Von Wolfgang Marcus
Im Jahr 1983 erschien das Buch „Anröchte – Geschichte seiner Ortschaften von den Anfängen bis um 1800“. Verfasst wurde es von Dr. Helmut Müller unter Mitarbeit von Dr. Knackstedt vom Staatsarchiv in Münster. Hier ein Bild der Umschlagseite. Es zeigt Reste der historischen Wehrmauer am Bürgerhausplatz in Anröchte:

In dem Buch findet sich ein spannender Aufsatz mit dem Titel „Schwere Zeiten“ [Seite 191-208]. Darin geht es um die Folgen von Dürrezeiten, Unwettern, Seuchen, Brandkatastrophen und Kriegsauswirkungen. Ich zitiere im Folgenden den Teilabschnitt, der sich auf Kriegsauswirkungen bezieht. Dies auch deshalb, weil darin unter anderem auch Landwehren erwähnt werden, die es ja auch in Westernkotten gab. Die gliedernden Zwischenüberschriften sind eingefügt. WM
Mittel- und Hochmittelalter
„Für das Mittel- und Hochmittelalter liegen keine Zeugnisse vor über Kriegsgeschehen, unter dem vor allem die Landbevölkerung zu leiden gehabt hat. Erste zusammenhängende Nachrichten sind aus der Zeit der Soester Fehde (1444-1449) überliefert. Sie gestatten einen Einblick in die Praktiken des Fehdewesens und seine Auswirkungen auf das Herzogtum Westfalen.
Soester Fehde 1444 – 1449
Die Fehde ist ein durchaus legitimes und auch übliches Mittel gewesen, sich Recht durch Gewaltanwendung zu verschaffen, bedeutete doch im Rechtsdenken des mittelalterlichen Menschen Gewaltanwendung im Innern nicht unbedingt Unrecht und ungezieltes Machtverlangen. Vielmehr sind Fehde und Rache Mittel der Selbsthilfe. Sie sind nicht nur erlaubt, sondern notwendig, die von Gott gesetzte Ordnung der Welt wiederherzustellen. Wer auf das Recht der Fehde verzichtete, verlor seine Ehre. Das Fehderecht wurde innerhalb der Territorien durch Landrecht und Landfrieden geregelt.
In der Soester Fehde versuchte der Kölner Kurfürst Dietrich von Moers die der kölnischen Herrschaft inzwischen entglittene Stadt Soest sich wieder gefügig zu machen. Soest ging jedoch mit Kleve-Mark, dem alten Gegner Kurkölns, einen Freundschaftspakt ein und sagte sich am 25. Juni 1444 von Köln los. Im Verlauf der Kampfeshandlungen, die sich nun entspannen, ging es immer weniger um Wohl und Wehe der, ungehorsamen‘ Stadt Soest als vielmehr um die Erringung und Behauptung der Vormachtstellung in Westfalen schlechthin, um die Köln und Kleve seit langem stritten. Auf Seiten Kölns standen der Bischof von Münster, Heinrich von Moers, ein Bruder des Kölners, das Hochstift Paderborn und die Reichsstadt Dortmund. Soest hatte Herzog Johann von Kleve-Mark um Hilfe angerufen, aber auch die Städte Münster, Lippstadt, Kamen, Hamm und Unna standen ihm zur Seite, zeitweilig der Edelherr zur Lippe und sogar Herzog Philipp von Burgund. Dietrich von Moers belagerte vergeblich die unbotmäßige Stadt. Im Frieden von Maastricht blieb Soest bei Kleve-Mark, Kurköln dagegen behielt die eroberten märkischen Herrschaften Bilstein und Fredeburg. Am schlimmsten wurde das platte Land durch die zahlreichen Einzelunternehmungen der sich befehdenden Parteien heimgesucht, da es weitgehend schutzlos war. Die Schauplätze wechselten rasch zwischen Werl und Hamm, Soest, Lippstadt, Geseke und dem Paderborner Land, Rüthen, Warstein, Arnsberg und Neheim. Die Fehde artete immer mehr in Raub-, Brand- und Mordaktionen aus.
Anröchte und die umliegenden Dörfer standen notwendig auf Seiten des Kurfürsten von Köln, aber diese Parteinahme nützte wenig, schonten doch die Kölner ihre eigenen Leute nicht, wenn es darum ging, Beute zu machen und sich Vorteile zu verschaffen. Im Juli 1444 brannten sie Höfe und Dorfer an der Haar nieder und vernichteten alles Korn auf den Feldern (Seibertz, Quellen 2 S. 284). Im August zogen Herzog Johann von Kleve und die Soester vor Rüthen und raubten Vieh und Pferde und fingen 20 Leute, die auf den Feldern arbeiteten (S. 286). Anfang Oktober des Jahres erschienen die Soester vor Eiden und Anröchte, brannten nieder, was ihnen widerstand, raubten Vieh, machten Gefangene und steckten Heinrichs von Eppen Haus in Neuengeseke an (S. 289). Bei mehreren Überfällen Anfang Januar 1445, an denen auch Anröchter beteiligt waren, wurden ,,viele Jungfrauen und Frauen“ gefangen und misshandelt (S. 292). Wenn von Anröchtern die Rede ist, so sind sicherlich nicht die Einwohner, sondern die im kurkölnischen Amtshaus liegenden Bewaffneten gemeint.
