderborn an den Herrn Pastor zu entnehmen. Aus dem ersten Brief (17.7.1930) geht hervor, dass Kinder aus Ost-Oberschlesien in der Gemeinde untergebracht sind, im zweiten Brief (9.8.1930) ist eine Pflegefamilie benannt, die ein Kind aus Polen aufgenommen hat.
Diese Beispiele zeigen, die Bereitschaft vieler Familien unseres Ortes zu helfen, zudem wird deutlich, dass der Einfluss der Geistlichkeit ausschlaggebend gewesen sein mag.
In den Jahren 1940 – 1950 ist die caritative Arbeit in Westernkotten ganz von den Dernbacher Schwestern übernommen worden. Die segensreiche Tätigkeit der Ordensfrauen in dieser Kriegs- und Nachkriegszeit wird in der mündlichen Überlieferung älterer Bewohner von Westernkotten wach gehalten.
Für die fünfziger und sechziger Jahre finden sich keine Unterlagen; sicherlich ist im Ort in echter caritativer Gesinnung, z. T. mit den Ordensschwestern, nicht nur in Form von Nachbarschaftshilfe Not gelindert worden.
Dann ist Caritasarbeit von der Frauengemeinschaft mitübernommen worden.9)
Dass Sorge getragen wird für die älteren Gemeindemitglieder zeigen Briefe aus den Jahren 1970 – 1972, die an den Caritasverband – Geschäftsstelle Lippstadt – gerichtet sind und angemessene Beträge aus Kreismitteln erbitten für Aktivitäten der Pfarrcaritas in der „Altenbetreuung,“ unterzeichnet ist die Korrespondenz, die Fahrten, Altentage und kleine Aufmerksamkeiten bei Hausbesuchen, besonders zu Weihnachten anführen, von Pfarrer Norbert Gersmann. 10)
Außerdem liegt für die Jahre 1973 und 1975 ein Briefwechsel mit dem Caritasverband Paderborn vor; es geht um Erholungs- und Kurmaßnahmen für ältere Menschen ab 65 Jahren im Haus Fredegras (1973) und für die Pension Wieners (1975).
„Um den wachsenden sozialen Aufgaben besser gerecht werden zu können, regte dann Maria Richter – Vorsitzende der kfd – die Bildung einer eigenen Caritaskonferenz an, die dann am 2.12.1974 im Beisein der zuständigen Dekanatsleiterin Maria Voss aus Lippstadt gegründet wurde. Erste Vorsitzende war Marlies Podgacki,“ so heißt es im Heimatbuch.11)
Drei Jahre lang hat die Gründungsvorsitzende Marlies Podgacki die Caritas-Konferenz geleitet; die im Pfarrarchiv vorhandenen Tätigkeitsberichte weisen rege Aktivität vor allem im Bereich der „Altenbetreuung“ auf. Die Zusammenarbeit mit der Frauengemeinschaft, dem Pfarrgemeinderat und mit der evangelischen Kirchengemeinde ist erwähnenswert, zudem wird Jugenderholung durchgeführt; Jugendfreizeiten auf Borkum und in Altena sind benannt.12)
Die Caritas-Konferenz wird nach dem Ausscheiden von Marlies Podgacki als 1. Vorsitzende (Okt. 1977) zunächst von Hildegard Günnewig als 1. und Christel Friedrich als 2. Vorsitzende weitergeführt; Ende 1979 werden Christel Friedrich 1. Vorsitzende, Anita Schröer 2. Vorsitzende, Renate Aschendorf Schriftführerin und Mechthild Vollmer Kassiererin. Zielgruppe der Arbeit bleiben weiterhin die alten Menschen.
