Die Partei gab es auch in Westernkotten… und ist heute wirklich nicht mehr nötig!
Von Wolfgang Marcus
Mir ist bekannt, dass es auch in Westernkotten Gemeinderatsmitglieder des BHE gab. Deswegen habe ich den Hinweis heute Morgen auf meinem Harenberg-Kalender aufmerksam gelesen. Titel: „9.Januar 1950 – Vor 75 Jahren: Interessenverband mit Vergangenheit.“
Weiter heißt es u.a.: „Am 8. Januar 1950 wurde in Kiel der Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) gegründet. Er vertrat die Interessen der nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat Vertriebenen. – Mehrere Funktionäre des BHE standen wegen ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit in der Kritik.
Partei: Von Schleswig-Holstein aus verbreitete sich die Partei im gesamten Bundesgebiet. 1952 änderte sie ihren Namen in Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE). 1953 war sie unter Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU, 1876-1967) mit den ehemaligen NSDAP-Mitgliedern Waldemar Kraft (1898-1977) als Bundesminister für besondere Aufgaben (bis 1956) und Theodor Oberländer (1905 bis 1998} als Bundesvertriebenenminister (bis 1960) vertreten. Bei der Bundestagswahl 1957 scheiterte die Partei mit 4,6 % an der Fünf-Prozent-Hürde. 1961 fusionierte sie mit der Deutschen Partei zur Gesamtdeutschen Partei (GDP). Als Dachverband der Vertriebenen bildete sich 1957 der Bund der Vertriebenen (BdV). Nach einer Studie (2013) des Instituts für Zeitgeschichte (München) waren elf der 13 Gründungsmitglieder durch ihr Wirken im Nationalsozialismus belastet. – Der Bund der Vertriebenen hat heute 20 Landsmannschaften.
Und bei der Bundeszentrale für politische Bildung ist zu lesen: „Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE), die 1951 auf Bundesebene die Interessen der Kriegsgeschädigten und Vertriebenen vertrat; ab 1952 mit dem Vorsatz »Gesamtdeutscher Block« (GB/BHE). – Sie war bis 1963 an einigen Landesregierungen beteiligt und stellte ab 1953 zwei Bundesminister/Bundesministerinnen (die 1955 zur CDU wechselten). 1961 Zusammenschluss mit der Deutschen Partei (DP) zur Gesamtdeutschen Partei (GDP).“
Der BHE als Partei auch in Westernkotten vertreten
Nach Berechnungen von Alfred Beste [vgl. Heimatbuch von 1987, S. 255) und Josef Regenbrecht [ebd. S. 247] kam der BHE bei den Gemeinderatswahlen auf folgende Ergebnisse:
- Gemeinderatswahl am 15. 9. 1946: CDU: 63,4% (9 Sitze), SPD 25,8% (2 Sitze) und die KPD 10,8% (1 Sitz), also gab es den BHE noch nicht.
- Für die darauffolgende Wahl liegen mir keine exakten Zahlen vor. Regenbrecht schreibt lediglich: „Am 17 10.1948 fand die erste Wahl der Gemeindevertretung nach der Währungsreform statt. In der anschließenden Sitzung wurde Franz Rieke als Bürgermeister
- bestätigt und Alois Merschmann zum Stellvertreter gewählt.“
- Gemeinderatswahl am 09. 11. 1952: CDU: 35,8 %, SPD: 29,0 %, BHE: 24,2 %, Sonstige: 10,9 %
- Gemeinderatswahl am 28. 10. 1956: CDU: 53,1 %, SPD: 30,0 %, BHE: 16,8 %
- Gemeinderatswahl am 19. 03. 1961: CDU: 55,9 %, SPD: 31,4 %; BHE: 12,6 %
Daraus wird deutlich, dass diese Partei mit der notwendigen Aufgabe der Integration von vielen Flüchtlingen und Vertriebenen nach dem 2. Weltkrieg eine relativ hohe Bedeutung hatte.
