Erstabdruck: ABU-Info 43.-47. Ausgabe 2024, S.54-57
[Sehr empfehlendswerter Aufsatz für alle, die an der Schönheit und dem Erhalt des Niedermoorgebietes „Muckenbruch“ interessiert sind. WM]
Regelmäßige Ausflüge insbesondere zur Ertüchtigung meiner Fitness sowie meines Immunsystems gehören zu meinen Jugenderinnerungen der 70er Jahre. Nicht selten widerwillig durchliefen wir Schwestern den Sportparcours im Muckenbruch, in Kombination mit Wassertreten in eisigem Quellwasser. Unsere Eltern waren glühende Anhänger der damaligen Trimm-dich-Bewegung…
In den 80er Jahren erinnere ich mich, in strengem Kontrast dazu, an eine Demonstration der ABU, deren Mitglied ich unterdessen geworden war, am Muckenbruch. Wir prangerten die Entwässerung und den Grünlandumbruch der moorigen Böden nördlich der Bruchstraße zwischen Bad Westernkotten und Bökenförde an.
Mit leisem Lächeln berichte ich nun vom Muckenbruch im derzeitigen Zustand, nachdem wir Mitarbeiter der ABU während mehr als einer Dekade Gebietsbetreuung zahlreiche Biotop- und Artenschutzmaßnahmen durchgeführt haben—und dabei stehen wir erst am Beginn der Moorrenaturierung!
Das 2003 im Landschaftsplan I ausgewiesene Naturschutzgebiet Muckenbruch erstreckt sich über 97 ha zwischen Bad Westernkotten und Bökenförde im früheren Überschwemmungsgebiet der Gieseler, der Pöppelsche und der Flachsröte. Die landläufige Bezeichnung „Muckenbruch“ bezieht sich auf ein kleines bewaldetes Kalkflachmoor mit eingebetteten Quellbereichen, insgesamt eine überregional sehr seltene Standortkombination, für jeden Botaniker ein besonderes Ziel. Dabei geht der Name auf die als „Mucken“ bezeichnete Torfbriketts zurück, als in waldarmer Zeit der getrocknete Torf wertvolles Brennmaterial war. Speziell ist auch die geologische Situation mit kreidezeitlichen
Kalkmergelschichten (Emschermergel) am Fuße des Haarstranges, parallel zum Hellweg gelegen. Der undurchlässige Mergel lässt das Kluftwasser im Muckenbruch austreten.
Die Torfhorizonte des kleinen Niedermoores konnten sich in Vorzeiten durch Quellaustritte, übertretende Hochwässer der benachbarten Bäche und zufließende Niederschläge vom Haarstrang bilden. Wie bei den anderen Kalkflachmooren entlang des Hellweges, wie z.B. die Woeste, bilden undurchlässige Schichten aus der Kreidezeit die Basis des Torfkörpers. Nicht auszuschließen ist, dass zu Zeiten der Torfbildung „tierische Bauingenieure“ für einen langanhaltenden Wasser-Einstau sorgten. Eine Wiedervernässung des seit Jahrhunderten entwässerten Moores gestaltet sich aus verschiedenen Gründen schwierig, liegt es doch wie ein leicht geneigter Suppenteller im Überschwemmungsgebiet der Gieseler. Damit ist es ein sogenanntes Durchströmungsmoor, und es genügt nicht, lediglich an einer Stelle den Ablauf zu verschließen. Um in einem größeren Bereich die Grundwasserstände anzuheben, müssen an zahlreichen Stellen des dichten
Grabennetzes Staue eingebaut werden. Auch Rohrdurchlässe sind aufgrund der hochliegenden Wege hier und da vonnöten.
Besonders unbefriedigend für den Wasserhaushalt des Moores ist der erhebliche Anteil zumeist intensiv, teils sogar ackerbaulich genutzter Privatflächen. Das umgebende Wassereinzugsgebiet des Muckenbruchs ist fast vollständig meliorisiert. Das Drainagewasser gelangt nur noch teilweise ins Moor. Es wird unterirdisch gesammelt und beschleunigt den Bächen wie der Flachsröte zugeführt.
Frühe Planungen zur Renaturierung stammen schon aus 1989 (Vollmer und Loske), umfassend und mit moderner digitaler Unterstützung fußen die Maßnahmen seit 2015 auf einem hydraulischen Entwicklungskonzept von Roland Loerbroks (ABU 2012).
