2010: Die „Kleine Lehrerin“ Theresia Strachotta und andere Anekdoten aus der Westernkottener Schulgeschichte

Von Maria Peters; Erstabdruck: Heimatblätter Lippstadt 2010, S. 97-100

Fräulein Strachotta‘‘, die „Kleine Lehrerin der Volksschule Westernkotten“, erhielt ihren Namen nicht gemessen an ihrer Körpergröße, sondern sie war das „Fräulein Lehrerin“‘, das die Kinder der ersten Klassen unterrichtete, und zwar fast fünf Jahrzehnte lang – von 1881 an bis zu ihrer Pensionierung im Jahre 1926. Theresia Strachotta wurde am 5. Juli 1862 in der Nachbargemeinde Erwitte geboren – als Kind des Sattlermeisters Josef Strachotta und seiner Ehefrau Theresia Elisabeth Rebecca, geb. Tüllmann (Tyllmann?). Die Mutter stammte aus Geseke, zur Stiftsgemeinde gehörend, wo sie am 19. September 1832 das Licht der Welt erblickte.

Der Vater Josef kam nach Angaben einer Urenkelin ursprünglich aus der Provinz Posen, wahrscheinlich aus dem damaligen Kreis Meseritz.

In erster Ehe war er mit Therese Granzow verheiratet, Die Ehe wurde am 9. 11. 1854 geschlossen. Die Ehefrau verstarb bereits am 9. 10. 1857 in Erwitte. Die Ehe mit der oben genannten Theresia Elisabeth Rebecca Tüllmann wurde am 18. 2. 1858 geschlossen. Aus dieser Verbindung gingen sieben Kinder hervor. Hermann – geb. 27. 11. 1858, ein Kind verstarb gleich nach der Geburt am 9. 1. 1860, Theresia – geb. 5. 7. 1862, Josefa – geb. 9. 1. 1865, Albert – geb. 11. 2. 1868, Anna – geb. 5. 8. 1870 und Maria – geb. 13. 6. 1873. Letztere starb bereits am 23.1. 1874. Die Familie lebte in Erwitte auf der Hausstätte „Henzen, Haus-Nr. 84*.

Theresia Strachotta absolvierte von 1879 bis 1881 ihre Ausbildung am Lehrerinnenseminar in Paderborn und wurde anschließend am 4. Mai 1881 als Lehrerin der „Sammelklasse der Katholischen Schulgemeinde Westernkotten‘“ eingestellt. In den folgenden Jahren oblag ihr zusätzlich die Pflege ihres

kranken Bruders Hermann, der am 10. 2. 1914 im Marienhospital Erwitte verstarb. Er wurde auf dem Friedhof in Westernkotten beerdigt. In einer „frühen“ Aufnahme des Friedhofs ist das Grab mit einer Umfassung in schöner Kunstschmiedearbeit, die in hiesiger Gegend wenig anzutreffen war, noch zu erkennen. Die Mutter starb als Witwe am 18. Dezember 1901 im fernen Sebnitz (Sachsen), wo sie in der Familie einer ihrer Töchter lebte.

In den langen Jahren ihrer beruflichen Tätigkeit als Lehrerin in Westernkotten unterrichtete Theresia Strachotta die Kinder der „ersten Klassen‘‘ unter den Hauptlehrern Friedrich Tuschhoff, der von 1869 bis 1912 hier tätig war, und dem 1886 in Hüsten geborenen Wilhelm Probst, der am 1. April 1912 seine Hauptlehrerstelle in Westernkotten antrat.