Immer wieder wird auch Erwitte von Feind und Freund heimgesucht. Mehrere adlige Hauser, so Mielinghausen, Körtlinghausen, Welschenbeck und Uffeln, gehen in Flammen auf. Als die Kölner im Juni 1445 Sassendorf und Lohne ausraubten, zogen die Soester im Gegenzug vor Rüthen, brannten dort die Mühle ab und alles an der Haar, „was da an Dörfern und Höfen war“ (S.307). Am 18. Juni 1445 standen die Soester vor Altengeseke und steckten in Brand, „was dort noch von Häusern und Spiekern geblieben war“ (S. 308).
Die Anröchter griffen Anfang November 1445 einen Mann auf, nahmen ihm sein Pferd und Schwert und alles, was er sonst noch hatte. Zur gleichen Zeit nahm ,,der Vos“ zu Anröchte – gemeint ist wohl Heinrich von Ense – vor Soest zwei Ackerpferde mit (S. 340). Ende des Jahres 1445 fingen die Anröchter sechs Frauen und schändeten sie (S. 345), im Januar 1446 griffen sie drei Bauern auf (S. 346). Am 12. März schändeten die Anröchter die Kirche von Sassendorf, schlugen alle Kisten auf und entleerten sie. In der Kirche griffen sie einen Mann, der sich im Grab Christi versteckt hielt, und nahmen ihn mit nach Anröchte (S. 358). Am 18. Mai flohen die Kölner vor den Soestern nach Anröchte (S. 364). Anfang September zogen 20 Soester aus und raubten bei Anröchte sieben fette Schweine (S. 376). Der auf dem Amtshaus sitzende Heinrich von Ense schändete am 10. Oktober nachts den Kirchhof von Schwefe und verbrachte das geraubte Gut nach Anröchte (S. 380). Auch in der Folgezeit ist es immer wieder Heinrich von Ense, der im Namen des Kölners Raubzüge unternimmt. Am 21. November 1446 nahmen die Anröchter den Sassendorfer Frauen Salzsiedekessel und Kleider weg (S. 384), am 21. Dezember schändeten sie Soester Boten (S. 385), am 24. Dezember Frauen auf dem Lipper Weg (S. 386). Das Jahr 1447 ist glücklicherweise das letzte Jahr gewesen, in dem die Landbevölkerung von solchen Untaten heimgesucht worden ist. Anfang des Jahres fingen die Anröchter zwei Soester Fußleute und zwei Jägerknechte (5. 388). Im Gegenzug raubten die Soester vor Anröchte ein Pferd und Hopfen (S. 389). Am 18. März erschienen Anröchter wiederum in Sassendorf und entwendeten elf Salzpfannen (S. 390), wenig später drangen sie auch in die Kirche ein (S. 391). Dann schändeten sie eine Kapelle am Hinderking in Soest und fingen einen Mann, der sich dorthin geflüchtet hatte (S.392). Am 17. April vergriffen sich Anröchter zwischen Soest und Lippstadt wiederum an Frauen, am 29. April zogen sie nach Lohne, schlugen einen Mann in der Kirche halbtot, so dass er in Soest nur noch die Sterbesakramente empfangen konnte (S. 393). Die Rache der Soester ließ indes nicht lange auf sich warten. Am 4. Mai erschienen 22 Mann vor Anröchte, raubten zwei Gefangene, 3 Pferde, 12 Kühe und 15 Schweine und brachten sie nach Soest (S. 393). Das waren die letzten Kriegshandlungen der Soester Fehde im Anröchter Bereich.
Streit zwischen Köln und Kleve-Mark 1475
Rund dreißig Jahre später, am 10. November 1475, drangen etwa 400 märkische Reiter und 1000 Fußleute an die Haar vor, verbrannten Anröchte, Altengeseke, Klieve und andere Dorfer und nahmen das Vieh mit (Stille, Anröchte S. 81ff). Diese Aktion stand offenbar im Zusammenhang mit den Bemühungen Herzog Johanns von Kleve, sich eines Teiles des Herzogtums Westfalen zu bemächtigen, als Erzbischof Ruprecht von Köln sich in Gegensatz zu seinen Ständen gebracht und die Schutzherrschaft des mit Kleve paktierenden Burgund angerufen hatte.
Die Truchsess’schen Wirren 1584
Nach der Soester Fehde scheint es, abgesehen von einzelnen kleineren Beunruhigungen, im Anröchter Bereich über hundert Jahre friedlich zugegangen zu sein. Erst im Verlauf des Kölner Krieges und des sich nahtlos anschließenden Freiheitskampfes der Niederlande mit seinen Auswirkungen auf ganz Westfalen mehren sich auch hier die Anzeichen von Beunruhigungen und Überfallen durch Kriegsvölker. Am 18. März 1584 schrieben die Truchsess’schen Statthalter und Räte aus Werl an alle Adligen des Herzogtums Westfalen, sie sollten jeder wenigstens „einen reisigen Gaul mit einem wohlgerüsteten und wehrhaften Diener” an die Haar zwischen Altengeseke und Klieve schicken, um Truchsess zu unterstützen (Bruns, Tagebuch S. 243).