Die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen ist schwierig, aber sie ist gelungen
Beste schreibt: „Die Gemeinde Westernkotten konnte sich nach dem Kriege wegen der vielen Heimatvertriebenen und Evakuierten wahrlich nicht über mangelnde Arbeit beklagen.“ [S.256]
Dies wird auch deutlich aus dem Aufsatz von Josef Regenbrecht [vgl. o.g. Heimatbuch, S. 246-250]. Er schreibt unter anderem: „…Flüchtlinge und Vertriebene – Wie überall in Westdeutschland kamen Flüchtlinge und Vertriebene aus den besetzten deutschen Ostgebieten auch nach Westernkotten. Sie kamen mit ihren wenigen Habseligkeiten per Bahn bis Lippstadt oder Erwitte und wurden von dort zunächst für ein paar Nächte notdürftig in Sälen oder Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Von dort aus wurden ihnen Unterkünfte und Wohnungen, überwiegend in der Landwirtschaft, zugeteilt. Nicht überall verliefen diese „Zwangseinweisungen“ ohne Schwierigkeiten. – Nach all dem Leid und den Strapazen der letzten Wochen und Monate wurden sie überwiegend wenig freundlich und mit Misstrauen aufgenommen. Zunächst war man jedoch froh, ein Dach über dem Kopf zu haben. Besonders den älteren Flüchtlingen und Vertriebenen fiel es schwer, einen neuen Anfang zu finden. Mit Zähigkeit und Unverdrossenheit, die diese ostdeutsche Bevölkerung zeigte, wurden die Anfangsschwierigkeiten überwunden. Man war bemüht, sich den neuen Bedingungen und Lebensverhältnissen anzupassen und sich ein einigermaßen gutes Lebensklima zu schaffen. – Viele beschäftigten sich in der Landwirtschaft, um das notwendige Essen und Trinken zu haben. Nach den zunächst schweren Jahren ging es nach der Währungsreform langsam aufwärts. Die Vertriebenen schlossen sich in landsmannschaftlicher Art in Gruppen zusammen, um gemeinsam ihre besonderen Interessen zu vertreten. Da jedoch die Alliierten jegliches Koalitionsrecht, d.h. den Zusammenschluss der Vertriebenen auf der politischen Ebene verboten hatten, konnte man sich nur in Gruppen zusammenschließen, um nach und nach die besonderen Rechte und Forderungen geltend zu machen. – Zwischenzeitlich fanden auch die aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrten deutschen Soldaten durch Vermittlung des Deutschen Roten Kreuzes ihre geflüchteten oder vertriebenen Familien in Westdeutschland wieder. So fanden auch in Westernkotten diese Familien zueinander. Nach der Währungsreform im Jahre 1948 versuchten auch die zunächst in der Landwirtschaft tätigen Flüchtlinge und Vertriebenen in den Industriebetrieben in Lippstadt und Erwitte einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Da viele aus ländlichen Bereichen und bäuerlichen Berufen stammten, musste man sich zunächst mit Hilfsarbeitertätigkeiten begnügen. Dank der ihnen angeborenen Tüchtigkeit und den ihnen eigenen Fleiß konnten sie ihre wirtschaftliche Lage mit der Zeit verbessern. Durch den Zusammenschluss fast aller hier lebenden Flüchtlinge und Vertriebenen im „Bund der Vertriebenen“ wurde der ostdeutsche Gemeinschaftssinn durch Pflege des kulturellen Lebens und Brauchtums in den deutschen Ostgebieten neu geweckt. Auch in der hiesigen Bevölkerung zeichnete sich mit der Zeit Verständnis für die besondere Lage der Vertriebenen und Flüchtlinge ab. Für die Älteren war es jedoch nach wie vor schwierig, sich mit den neuen Verhältnissen in Westdeutschland abzufinden. Nur die Zeit heilte so langsam alte Wunden. Den Jüngeren fiel es leichter, über das Vereinsleben oder andere gesellschaftlichen Möglichkeiten hier heimisch zu werden. Manch einer hat seinen festen Platz im geselligen Leben unserer Gemeinde gefunden. – Ein besonderes Problem blieb jedoch die Wohnungsnot der Vertriebenen und Flüchtlinge. – Im kommunalen Bereich erkannte man dieses Problem und so stellte man Grundstücke für Bauwillige preisgünstig zur Verfügung. Insbesondere war man interessiert, wieder eine eigene Schule zu besitzen. So entstand das erste Siedlungsgebiet „Auf der Brede“, wo auch einige Siedlungshäuser von vertriebenen Familien errichtet wurden. Kurz darauf wurde in großzügiger Weise von der damaligen Gemeindevertretung Westernkotten das Siedlungsgebiet „Fredegras“ für Bauzwecke