Seit 1982 ruht dann offiziell die Arbeit der Caritaskonferenz. Zu Beginn des Jahres 1984 bildet sich eine neue Caritasgruppe. In Beisein der Dekanatsleiterin Maria Voss findet am 13.2.1984 die konstituierende Sitzung mit der Wahl des Vorstandes statt; erste Vorsitzende wird Emmy Mönnig, Margret Kebekus 2. Vorsitzende und Kassiererin, Schriftführerin wird Hildegard Petter. Pfarrer Gersmann ist Geistlicher Berater. 1987 werden Emmy Mönnig und Margret Kebekus durch Wiederwahl bestätigt, Elisabeth Ludwigt wird Geschäftsführerin; 1990 erfolgt die Wiederwahl von Emmy Mönnig, Edeltraud Mischnick wird 2. Vorsitzende.
Ein Tätigkeitsbericht der Jahre 1984/85 zeigt, mit welchem Elan und Bemühen die Arbeit aufgenommen wird. Im Verlauf des ersten Jahres werden 19 Helferinnen gewonnen. Hausbesuche zur Kontaktaufnahme und zur Werbung von Mitgliedern, eine Karnevalsfeier, ein Seniorenausflug, eine Weihnachtsfeier bestimmen die äußeren Höhepunkte des 1. Jahres; Haussammlungen und Krankenbesuche im Erwitter Krankenhaus und bei Hauskranken werden durchgeführt.
Im Jahre 1985 wird die Arbeit erweitert durch Kontakte zu den Altenheimen; auf ökumenischer Ebene finden in beiden Häusern vorweihnachtliche Feiern statt. Weiter kommen in dem Jahr Besuche in den beiden Lippstädter Krankenhäusern hinzu; die Tradition, älteren Pfarrgemeindemitgliedern zum Geburtstag zu gratulieren, wird weitergeführt. Diese äußeren Eckpunkte – zusammen mit regelmäßigen Konferenzen –
bestimmen seitdem die Caritasarbeit in unserer Gemeinde. Die stille Hilfe – besonders in Notfällen – die vor allem die Arbeit so sinngebend macht, ist nicht dokumentierbar. Dieses Tun ist fast ein Ballanceakt zwischen Nähe und Distanz und erfordert viel Sensibilität.
Ebenfalls im Jahre 1985 wird durch die Anerkennung der neuen Satzung die Caritaskonferenz unserer Pfarrgemeinde aufgenommen in den Diözesanverband der Caritaskonferenzen des Erzbistums Paderborn und in den Verband der Caritaskonferenzen Deutschlands. Die Präambel regt an zu „solidarischer Hilfe in der Gemeinde“ und zu dem Bemühen, bei „gewandelter Not (…) neue Inhalte und Formen des Dienstes zu entwickeln.“ Das ist Richtschnur für die Caritasarbeit.
Nach vierzehn Jahren Vorstandsarbeit wird Emmy Mönnig am 11.8.1997 verabschiedet,
zudem wird ihr großes soziales Engagement – mit besonderem Schwerpunkt in der Alten- und Krankenbetreuung – am 4.1.1998 beim Neujahrsempfang in Erwitte durch Bürgermeister Fahle gewürdigt.
Durch Neuwahl wird am 11.8.1997 Ursula Hülsböhmer 1. Vorsitzende, Edeltraud Mischnick bleibt 2. Vorsitzende, Marlies Deimel wird Kassiererin, seit Januar 1998 ist Renate Schäfers Schriftführerin. In dieser Konstellation wird die Arbeit – zusammen mit 15 Helferinnen – erbracht. Bei all unserem Bemühen bedürfen wir sehr der Ermutigung, die wir vor allem von unserem Präses Pfarrer Heinz Müller erfahren.
Hauptanliegen ist weiterhin, die Beziehung zu alten und kranken Menschen zu pflegen, dem alten Menschen das Gefühl zu vermitteln, dass er Subjekt des Handelns bleibt und sein Leben selbst gestaltet und durch die Aktivitäten der Caritas sinnvolle Anregungen bekommen kann.
Einige Vorhaben unserer heutigen Tätigkeit sollen angeführt werden – ein Faltblatt gibt Auskunft über die Angebote des jeweiligen Jahres; zum einen sind wieder die Fahrten für die älteren Menschen zu nennen, die Fahrten weiten die Welt, denn die Welt wird mit zunehmendem Alter kleiner, sie lassen zudem Gemeinschaft erfahren, das ist auch die Intention der Feste, die gefeiert werden, z.B. das Frühlingsfest und das adventliche Beisammensein. Außerdem werden in jedem Jahr die Kranken und die älteren Gemeindemitglieder von Pfarrer Heinz Müller und der Caritas-Konferenz – in Zusammenarbeit mit der Caritas-Sozialstation in Erwitte – zum Krankentag eingeladen.
