Einer der größten Funde in Westfalen
Von Wolfgang Marcus
Am 11.12.2024 erhielt ich einen Anruf von Herrn Braukmann aus Soest, der mich wegen eines geplanten Aufsatzes über Landwehren ansprach. Dabei kamen wir auf verschiedene Dinge zu sprechen, unter anderem auf frühere Sondengänger aus dem Raum Erwitte. Und er teilte mir mit, dass ein keltischer Eber einer der größten Funde der Region sei und von einem Fritz Dietz, gebürtig aus Westernkotten, ans Tageslicht gefördert worden sei. Da ich Fritz Dietz gut gekannt habe, war mein Interesse geweckt, und vor allem die Hinweise auf den Eber animierten mich zu weiterer Recherche. Meine kurze Erkenntnis vorab: Fritz Dietz war ein sehr verantwortlicher Sondengänger!
„Gleich zweimal Schwein gehabt – ein keltischer Eber in Westfalen“
Unter diesem Titel hat Manuel Zeiler einen recht umfangreichen Artikel auf der Homepage des LWL platziert [1]. Ich zitiere ihn in vollständiger Form: „Da staunte der Heimatforscher Fritz Dietz nicht schlecht: Bereits seit Jahren suchte er auf Äckern bei Erwitte und Lippstadt nach Funden und hatte schon unzählige Artefakte von der Steinzeit bis in modernste Epochen entdeckt. Aber im Juli 2002 fand er ein kleines Buntmetallobjekt, das in Westfalen einzigartig ist – die Statuette eines bronzenen Schweins. – Das kleine Objekt mit den niedlich wirkenden Ohren steht dabei für einen gefährlichen Eber. Noch heute garantieren imposante Wildschweine mit ihren riesigen Hauern furchteinflößende Momente bei Spaziergängen in unseren heimischen Wäldern. Daher verwundert es auch nicht, dass der Eber bereits in der Vorstellung der Kelten vor über 2000 Jahren für Kraft, Wildheit und Stärke stand. Da Erwitte weit nördlich der keltischen Zivilisation liegt, war die Bedeutung des Eberfundes schnell klar: Hierbei handelt es sich um ein fremdes Artefakt aus weit entfernten Regionen. Diese Importe sind für die Archäologie wesentlich, um die vergangenen kulturellen Kontakte zwischen den verschiedenen Räumen zu verstehen oder gar zu rekonstruieren. – Wegen seiner Bedeutung für die Wissenschaft wurde das Schwein in der Ausstellung der nordrhein-westfälischen Landesarchäologie 2005 stolz in seiner Schönheit präsentiert. Nicht aber in seiner vollen Schönheit: Der Fehler lag darin, dass keine vollständige Statuette gefunden worden war, sondern eine Eberfigur, deren Rücken und Ohren abgebrochen waren. Dieser Makel hat aber Konsequenzen bei der Bewertung des Artefaktes. Denn aufgrund der stilistischen Gestaltung von Schnauze, Brustpartie und Rückenkamm kann anhand von Vergleichen aus der keltischen Welt eine Zuordnung erfolgen, es kann bestimmt werden, wie alt das Stück ist und wo wahrscheinlich sein Herstellungsort lag. Für die Landesausstellung 2005 ist die Rückenpartie des Ebers rekonstruiert worden. Da Archäologen dabei in der Regel eher vorsichtig sind, wurde wegen naheliegender süddeutscher und französischer Beispiele nur ein relativ simpler Rücken mit niedrigem, abgesetztem Rückenkamm ergänzt. – Fritz Dietz hatte aber noch einmal Schwein: Noch im Jahr der Ausstellung fand er auf dem gleichen Acker das fehlende Puzzleteil zum Verständnis des Ebers von Erwitte: Er ist tatsächlich nicht nur mit einem hoch aufragenden, sondern mit einem mehrfach durchbrochenen Rückenkamm ausgestattet. Dieser charakteristische Kamm spricht nun für die Herstellung des Schweins im 2. oder 1. Jahrhundert v. Chr. in anderen Regionen, als ursprünglich vermutet worden war. Der Eber kommt nicht aus Südfrankreich, sondern wurde im Südosten zwischen Bayern und Westungarn hergestellt.“