bereitgestellt. Zwischenzeitlich war es auch den Vertriebenen und Flüchtlingen gestattet worden, sich zu politischen Gruppen zusammenzuschließen. So entstand auch in Westernkotten vorübergehend eine politische Gruppe, die sich BHE nannte. Durch den persönlichen Einsatz und dank der guten taktischen Verhandlungsfähigkeit einiger Bürger aus den Vertriebenenkreisen gelang es, Ländereien für Siedlungszwecke im Gebiet „Fredegras“ für einzelne Familien bereitzustellen. – Mitte bis Ende der fünfziger Jahre entstand hier eine Siedlung mit einem Bevölkerungsgemisch aus Ost-, Mittel- und Westdeutschland. Hier ist erfreulich festzustellen, dass trotz anfänglicher gegensätzlicher Meinungen eine ausgezeichnete Nachbarschaft unter diesen unterschiedlichen Bevölkerungskreisen entstanden ist. In den folgenden sechziger und siebziger Jahren setzte sich die Akklimatisierung der Vertriebenen und Flüchtlinge mit der heimischen Bevölkerung erfreulicherweise fort. Das gilt besonders für die jüngere Generation, vor allem durch Heirat miteinander. Es bleibt festzustellen, dass sich trotz aller menschlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Gegensätze das Zusammenleben innerhalb der Gemeinde in den vergangenen 40 Jahren so stark gefestigt hat, dass die Integration der Vertriebenen und Flüchtlinge als abgeschlossen betrachtet werden kann. Trotzdem bleibt anzumerken, dass die geschichtliche Vergangenheit, die das Leben der Flüchtlinge und Vertriebenen in ihrer früheren Heimat geprägt hat, nie in Vergessenheit geraten wird …“ [S.248-250]
Die Integration lief auch über die Vereine. Hier sind besonders der Imkerverein und der Männergesangverein zu nennen. Ferdinand Mönnig und andere haben den Aufsatz über die Vereine geschrieben. Zum Imkerverein heißt es: „…Die Jahre des Hungers und des Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg belebten auch die Arbeit des Imkervereins. Neue Mitglieder, darunter mehrere geschulte, langjährige Imker aus den Reihen der Heimatvertriebenen aus Schlesien, schlossen sich dem Verein an…“ [S. 411] Dazu ein passendes Foto [S. 248]:
Und auch im Aufsatz von Robert Kleinetebbe [aa0. S. 323] kommen die Heimatvertriebenen vor: „…Nach dem Ende des 2. Weltkrieges kamen durch die Heimatvertriebenen wesentlich mehr Evangelische nach Westernkotten. Der zu dieser Zeit nach Erwitte gekommene – und bis 31. 12. 1971 tätig gewesene – Pfarrer Fr. W. Wilms, dessen Bezirk die Ämter Erwitte und Anröchte sowie Teile des Verwaltungsbezirks Rüthen umfasste, „sammelte Gemeinde“.
Zur Integration der Heimatvertriebenen wurde in Westernkotten sogar ein „Heimkehrerverband gegründet. So heißt es im „Patriot“ vom 29.12.1953: „Westernkotten. Zur Gründung eines Ortsverbandes fanden sich die Heimkehrer im Gasthof Besting zusammen. Schriftführer Skibbe Ortsverband Erwitte, leitete die Versammlung und begrüßte die zahlreich erschienenen Heimkehrer, insbesondere die z. Z. zur Erholung in Bad Westernkotten weilenden Spätheimkehrer. – Nach Kenntnisnahme der Satzungen des Verbandes wurde einstimmig beschlossen, in Westernkotten einen Ortsverband zu gründen, mit dessen vorläufiger Leitung die Heimkehrer Besting, Reiner und Vollmer betraut wurden. In einer Versammlung im Januar wird der Ortsverbandsvorstand endgültig bestimmt. Kreisgeschäftsführer Türk, Lippstadt, überbrachte die Wünsche des Kreisverbandes und begrüßte die Gründung des Ortsverbandes. Der Kreisgeschäftsführer betonte, dass der Heimkehrerverband die in letzter Zeit gegen ihn erhobenen Vorwürfe, ein Interessenverband zu sein, aufs schärfste zurückweise. Die Heimführung aller noch inhaftierten und gefangenen Deutschen sei ein Anliegen des ganzen deutschen Volkes; dieses Ziel zu erreichen, habe sich der Verband zur erstrangigen und dringenden Aufgabe gesetzt. Daneben trete der Verband für die Wahrung der Rechte und Belange der Heimkehrer ein, um ihre Zukunft zu sichern. Kein verantwortungsbewusster Politiker könne sich dieser Aufgabe verschließen.“
Fazit
Ich kann mich den o.g. Ausführungen nur anschließen: Die Integration der Flüchtlinge, Evakuierten und Vertriebenen ist in Bad Westernkotten abgeschlossen! Und es gilt das alte Motto: Wer mitmacht, erlebt Gemeinde!