1587 erschien erstmals ein größeres spanisches Heer in Westfalen und setzte die Grafschaft Mark, das südliche Münsterland und das Vest Recklinghausen durch Brandschatzen, Rauben und Plündern in Angst und Schrecken. Gegenwehr wurde sogleich mit Mord und Brand und hohen Geldforderungen beglichen.
Mit solchen Praktiken standen sich die immer aufs Neue in die westfälischen Lander einfallenden Hollinder und Spanier in nichts nach, ganz gleich, ob ihnen Freund oder Feind gegenüberstanden. Selten nur und dann beinahe zufällig trafen die Gegner selbst aufeinander, so 1589 bei Lippramsdorf. Gegen die Berufsheere der Spanier und die Ausrüstung der mit großer Entschlossenheit kämpfenden Hollinder hatten die schlecht und mit veralteten Waffen ausgerüsteten Aufgebote der westfälischen Landesherren und die eilig in Selbsthilfe zusammengezogenen Bauernaufgebote beinahe nichts auszurichten.
Einen gewissen Schutz boten allenfalls Mauern, Gräben und ein ausgeklügeltes System von Landwehren im Vorfeld der Städte, sofern es noch instand war.
Holländische, also staatische Truppen 1590 – 1610
1590 stehen staatische, also holländische Truppen vor Erwitte, fallen hier ein und richten großen Schaden an. Viele Bewohner müssen sich, da sie ausgepresst werden, Geld leihen und so auf Jahre hinaus Schulden machen (StAM Landsberg-Velen Akten 25153). Am 4. Januar 1591 haben feindliche Truppen Anröchte eingenommen und wüten an der Haar, am 5. Dezember 1595 dringen staatische Truppen in die Gerichte Erwitte und Rüthen ein und plündern (Stille, Anröchte S. 84). Im Jahre 1600 fallen wiederum staatische Soldaten in das Gericht Erwitte ein, hausen aber auch im Amt Werl, in Korbach, Rüthen und Geseke. Sie verüben gleich drei Überfalle hintereinander und schrecken dabei nicht vor Mord zurück. Die Stände des Herzogtums verfassen in Arnsberg eine Bittschrift an die Eindringlinge, Land und Leute zu verschonen, da das Herzogtum neutral sei – vergeblich (StAM Landsberg-Velen Akten 14860).
Die Lage Anröchtes an der Frankfurter Straße, der großen alten Süd-Nordverbindung, und die der übrigen benachbarten Dörfer im Nahbereich ebenso häufig benutzten West-Ostverbindungen des Hellwegs und Harweges brachte es mit sich, dass die Dörfer ständig beunruhigt und in Mitleidenschaft gezogen wurden. Da Anröchte kurkölnischer Amtssitz war, genoss es einen gewissen Schutz durch die auf der Burg liegende bewaffnete Mannschaft. Dies allein reichte jedoch nicht aus, so dass sich Kurköln genötigt sah, den Ort mit Mauern, Schanzen und Toren zu umgeben. Um 1610 ist erstmals von einer solchen Befestigung die Rede.
Dreißigjähriger Krieg 1618 – 1648
Gleich 1618, bei Ausbruch des großen Krieges, ist Anröchte betroffen. Das Dorf steht jedenfalls in Erwartung feindlicher Überfälle. Die beiden Provisoren der Kirche haben Munition geliehen (StAM Herzogtum Westfalen Landesarchiv VII 3a). 1619 dringen braunschweigische Truppen in Anröchte ein, brennen und plündern und nehmen einem der Kirchenprovisoren 6 Taler Geld aus der Kirchenkasse ab. 1621 muss die Prozession infolge Kriegsunruhen ausfallen. Ein besonders schweres Jahr ist das folgende. Im März 1622 lässt Christian von Braunschweig nach erfolgloser Belagerung der Stadt Geseke die Dorfer Westernkotten, Erwitte, Anröchte, Altengeseke, Altenrüthen und Overhagen Plündern und in Brand stecken. Kurfürst Ferdinand ernennt in dieser äußerst angespannten Lage seinen Rat Johann Melchior von Meschede, Drost zu Rüthen, Geseke und Anröchter, zu seinem Generalkommissar für den Unterhalt der kurkölnischen Truppen (StAM Landsberg-Velen Akten 25175).