Höhepunkt des Nachmittags sind nach gemeinsamem Kaffeetrinken der Gottesdienst und die Spendung der Krankensalbung, die Mut machen und Kraft für den Alltag schenken soll.
Seit Herbst 1999 lädt die Caritas-Konferenz alle zwei Monate zum „Morgen der Begegnung“ ein. Ein Gottesdienst mit Pfarrer Müller und das anschließende Frühstück lassen Gemeinschaft erleben. Danach folgen jeweils unterschiedliche Angebote, die ein Mittun ermöglichen und ein wenig aus der Isolation herausführen.
Die Bedeutung des Miteinanderseins und des Gesprächs ist in dem kurzen Text eines unbekannten Inders formuliert:
„Wichtig im Leben
ist die Begegnung.
Wir sehen einander in die Augen;
wir tauschen unsere Erfahrungen aus.
Das ist für mich
von größter Bedeutung.
Der Sinn des eigenen Lebens
wird mir klarer,
wenn ich dem Leben
anderer Menschen begegne.
In solchem Begegnen liegt
unfaßliche Freude:
In ihm bricht
das Ewige herein.“
Diese Worte mögen die Zusammenkünfte begleiten.
Ganz viel Freude bringt die Tanz und Gymnastikgruppe, die von Julius Aust gegründet ist und sich reger Beteiligung erfreut. Bewegung bei Musik wird durch die engagierte Leitung von Margret Poschadel, die seit 1990 die Gruppe leitet, zu einem Erlebnis. Die Freude wird weitergegeben durch Auftritte bei Festen der Caritas-Konferenz.
Etwas Mitarbeit wird auch im Pastoralen geleistet durch die Vorbereitung von Andachten im Laufe des Kirchenjahres und auch durch die Begleitung bei Beerdigungen von Verstorbenen, die nur wenige Angehörige haben; die Mitarbeiterinnen der Caritas-Konferenz schließen sich denen des Rafaelvereins an, der im November 1997 auf Anregung von Pfarrer Müller gegründet wird.
Nicht unerwähnt darf bleiben die gute Zusammenarbeit mit den Hauptamtlichen, den Schwestern der Caritas-Sozialstation in Erwitte, besonders Schwester Ursula Hecker, die Leiterin, ist uns eine große Stütze.
Wenn auch die Arbeit der Caritas-Konferenz hauptsächlich gemeindeorientiert ist und die Nöte im eigenen Umfeld vorrangig sind, so gehört zu einer caritativen Grundhaltung der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus. Anlass bietet sich besonders bei Katastrophen weltweit. Finanzielle Unterstützung kann geleistet werden – auch in diesen Fällen – durch Sammlungen zweimal im Jahr; hierbei geht es nicht nur um das Bitten um Spenden, sondern auch um die Kontaktpflege mit den Bewohnern der Bezirke jeder einzelnen Mitarbeiterin.
Insgesamt ist die Arbeit in der Caritasgruppe sinnstiftend und erfüllend für die Mitarbeiterinnen. Enttäuschungen sind zwar nicht ausgeschlossen, aber positive Erfahrungen überwiegen. Die eigene Sicht der Dinge ändert sich durch den Kontakt mit Menschen, deren Lebenswelt bisher unbekannt war.
„Begegnen und Helfen“ – der Titel der Zeitschrift für ehrenamtliche Caritasarbeit – ist Motto der Caritasarbeit; denn die persönliche Hinwendung von Mensch zu Mensch ist das kostbarste Geschenk, das man geben kann.