Im Folgenden soll kurz auf die beengten Schulraumverhältnisse in der damaligen Zeit in der Gemeinde Westernkotten eingegangen werden. 1881, zu Beginn der Tätigkeit von Theresia Strachotta als Lehrerin, fand der Unterricht der Klassen I/II und III, der so genannten Sammelklasse, in dem 1854 für den Vikar gekauften Dr. Dieckmann‘ schen Hause statt. Ab 1911 befassten sich die Gemeindevertretung und der Schulvorstand mit den Plänen zum Bau eines 5-klassigen Schulhauses, da die 1824 erbaute, marode 2-klassige Schule sowie die alte Knabenschule und die Unterbringung der Sammelklasse in der Vikarie den Anforderungen einer ordentlichen Unterrichtung nicht mehr genügten. Außerdem sollte auch eine Lehrerwohnung für den Hauptlehrer in dem Gebäude eingeplant werden. Das gegenüber der alten Schule liegende Grundstück des Leo Jesse bot sich für den Neubau an und wurde erworben. Im Herbst 1914 konnte das vom Lippstädter Architekten Wilke entworfene Schulgebäude eingeweiht werden und Westernkotten verfügte endlich über genügend freundliche Klassenräume, in denen alle Schüler Platz fanden. Auch eine geräumige Hauptlehrerwohnung und ein schöner Garten waren nun vorhanden. Das Vorhaben, in einem Präsidial-Erlass vom 30. 9. 1912 anlässlich des 25-jährigen Regierungs-Jubiläums des Kaisers angekündigt, dem Gebäude den Namen „Kaiser Wilhelm II.-Schule“ zu geben, wurde nicht durchgeführt. Stattdessen bekam die neue Schule an der Frontseite die Inschrift „Fürchte Gott! Ehre den König!“ Zu Beginn des 1. Weltkriegs wurden zunächst die männlichen Lehrpersonen zum Militärdienst einberufen und die Unterrichtung der 242 Kinder oblag den beiden verbliebenen Lehrerinnen Strachotta und Gödde. Im Oktober 1915 wurde der Hauptlehrer-Probst vom Militärdienst befreit und der Schuldienst mit wechselnden Junglehrern bis zum Kriegsende durchgeführt.

Es fand sich im Nachlass von Hauptlehrer Probst – unter dem 2. Mai 1917 – eine Niederschrift von Theresia Strachotta mit folgendem Wortlaut: Von den anderen langjährigen Lehrkräften, die zurzeit „Fräulein Strachottas‘“ in Westernkotten wirkten, sollen noch die Lehrerin Elisabeth Cramer, geb. 1836 in Sundern, die von 1858 bis zu ihrem plötzlichen Tod am 16. November 1902 die „Mädchenklasse“ in Westernkotten unterrichtete, und die 1875 in Salzkotten geborene, noch vielen älteren „Westernköttern“ bekannte Lehrerin Christine Gödde genannt werden. Sie wurde nach 30-jähriger Dienstzeit in Westernkotten am 1. Oktober 1935 pensioniert. In einer Aufzeichnung des Hauptlehrers Wilhelm Probst – ohne Datum – ist vermerkt: „Außer den beiden vorgenannten Lehrkräften … war zu derselben Zeit die Lehrerin Frl. Theresia Strachotta hier angestellt.

Sie ist am 5. 7. 1862 in Erwitte geboren und wurde hier am 11. 5. 1881 angestellt. Am 21. Oktober 1926 trat sie in den Ruhestand. Sie ist hier 45 Jahre lang Lehrerin gewesen und war auf ihren Wunsch immer die Lehrerin der Kleinen, die sog. „Kleine Lehrerin“. Nach ihrer Pensionierung genoss Fräulein Strachotta häufig bei einem Spaziergang die Mittagssonne auf dem ‚, Trottoar“ (Trottoir), dem damals einzigen Bürgersteig Westernkottens.

Theresia Strachotta verstarb am 14. Dezember 1951 in ihrer Wohnung in Westernkotten. Ihr Tod wurde beim dortigen Standesamt angezeigt von ihrem Verwandten – Kaufmann Werner Rüschhoff – aus Lippstadt. Im „Patriot‘“ vom 15.12. 1951 fand sich auch ein Nachruf der politischen Gemeinde, der Kirchengemeinde und der Katholischen Volksschule aus Westernkotten.

Quellen: Ruth Schwarz, Werne; Aufzeichnungen Wilhelm Probst; Fotomaterial Familie Probst/Toni Erdmann, Stadt-Archiv Erwitte, Stadt-Archiv Lippstadt