Über den Brand Anröchtes und die Zeit davor berichtet die Drostin in einem Bittschreiben an den Landesherrn vom 21. Dezember 1623 (StAM Landsberg-Velen Akten 25173). Zunächst schickte Herzog Christian von Braunschweig, dessen Reiter in Lippstadt lagen, einen Trompeter auf das Haus Anröchte. Dieser übergab einen Schutzbrief, der den Einwohnern und dem Amtshaus Schutz versprach. Freilich kostete ein solcher Schutzbrief viel Geld, aber es blieb den Anröchtern gar nichts anderes übrig, als zu zahlen. Dann erschienen zwei Kompanien Reiter des Rittmeisters Volmar von Neuhoff und des Kornetts von Quadt, die in Anröchte logierten und 16 Tage später nach Soest zogen. Es versteht sich, dass die Einwohner für die Unterbringung und Verpflegung aufkommen mussten. Die Kirchenprovisoren waren außerdem gezwungen, aus dem Kirchenkasten 80 Taler zu nehmen (StAM Herzogtum Westfalen Landesarchiv VII 3a). Am Tage des Abzugs rückte eine sogenannte Schutzmannschaft ein und blieb 44 Tage im Quartier. Am 9. März 1622 fielen Braunschweiger unter Jost von Haffen und Albert von Köln mit 8 Kompanien in das Dorf Anröchte ,,mit Gewalt“ ein und nahmen der Drostin alle Vorräte, Wagen, Pferde, Betten, Barschaft, Silbergeschirr, Kleinodien, Kleider und Hausgeräte weg, räumten das Vorwerk mit gedroschenem Korn, über 300 Saiten Speck und anderes aus und steckten es in Brand. Im Dorf gingen 25 Häuser, 10 Spieker und 4 Scheunen mit Korn und Hausgerät in Flammen auf. Es sah so aus, als ,,sollte alles sowohl auf dem Burgplatz als im Dorf abgebrannt und nicht ein Schweinestall übriggeblieben sein“, schreibt die Drostin. Der teure Schutzbrief hatte nur wenige Wochen seine Wirkung getan. Was diese braunschweigischen Truppen nicht angezündet haben, ist in den elf folgenden Tagen von den in Lippstadt, Erwitte und Westernkotten liegenden Reitern verbrannt worden, wobei auch Erwitte und Westernkotten ein Raub der Flammen geworden sind. Die Drostin gibt an, der allein bei ihr angerichtete Schaden belaufe sich auf 12.000 Taler, der des Dorfes auf 20.000 Taler. Diesem Brand ist auch der Blömekenhof zum Opfer gefallen, auf dem der Rentmeister Anton Münstermann saß. Das Haus wurde noch im selben und den beiden folgenden Jahren wiederaufgebaut, wie das Chronogramm am Haus bezeugt (Josef Schepers, Haus und Hof westfälischer Bauern, 6. Aufl. Münster 1985 S.433-434). Unter den Brandgeschädigten ist ferner Johannes Grabe, der sich 1623 von der Drostin Dorothea von Landsberg 100 Taler leiht, „damit ich meiner höchsten Notdurft nach eine häusliche Wohnung anstatt meines vorm Jahr durch das braunschweigische Kriegsvolk abgebrannten Hauses wiederum erbauen möge” (StAM Landsberg-Velen Akten 25114).
1623 sind es zunächst staatische Reiter, die in Anröchte ihr Unwesen treiben. Sie ruinieren die Kirchentür und nehmen den Einwohnern 400 Taler ab. Die Einwohner können das Geld nur zahlen, weil ihnen die Drostin welches vorgestreckt hat. Immerhin war das Dorf schon im folgenden Jahr in der Lage, der Drostin 290 Taler zurückzuzahlen (StAM Herzogtum Westfalen Landesarchiv VII 3a).
1625 musste Anröchte staatischen Reitern wiederum 100 Taler geben und außerdem dem Befehlshaber von Lippstadt 2 Malter Hafer im Wert von 18 Talern übergeben, ferner für einen Schutzbrief 6 Taler zahlen. Wiederholt wurden Reiter freigehalten, dann musste erneut ein Schutzbrief bezahlt werden, diesmal 12 Taler, und der Befehlshaber von Lippstadt erwartete weitere 2 Malter Hafer im Wert von über 21 Talern. Insgesamt hatte das Dorf bei der Drostin im Jahre 1625 mehr als 103 Taler Schulden (StAM Herzogtum Westfalen Landesarchiv VII 3a). Auch das Dorf Effeln musste sich verschulden. Es verkaufte dem Drosten Johann Melchior von Meschede Land, um den bei einem Überfall angedrohten Brand von sich abzuwenden. 1626 schaffte das Dorf Anröchte für 6 Taler Pulver an. Erneut kamen staatische Reiter und forderten 60 Taler. 