Zum Schluss sei ein Blick in die Zukunft gewagt. In unserer sich ständig ändernden Welt wird sich auch die Arbeit in den Caritas-Konferenzen ändern. Vieles des Bewährten wird bleiben, aber es müssen auch neue und zeitgemäße Formen der Hilfe entwickelt werden. Wenngleich „Soziales Engagement und viel Phantasie“ (Hellmut Puschmann) ganz wichtig sind, so sind „Sachverstand und inhaltliche Kompetenz“ (Klaus Hemmerle) notwendig, und darum bedarf es der Weiterbildung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die ehrenamtlich tätig sind; zudem sind die Formen der Mitarbeit zu überdenken. Der Diözesan-Pastoralrat ist sich dessen bewusst, es heißt in einer Vorlage des Pastoralrates mit dem Titel „Ehrenamt – heute Gemeinde von morgen gestalten,“ häufig ist der Wunsch “ nach einer zeitlich begrenzten, projektbezogenen ehrenamtlichen Tätigkeit.“13) Das ist für unsere Arbeit zu bedenken.
Ein weiterer Aspekt ist die Rolle der örtlichen Caritas-Konferenzen im kommenden Pfarrverbund. Eigenständigkeit ist wegen der notwendigen Ortsnähe und der sich gegenseitig stützenden Mitarbeiter in kleinen Gruppen notwendig; Kontaktpflege und Zusammenarbeit mit anderen Caritas-Konferenzen des Pfarrverbundes sind sicherlich wünschenswert und befruchtend.
Wenn wir – die Mitarbeiterinnen unserer Caritas-Konferenz – einen kleinen Beitrag leisten können zur Zielsetzung der Caritas, die Prälat Hellmut Puschmann, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, beim ersten Paderborner Caritas-Kongress im Dezember 2000 so formuliert hat: „Durch die Caritas ist die Kirche in einer säkularen Gesellschaft präsent,“ 14) dann ist unser Tun sinnvoll und sinnstiftend.
Angesichts der Gewissheit, dass wir Menschen allein nichts vermögen, dass wir vielmehr der Hilfe Gottes bedürfen und der Gemeinschaft der Mitmenschen, sollen abschließend Worte des Psalmisten stehen, in denen sich visionär auch unser Anliegen verdichtet:
„Aber eines brauche ich, und darum bitte ich den Herrn:
eine Handvoll Menschen, die meine Sicht teilen,
eine Handvoll Menschen, die immer wieder zusammenkommen,
versammelt sind in deinem Namen
und erfahren, dass du, Gott, mitten unter uns bist.
Nur so werden wir der Versuchung zur Resignation widerstehen,
nur so werden wir das Unmögliche möglich machen:
Friede und Gerechtigkeit (…).“
(Psalm 27, Ausschnitt, freie Nachdichtung eines unbekannten Verfassers)
1) Lehmann, Karl, Die Sendung zur Caritas im Raum der Gemeinde, Referat beim Vertretertag der Caritas-Konferenzen Deutschlands am 4.5.1988 in Essen, S.1
2) Lehmann a.a.O., S. 10
3) CKD-Leitgedanken, Beschlussvorlage zum Vertretertag 2000 in Paderborn, S. 6
4) Der Dom, Kirchenzeitung für das Erzbistum Paderborn, 28.5.2000
5) Pfarrarchiv, Brief von April 1914
6) Pfarrarchiv F1, Caritasausschuß Bad Westernkotten, Unterlagen aus den Jahren 1923 – 1936
7) Pfarrarchiv, Protokollbuch für die Jahre 1923 – 1936, „Caritas-Ausschuß zu Westernkotten
8) Pfarrarchiv, Seelsorge 6, Pflegekinder (Landverschickung)
9) Heimatbuch Bad Westernkotten, Altes Sälzerdorf am Hellweg, Lippstadt 1987, S. 439
10) Pfarrarchiv, F2
11) Heimatbuch, a.a.O, S. 440
12) Pfarrarchiv, Caritas AR, F1
13) Lippstadt am Sonntag, 8.10.2000
14) Puschmann, Hellmut, in: Der Dom, Kirchenzeitung für das Erzbistum Paderborn, 10.12.2000
II. Fotos