Seit der Erstellung des „Wasserwirtschaftlichen Entwicklungskonzeptes für das Niedermoor NSG Muckenbruch“ aus 2012 konnten wir die Grundwasserstände auf kommunalen Moorflächen durch Anstau von Gräben, durch Beseitigung von Dränagen und durch eine gezielte Verteilung des Wassers deutlich anheben und so
das Moor wieder vernässen. Seither dominieren auf den wieder vernässten Flächen Seggenrieder und Schilfröhrichte, während Goldruten- und Brennesselbestände rückläufig sind, Hier ist die Wasserrückhaltefunktion teilweise wiederhergestellt. Einige Waldflächen wurden gänzlich aus der Bewirtschaftung genommen und sind heute sich weitgehend natürlich entwickelnde Au- und Sumpfwälder. Nur zwischen Gieseler und Moor liegen landwirtschaftliche Flächen mit hohem Grünlandanteil. Hier sind Feucht- und Nassgrünlandflächen erhalten geblieben, während entlang der Bruchstraße der Ackeranteil aufgrund flächiger Drainage (teils auf organischen Böden) überwiegt. Hier liegt noch ein großes Entwicklungspotential für das Moor mit seinem großen Wassereinzugsgebiet – es wäre ein kleiner, aber wichtiger Beitrag zur Begrenzung der Freisetzung von Treibhausgasen und zum Boden- und Klimaschutz.
Über einige Jahrzehnte wies das Gebiet überwiegend Forstflächen aus einer Aufforstungsperiode Anfang der 1960er Jahre auf. Diese bestanden zu 80 %aus Erlenstangen- und Pappelforsten sowie Laubwaldpflanzungen auf Mineralböden mit hohem Bergahornanteilen. Nur im zentralen Bereich können die Wälder in der Kraut- und ersten Baumschicht heute wieder als Schwarzerlen- und Eschenauenwälder kartiert werden. Der ehemalige Bruchcharakter mit zahlreichen Kopfweiden im Umfeld des Waldes wurde über Jahre vernachlässigt. Seit etwa 2015 werden abgängige Kopfbäume durch eine örtliche ehrenamtliche Pflegetruppe sowie die ABU ersetzt und gepflegt.
Im westlichen Teil des Waldes befinden sich baumfreie Bereiche, teils ehemalige, teils aktuelle Torfentnahmestellen; ein Biotopkomplex aus Schilfröhrichten und Kleingewässern (Torfstiche). Diesen nachempfunden wurden Kleinstgewässer, die für die Gelbbauchunke – eine europarechtlich gemäß Anhang II und IV der FFH-Richtlinie besonders geschützte Art – im Rahmen LIFE-Projektes „BOVAR“ jährlich neu hergestellt werden. Im Gebiet existiert eine Population der Gelbauchunke, die zeitweilig zu den bedeutendsten Arten Westfalen zählte.
Zur Förderung der Rohrweihe (besonders geschützt gem. Anhang I der Vogelschutzrichtlinie der EU) und der Gelbbauchunke wurden lokal Weidengebüsche entnommen. Der so entstandenen strukturreiche, kleinparzellige Offenland-Komplex bietet auch zahlreichen gefährdeten kalkholden Pflanzenarten z.B. der Rispensegge (Carex paniculata) Lebensraum. Durch die Rückumwandlung von Acker in Grünland kann die Habitatqualität für die verbliebenen Steinkauzpaare verbessert werden.
Seit 2022 hat sich der Biber an der Gieseler – Nebengewässer der Lippe – und im Muckenbruch angesiedelt. Wie für ihn sind die Gieseler und die in sie mündende Pöppelsche für zahlreiche Pflanzen und Tiere ein wichtiger Biotopverbund zwischen Haarstrang und Lippeniederung.
Im Muckenbruch werden wir auch künftig Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen für den Biotop- und Artenschutz umsetzen, unser Bemühen um die Erhaltung des Moores wird weitergehen. Es entspricht auch der nationalen Moorschutzstrategie des Bundes und der darauf basierenden Potentialermittlung renaturierbarer Moore in NRW.
Auch die Gieseler soll wieder einen durchgängigen und naturnäheren Verlauf bekommen. Dafür wurde ein Maßnahmenkonzept für das FFH-Gebiet „Manninghofer Bach, Gieseler und Muckenbruch“ erarbeitet – ein Beitrag gleichermaßen zur Naturentwicklung und zum Klimaschutz. Hieran beteiligt sind Vertreter der Stadt Erwitte, des Forstamtes Rüthen, die Naturschutzbehörden und nicht zuletzt die ABU.
50 Jahre später treibe ich nach Feierabend wieder Sport und „trete Wasser“ in Bad Westernkotten, allerdings zumeist im dortigen Kurpark – eine Empfehlung!