1628 musste Anröchte mehr als 118 Taler Kriegskontributionen zahlen. Zur selben Zeit lagen kaiserliche Truppen in Effeln (StAM Herzogtum Westfalen Landesarchiv VII 3a). 1632 kamen hessische Soldaten nach Anröchte und tranken dem Pfarrer ein halbes Fass Bier aus. Auch in den folgenden Jahren waren die Dörfer an der Haar dauernder Kriegsschauplatz. 1643 beklagten sich die Altengeseker über hessische Zwangsmaßnahmen. Sie sollten 80 Taler, je 40 nach Hamm und Lippstadt, zahlen, obgleich doch über 40 Höfe und Kotten ,,auf den Grund heruntergemacht“ worden seien und deshalb nichts zu holen sei (StAM Kommende Mühlheim Akten 166). 1646 stellte der kaiserliche Feldherr Piccolomini für viel Geld den Anröchtern einen Schutzbrief aus (Stille, Anröchte S. 88). 1647 brannten in Anröchte wieder viele Hauser, unter anderem das Armenhaus, ab (Stille, Anröchte S. 251-252). Noch im letzten Kriegsjahr, 1648, wurden die Ländereien der Kliever Kapelle verwüstet und die Kapelle offenbar zerstört. Sie wurde 1650 neu geweiht (Stille, Mellrich S. 182). Die Schulden, die viele Hofe beim Haus Anröchte machen mussten, weil sie ihre Pacht nicht mehr bezahlen konnten, sind für die Jahre 1626 bis 1656 in einer Berechnung zusammengefasst. Jasper Berbüll (Heinrich Kussmann) schuldet, da er über zehn Jahre wüst gelegen hat, Abgaben für 1633 bis 1651, Wilhelm Niggenaber für 1626 bis 1656, Wessel Braun oder Bastert für 1631 bis 1651, Hermann Brunstein (Kesting Bastert) für 1636 bis 1651. Die Witwe des Jürgen Kruse ist im Krieg gleich zweimal abgebrannt, der Hausplatz 15 Jahre wiist geblieben. Sie hat die Pacht für die Jahre 1626 bis 1656 nicht entrichten können. Tontes Meisters ist die Pacht für 1633 bis 1650 schuldig geblieben, Heinrich Hölscher (Sander Kloidt) für 1626 bis 1656. Er war über 20 Jahre ohne Haus. Goert Kramers (Johann Kramers) hat die Pacht für die Jahre 1632 bis 1651 nicht bezahlen können, Heinrich Keigel (Jakob Loher) für 1632 bis 1638, weil er für diese Zeit abgebrannt gewesen ist. Jürgen Reineke (Heinrich Henßen) ist 15 Jahre verarmt gewesen und ist die Pacht für 1626 bis 1651 schuldig geblieben, Johann Sprenger (Lips Kroll) für 1633 bis 1651, Heinrich Lehmeke oder Hermann Vahr für 1631 bis 1656, weil er über 17 Jahre wüst gelegen hat. Heinrich Fortmann (Ludwig Becker) hat 1633 bis 1656 keine Pacht bezahlt (StAM Landsberg-Velen Akten 25174).
Spanische Truppen, Brandenburgische Dragoner, hannoversche Truppen… 1670 – 1737
Ab 1670 drangen im Verlauf des Krieges Ludwigs XIV. mit den Niederlanden wieder fremde Kriegsvölker in das Amt Erwitte ein, diesmal spanische Regimenter. Anröchte hatte 1672/73 78 Taler
Kontribution zu zahlen, Berge 31 Taler, Altengeseke 55 Taler und 9 Groschen, das ganze Amt aber die hohe Summe von 1020 Talern. Bei Nichtbezahlung war dem Richter des Amtes, Albert Schwerteler, von dem Lippstädter Kommandanten von Spaen angedroht, er würde in den Turm geworfen werden. Sechs Leute aus dem Amt wurden im Februar in Lippstadt in Arrest gelegt, bis das Amt eine Summe von 3000 Talern bezahlt hatte. Das Amt war „bei gegenwärtiger Verwüstung” natürlich nicht in der Lage, den Forderungen zu entsprechen (StAM Landsberg-Velen Akten 9413). 1674 quartierten sich kaiserliche Reiter in Altenmellrich ein und verlangten von der Dorfschaft 120 Taler. Das Dorf konnte das Geld bei der Kommende Mühlheim leihen (StAM Kommende Mühlheim Akten 241). Selbst der Landesherr war finanziell so gut wie ruiniert. Er musste wegen der fortdauernden ,,zerrüttenden Kriegsläufe, womit, … das Erzstift und Land fast überall umgeben“, zum Schutz desselben und zum Unterhalt der Festung und Soldaten beim Landdrosten Dietrich von Landsberg 6000 Taler leihen, die er diesem jährlich mit 300 Talern aus den Anröchter Amtseinkünften zurückzuzahlen versprach. Auch bei Ludolph Jobst von Schorlemer zu Hellinghausen und Johann Engelbert von Droste zu Erwitte nahm er weitere 6000 Taler auf (StAM Landsberg-Velen Akten 25175).