Die Eberfigur ist in zwei Teile zerbrochen. Der untere mit der Schnauze und den Beinen wurde vom Heimatforscher Fritz Dietz 2002 auf einem Acker entdeckt. Der obere Teil mit den Ohren und dem Rückenkamm wurde auf demselben Acker entdeckt, aber erst 3 Jahre später. Anhand des charakteristischen, mehrfach durchbrochenen Rückenkamms kann die Figur datiert und ihr Herstellungsraum zwischen Bayern und Westungarn eingegrenzt werden. Die Figur wird heute wohl noch im LWL-Museum für Archäologie in Herne aufbewahrt. – Hier eine Abbildung des Ebers, einer kleinen Figur aus grünlicher Bronze, die das stilisierte Aussehen eines Ebers hat:
Weitere Angaben zu diesem Fund:
- Fundort: Erwitte, Kreis Soest
- Fundumstände: Kontext: Einzelfund; Datum: 2002 und 2005;
- Objekt Material: Bronze; Länge: 9,8 cm; Breite: 2,8 cm; Höhe: 7,0 cm
- Datierung: 2.–1. Jahrhundert v. Chr.
- Epoche: Späte Mittel- bis Spät-Latènezeit; Kultur: Ost-Latènekultur
- Import: Herstellungsregion: Ost-Latène-Raum (Bayern, Österreich, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn)
- Herstellungszeit: 2.–1. Jahrhundert v. Chr.[2]
Schon einige Jahre vorher war der Fund herausgestellt, und zwar im sog. „Neujahrsgruß 2006“, einem Jahresbericht für 2005 des westfälischen Museums für Archäologie – Landesmuseum und Amt für Bodendenkmalpflege – herausgegeben von der Altertumskommission für Westfalen. Dort heißt es nach einem entsprechenden Foto: [3] „…Wie aufregend Archäologie sein kann, beweist die kleine beschädigte Eberstatue aus Bronze, die im Jahre 2002 Fritz Dietz im Raum Erwitte, Kreis Soest, gefunden hatte. Die fehlende Rückenpartie hat zahlreiche Diskussionen über das Gesamtbild des Tierfigürchens ausgelöst, die dann zu einem ersten Rekonstruktionsversuch führten. Dass Vergleiche von Fundmaterial aufgrund von statistischen Kriterien nicht immer zutreffend sein müssen, zeigt der neue Freund von Fritz Dietz: Etwa 5 m von der Fundstelle der Eberstatue entfernt entdeckte er nämlich das fehlende Rückenteil mit dem vollständig erhaltenen Kamm, der wider Erwarten nicht massiv, sondern durchbrochen gestaltet ist. Eine erste Überprüfung des Fundes, der noch bis Februar 2006 in der Landesausstellung im Museum in Herne zu besichtigen ist, deutet nach Aussage unserer Restauratorin auf einige technische Überraschungen hin…“
[1] Siehe https://100jahre100funde.lwl.org/de/100-fundeepochen/eisenzeit/041-eberfigur/
[2] Sodann wird noch weiterführende Literatur angegeben:
- Michael Baales/Anna Helena Schubert, Ein keltischer Eber in Westfalen – Glücksbringer oder Beschützer? In: Heinz Günther Horn u.a. (Hrsg.), Von Anfang an. Archäologie in Nordrhein-Westfalen. Ausstellungskatalog Köln, Herne. Schriften zur Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen 8 (Mainz 2005) 359-–361.
- Manuel Zeiler/Eva Cichy/ Michael Baales, Die Vorrömische Eisenzeit in Südwestfalen – Eine Übersicht zum aktuellen Forschungsstand. In: Hans-Otto Pollmann (Hrsg.), Archäologische Rückblicke. Festschrift Daniel Bérenger. Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 254 (Münster 2014) 91–125.
[3] Ebd. S. 65/66. Das Heft findet sich auch in meinem Bestand.