1678 fielen brandenburgische Dragoner in Anröchte ein und raubten aus dem Spieker auf dem Kirchhof die dort gelagerte Gerste (Stille, Anröchte S. 255). Im Oktober und November 1697 hielten sich kurbrandenburgische und holsteinische Truppen im Amt Erwitte auf. Anröchte musste 76 Pferde des Grafen von Natta Dragonerregiments und dessen Kapitän Kirchbach aufnehmen und verpflegen. Eine halbe Kompanie stand in Berge (StAM Landsberg-Velen Akten 9413). In der Zeit vom 27. bis 29. Oktober 1697 nahm hannoversche Infanterie unter Generalleutnant von Oer mit 1 1/3 Kompanien in Altengeseke, mit 3 Kompanien im Gericht Mellrich, mit 1 1/3 Kompanien in Anröchter und mit 2/3 Kompanien in Berge Quartier. Am 3. und 4. November stand ein thüringisches Regiment zu Fuß im Amt. Anröchte hatte den Stab und eine halbe Kompanie zu beherbergen und zu verpflegen, Berge ebenfalls eine halbe Kompanie, Altengeseke eine Kompanie. Altengeseke klagte dem Amtsdrosten, ,,dass drei Tage und drei Nachte allhie von den hannoverschen Truppen gestanden und die Leute ganz ausgemergelt, weil sie ungebührlich mit Futter, Essen, Trinken, Bier, Branntwein und Toback umgegangen und die Leute solches alles zum Überfluss schaffen müssen, die Offiziere wie auch die gemeinen Reiter nicht einen Heller oder Pfennig bezahlt…“ Neben der Einquartierung wurde auch versucht, Dorfbewohner anzuwerben oder unter Zwang zu Kriegsdienst zu bringen (StAM Landsberg-Velen Akten 4847). Dann scheint bis 1704 Ruhe eingetreten zu sein. In diesem Jahr wurde allen Einwohnern des Amtes Erwitte befohlen, „sich mit guten, tüchtigen Gewehren wie auch Munition in Pulver und Kugeln“ so auszurüsten, dass sie für den Ernstfall von Stund an bereitstanden (StAM Landsberg-Velen Akten 9413). Möglicherweise fürchtete der Landesherr ein Übergreifen des Spanischen Erbfolgekriegs (1701-1714) auf sein westfälisches Territorium. 1712 nahmen Kaiserliche Quartier im Amt Erwitte – in Altengeseke der General von Velen -, 1713 lagen Kaiserliche in Anröchte, Altengeseke und Berge (StAM Landsberg-Velen Akten 25153). Der Amtsdroste warnte alle Einwohner seines Amtsbezirks vor Werbern aus Lippstadt, die ,,die Leute auf freier Straße wie dann auch auf den Feldern ergreifen und wegschleppen“. Es standen täglich etwa acht Schützen bei Benninghausen auf der Landstraße, bei Stirpe, bei der Steinbrücke, beim Klosebaum und bei der Schrammen Warte bereit, um Werber zu ergreifen (StAM Landsberg-Velen Akten 9413). 1734 machten dänische, brandenburgische und münstersche Truppen in Klieve, Waltringhausen, Robringhausen, Altenmellrich und Mellrich Quartier (Hovestadt G IId 4 Band 2). 1736 marschierten hessische und wolfenbüttelsche Truppen durch das Herzogtum (StAM Herzogtum Westfalen Landstände 298/9). 1737 bat Kussmann in Anröchte um Aufschub der Pacht, da er wegen der „vorgewesenen schweren preußischen Einquartierung und Durchmärsche ganz enerviert” sei (StAM Regierung Arnsberg III A Fach 295 Nr. 24 Band 1).
Österreichischer Erbfolgekrieg 1740 – 1748
Während des Österreichischen Erbfolgekriegs (1740-1748) stand der Kölner kurierst gegen Habsburg auf preußisch-bayerisch-französischer Seite. 1745 machten sich militärische Durchmärsche im Amt Erwitte bemerkbar. In Altengeseke, bei der Witwe Schütz, quartierten sich Obrist Leutnant von Geldern und Obrist von Stockheim ein und blieben ihr über 90 Taler an Verpflegung schuldig (StAM Herzogtum Westfalen Landstände Akten 329).
Siebenjähriger Krieg 1756 – 1763
Der Siebenjährige Krieg (1756-1763) hat viel Leid über die Städte und Dörfer zwischen Hellweg und Haar gebracht. Im Reichskrieg gegen Preußen standen auf preußischer Seite England-Hannover, Braunschweig, Hessen-Kassel und Schaumburg-Lippe, hinzukam, dass auch die mit dem Reich paktierenden Franzosen nach Westfalen vordrangen, so dass die westfälischen Territorien Durchmarschgebiete für fremde Regimenter wurden, während die westfälischen Truppen der beiden kriegsführenden Parteien nicht im Lande kämpften. Es versteht sich, dass die preußische Festung Lippstadt bevorzugtes Ziel sowohl der Franzosen als auch der Reichstruppen gewesen ist. Bereits im Frühjahr 1757 rückten Franzosen in münstersches, Hannoveraner in Paderborner Gebiet ein. Im Winter 1757/58 war Westfalen weitgehend in französischer Hand.
Die Dörfer zwischen Hellweg und Haar lagen genau im Grenzgebiet der feindlichen Parteien. Über die großen West-Ost- und Süd-Nord-Fernstraßen kamen immer neue Regimenter heran. Sie fragten nicht danach, ob das Territorium, das sie durchzogen, zu den Verbündeten oder zu den Feinden zahlte. Sie machten Quartier, ließen sich verpflegen, erpressten Naturalien und Geld und beschafften sich obendrein Futter für ihre Pferde. Die Dörfer mussten dies, ob sie es konnten oder nicht, heranschaffen, und erhielten keinerlei Bezahlung dafür. Ende April 1757 rückten Franzosen in das Amt Erwitte ein. Obgleich zu den Verbündeten zählend, zogen sie den Einwohnern das letzte ersparte Geld aus den Taschen. In Anröchte und Berge lag das Husarenregiment von Turpin 14 Tage, in Erwitte hatten sich zwei Schwadronen des Regiments Roche Foucault einquartiert. Da das Amt zu wenig Hafer aufbringen konnte, begnügten sich die Kommandanten mit Geld. Dieses Geld mussten sich die Amtseingesessenen gegen hohe Verzinsung leihen, wodurch das Amt in Schulden geriet. Da sonst nichts mehr zu holen war, rückten die französischen Truppen nach Geseke weiter (StAM Landsberg-Velen Akten 17191). Außer diesem Husarenregiment hatten sich kaiserliche und weitere französische Truppen im Amt Erwitte eingefunden. Auch sie forderten Hafer, Heu, Holz und vor allem Frischfleisch. Brennholz war kaum aufzutreiben. Das Frischfleisch mussten die Juden von Erwitte, Anröchte, Westernkotten, Störmede, Rüthen und Geseke nach Erwitte liefern, um die rund 6000 Mann starken Truppen ernähren zu können. Bei Nichtlieferung war militärische Exekution angedroht. Für den Bereich Stadt und Gogericht Geseke sowie Amt Erwitte hatten die Juden Katz und Nathan aus Störmede das Fleisch heranzuschaffen. Sie meldeten, dass in allen umliegenden Ämtern kein Schlachtvieh mehr zu beschaffen sei (StAM Landsberg-Velen Akten 9413). Die Richter zu Allagen, Mühlheim und Mellrich waren angewiesen, das vom kurfürstlichen Oberjägermeister in den Marken bezeichnete Brennholz nach Anröchte und Berge schaffen zu lassen. Die Fuhren mussten die Landbewohner leisten (StAM Landsberg-Velen Akten 3935).
Seit Ende März 1758 rissen die Durchzüge der Franzosen nicht mehr ab. Sie errichteten im Niederholz und Sodingrottfeld zu Anröchte ein Lager und plünderten von dort aus das Dorf. Es folgten ein hessisches Leibdragonerregiment unter von Pruschenk und Regimenter von Holstein und von Finkenstein. Sie wurden mit Roggen, Gerste, Hafer, Heu und Stroh versorgt. Inzwischen hatten die alliierten Truppen Magazine in Erwitte, Anröchte, Belecke, Lippstadt, Paderborn, Lichtenau, Warburg und Rüthen eingerichtet, wohin die Landbevölkerung Getreide, Stroh und Heu zu liefern hatte (StAM Landsberg-Velen Akten 17192). 1760 sollte das Amt Erwitte allein 53.000 Rationen Heu aufbringen
und in 530 Fuhren nach Warburg oder Lippstadt transportieren. Dies erwies sich insofern als undurchführbar, als zum einen die Preise für Getreide und Heu so hoch waren, dass die Landbevölkerung dieses nicht beschaffen konnte, zum anderen kaum Pferde verfügbar waren, weil der größte Teil der Pferde in der Garnison Wesel stand (StAM Landsberg-Velen Akten 3935, 9413). Im Amt Erwitte standen zu dieser Zeit die Corps Schlüter und Kielmannsegg, aber es ließen sich auch gegnerische Soldaten sehen. So kamen welche aus Lippstadt, im Anröchter Kirchenholz Stämme zum Festungsbau abzuhauen (Stille, Anröchte S. 266). 1761 hatte Anröchte insgesamt je 7.850 Rationen Hafer und Stroh und 13.850 Rationen Heu zu liefern (Stille, Anröchte S. 202). Vor allem bedrückten braunschweig-lüneburgische Truppen das Amt Erwitte. Am 16. Juli 1761 kam es bei Vellinghausen (Gemeinde Welver) zwischen den Braunschweigern und den Franzosen zum Kampf. Eine Entscheidung wurde jedoch nicht herbeigeführt. Weitere Auf- und Durchmärsche erfolgten. Bis Ende des Jahres hatte das Amt 1 Million Rationen abzuliefern. Eine Ration bestand aus 8 Pfund Hafer, 10 Pfund Heu, 5 Pfund Stroh. Jede fehlende Ration wurde mit 1 Dukaten Strafe geahndet. 1762 lagen in Anröchte, Berge und Effeln sowie in 13 Nachbarorten zwei Bataillone des Erbprinzen Karl Wilhelm von Braunschweig, in Altengeseke, Klieve, Robringhausen, Waltringhausen, Altenmellrich, Uelde und Mellrich und 9 weiteren Orten zwei Bataillone Bartels, ferner 15 Bataillone und 17 Eskadronen sowie je ein hessisches und braunschweigisches Jägerkorps. Herzog Ferdinand von Braunschweig ordnete die Anlage von Reservedepots zur Verpflegung der Truppen an (StAM Landsberg-Velen Akten 9413). Sein Neffe, Erbprinz Karl Wilhelm, rückte indessen auf Arnsberg zu, beschoss die Stadt und zerstörte das von Kurfürst Clemens August erst dreißig Jahre zuvor als Residenz ausgebaute Schloss.
Das Herzogtum Westfalen erklärte gegenüber den Alliierten seine Neutralität. Es sollte 300.000 Taler, monatlich 50.000 Taler, zahlen. Die Gelder wurden durch eine einfache Kopfschatzung bei den bereits Verschuldeten, durch eine doppelte Kopfschatzung bei den nicht 6ffentliche Lasten Tragenden eingetrieben. Alle Häuser wurden mit 6 bis 10 Mann belegt. Die meisten Einwohner waren jedoch so arm, dass sie den in das Winterquartier einrückenden Truppen des Herzogs Ferdinand kaum ausreichend Verpflegung bieten konnten (StAM Herzogtum Westfalen Landstände Akten 357). Das adlige Haus zu Altengeseke hatte 125 Taler, von Meschede zu Anröchte 500 Taler und von Meschede zu Effeln 200 Taler zu zahlen, die Herrschaft Mellrich gar 800 Taler. In Anröchte mussten Schulte, Kleintönnes, Cort Wiemer, Proll, Rasche, Humpert und Kysack insgesamt 4 Morgen und 5 Ruten Weizen, 70 Morgen Roggen, 29 Morgen und 11 Ruten Rauhfutter, 21 Morgen und 10 Ruten Gerste und 2 Morgen und 6 Ruten Hafer abliefern, in Berge Grone, Hellentigges, Schulenberg, Gummer und Tonnies Schulte 13 Morgen und 4 Ruten Weizen, 50 Morgen und 2 Ruten Roggen, 1 Morgen Erbsen, 6 Morgen und 2 Ruten Linsen, 16 Morgen und 2 Ruten Rauhfutter, 12 Morgen und 3 Ruten Gerste und 6 Morgen Hafer (StAM Landsberg-Velen Akten 9413).
Nach 1762 scheinen im Anröchter Bereich keine Durchmärsche und Einquartierungen mehr erfolgt zu sein, jedenfalls schweigen die schriftlichen Zeugnisse. Auch der Siebenjährige Krieg hat noch mehrere Jahre danach seine Spuren im Amt Erwitte hinterlassen. Ein Einzelschicksal, das sicherlich für viele andere stehen konnte, sei hier noch aufgezeigt. 1765 stellte die Verwaltung fest, dass Johann Dietrich Dietz in Waltringhausen infolge des Krieges seine Pacht nicht hat bezahlen können. Er sei dazu nicht in der Lage gewesen wegen ,,der viel erlittenen Feldfouragierungen“. Da er häufig Kriegsfuhren habe leisten müssen, seien seine Pferde dabei krepiert. Die Ländereien hätten ,,wüst und unbesamt … liegen“ bleiben müssen, und er sei wegen all dieser Drangsale in allergrößte Armut geraten (StAM Regierung Arnsberg III A Fach 295 Nr. 32).
Hessisches Bataillon … 1793 – 1798
Es trat nun eine dreißigjährige Friedenspause ein. Erst 1793 rückten wieder Truppen in das Amt Erwitte ein, und zwar das 2. hessische Bataillon von Lasberg mit Kavallerie. In Robringhausen und Klieve quartierte sich eine Eskadron Dragoner ein, in Waltringhausen eine halbe Kompanie, in
Mellrich lagen 2 Kompanien und in Uelde 3 Kompanien. Ein Bataillon bestand insgesamt aus 600 Mann Infanterie und 24 Offizieren, die Kavallerie aus 400 Mann und 450 Pferden. Diese Einquartierung wurde zwar bezahlt, aber es muf3ten 498 Rationen beschafft und ausgegeben werden. Allein die Pferde erhielten täglich je 9 Pfund Hafer, 8 Pfund Heu und 5 Pfund Stroh (StAM Herzogtum Westfalen Ämter und Gerichte, Mellrich Nr. 1). 1794 zogen preußische Truppen durch Anröchte (Stille, Anröchte S. 103). 1795 musste das Gericht Mellrich für die in Lippstadt liegenden preußischen Truppen zehn vierspännige Leiterwagen stellen, die Richter Locke in sechs Tagen beschaffen musste. Kurze Zeit später mussten noch einmal sechs Wagen gestellt werden, und dann rissen die Befehle, Magazintransporte durchzuführen, nicht mehr ab. Insgesamt 101 weitere Fuhren waren 1795 zu leisten. 1796 lieferte das Gericht Mellrich 80 Zentner und 30 Pfund Roggenmehl, 811 1/2 Metze Hafer, 320 Zentner und 30 Pfund Heu nach Hachenburg und Weyerbusch (Westerwald) in Magazine, 1797 nach Siegen 40 Zentner Mehl. 1797/98 lagen preußische Husaren unter Rittmeister von der Goltz im Gericht Mellrich, Ende 1798 nahmen sie in Anröchte Quartier.
Aus dieser Zeit ist eine Episode überliefert, die sich am Rande der Einquartierung abgespielt hat. Rittmeister von der Goltz teilte dem kurfürstlichen Richter in Hovestadt mit, in Altenmellrich habe einer seiner Husaren, ,,nachdem ihn ein Bauernweib ausgeschimpft“ habe, derselben eine Ohrfeige gegeben“, was „eine völlige Schlägerei bewirkt“ habe. Der Husar wurde daraufhin in Arrest gelegt. In Neuenmellrich hätten „drei Bauernkerle“ einen anderen Husaren angefallen und … geprügelt, weil zu dem Husaren eine Magd aus dem Dorfe sich hinter sein Quartier eingefunden. Und von der Goltz fährt fort: „Es scheint mir bald, als wenn die Mellricher Lust hätten, das Faustrecht zu exerzieren. Hiervor werde ich mich aber dadurch sichern, dass ich die Einquartierung so verstärken werde, dass meine Leute, die nicht gewohnt sind, sich von Feinden prügeln zu lassen, auch die Bauern in Ordnung halten können“ (StAM Herzogtum Westfalen Ämter und Gerichte, Mellrich Nr. 1).